
Die NÜRNBERGER ZEITUNG meint: "Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan mag vom Ausmaß der Demonstrationen gegen die Inhaftierung seines Widersachers Ekrem Imamoglu überrascht worden sein - doch eine ernsthafte Gefahr für seine Macht sind die Proteste bisher nicht. Ein wichtiger Grund dafür, dass sich Erdogan bis auf Weiteres sicher fühlen kann, sind die tiefen Gräben im Lager seiner Gegner."
Auch die SÜDWEST PRESSE aus Ulm findet: "Die aktuelle Weltlage kommt Erdogan entgegen. Ernsthafte Kritik oder gar Sanktionen aus den USA muss er unter Donald Trump nicht fürchten. Auch vor der EU muss Erdogan keine Angst haben. Zu wichtig ist das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei immer noch, um über erhobene Zeigefinger hinaus Konsequenzen zu ziehen. Die Demonstranten sind auf sich alleine gestellt. Man kann der stolzen Nation nur wünschen, dass Erdogan nicht damit durchkommt."
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG fragt hingegen: "Könnte dies Erdogans letzte Schlacht sein? Der Gezi-Bewegung damals fehlte eine Leitfigur. Ganz anders 2025: Ekrem Imamoglu hat bereits zweimal die Wahl gegen einen von Erdogan ausgesuchten AKP-Kandidaten gewonnen – ausgerechnet in Istanbul, Erdogans Heimat, der politisch und wirtschaftlich wichtigsten Stadt der Türkei. Die Massendemonstration am Wochenende haben gezeigt, dass auch die CHP versteht: Es geht den Demonstranten längst nicht mehr 'nur' um die Freilassung Imamoglus. Es geht ihnen um die Zukunft der Demokratie und um das Ende der AKP-Regierung Erdogans. Nach anfänglichem Zögern hat die Partei des Staatsgründers Atatürk nun dieses Ziel zu ihrem gemacht", beobachtet die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU merkt an: "Der weitverbreitete Unmut in der Bevölkerung wird zwar sicher noch lange viele Menschen auf die Straße treiben. Gründe dafür gibt es mit wirtschaftlicher Talfahrt und Demokratieabbau genügend. Doch die unterschiedlichen Interessen der Protestierenden machen es Özgüt Özel als Chef der größten Oppositionspartei CHP nicht leicht. Zumal es generell und in der Türkei im Speziellen nicht leicht ist, eine Opposition über Parteigrenzen hinweg zusammenzuhalten. Mit anderen Worten: Die eigentliche Arbeit beginnt für die türkische Opposition gerade erst. Doch auch Erdogan kann sich keinen Dauerkonflikt leisten, der das Land lähmt", betont die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die TAZ warnt: "Wenn Imamoglu nicht aus dem Knast kommt und Neuwahlen erzwungen werden, wird Erdogan, gestützt auf Polizei und Militär, eine islamistische Diktatur durchsetzen mit ihm als Präsidenten auf Lebenszeit. In dieser Situation bleibt die EU stumm. Doch gerade Deutschland darf nicht ignorieren, was in Istanbul passiert. Die deutsche Zivilgesellschaft und die kommende deutsche Regierung müssen sich endlich klar hinter die für Recht und Demokratie Demonstrierenden in der Türkei stellen. Wenn Friedrich Merz keine Ahnung von der Türkei hat, sollte Lars Klingbeil, der Imamoglu persönlich gut kennt, endlich laut und deutlich dessen Freiheit fordern. Und zwar jetzt", fordert die TAZ.
Nun zu den Plänen der möglichen Regierungskoalition aus Union und SPD zu einem sogenannten Primärarztsystem. Die MEDIENGRUPPE BAYERN schreibt dazu unter anderem in der PASSAUER NEUEN PRESSE: "Die Verhandler von Union und SPD wollen den Hausarzt künftig zur verbindlichen Anlaufstelle bei der Arztwahl machen – wer stattdessen direkt zum Facharzt geht, soll zuzahlen müssen. Ziel ist es demnach, die knappen ärztlichen Ressourcen effizienter zu nutzen und Kosten zu senken. Die Bundesärztekammer hat sich schon dafür ausgesprochen – vieles klingt ja sinnvoll, wenn man daran mitverdient. Ob es wirklich effizienter und kostengünstiger ist, wenn der Patient zum Beispiel bei der Hautkrebsvorsorge erst den überlasteten Hausarzt um eine Überweisung bitten muss, um beim Dermatologen vorgelassen zu werden, ist fraglich. Statt sich wie in der Vergangenheit in der Gesundheitspolitik im Klein-Klein zu verlieren, sollte die neue Regierung die OP am offenen Herzen wagen: Denn der Dauerpatient braucht dringend eine Radikalkur", unterstreicht die MEDIENGRUPPE BAYERN.
Das STRAUBINGER TAGBLATT meint: "Das, worauf sich die Gesundheitspolitiker von CDU, CSU und SPD geeinigt haben, ist eigentlich ein alter Hut. Zur besseren Steuerung der Patientenströme soll die Bedeutung der Hausärzte gestärkt werden. Mit dem Mittel der Praxisgebühr hat man das schon einmal versucht. Viele erinnern sich: Pro Quartal mussten die Patienten zehn Euro beim Besuch einer Praxis zahlen. Wer danach weitere Mediziner aufsuchte, zum Beispiel Fachärzte, musste wieder zahlen, es sei denn, der Hausarzt hatte eine Überweisung ausgestellt. Ärztehopping, so der damals gängige Begriff, sollte eingedämmt werden. Der Ansatz war sinnvoll. Nach nicht einmal zehn Jahren lief die Praxisgebühr Anfang 2013 aus, weil sich die Kassenlage des Gesundheitssystems entspannt hatte. Diese Zeit ist vorbei. Die Kostensteigerungen sind gewaltig, es mangelt überall an Geld und Personal. Deshalb ist es konsequent, dass das erprobte Instrument wieder eingeführt werden soll. Wer weiter die freie Arztwahl haben will, muss mehr zahlen.", findet das STRAUBINGER TAGBLATT.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER geht generell auf die Koalitionsverhandlungen von Union und SPD ein: "Auf der geplanten schwarz-roten Bundesregierung lastet eine tonnenschwere Verantwortung, nicht die vorerst letzte der demokratischen Mitte gewesen zu sein. Sie muss mutig, beherzt und einfühlsam das Unmögliche möglich machen. Fehler werden passieren. Das ist nicht das Schlimmste. Sie müssen nur schnell erklärt und behoben werden. Die entweder wider besseres Wissen oder selbstherrlich angekündigte rigide Sparpolitik von Merz im Wahlkampf und sein Umfaller mit der Aussicht auf das Kanzleramt nach der Wahl passen nicht in diese Kategorie."
WELT zeigt sich von der Union enttäuscht: "Die Erosion des politischen Systems in den USA ist ein Vorspiel zu dem, was in Deutschland auch passieren könnte, wenn der massive Vertrauensbruch durch die Union nun in einer Konsequenz Realität wird, die auch treueste Unionswähler zur Abkehr von dieser einst bürgerlichen Stimme der Vernunft treibt. Die Union, besonders Friedrich Merz, hat für einen umfassenden Politikwechsel geworben – auch im Kontrast zur Sozialdemokratie, die er im Wahlkampf scharf kritisierte für deren Einfallslosigkeit, auf alle Probleme nur mehr Schulden und höhere Steuern zu werfen. Jetzt droht eine Koalition, in der die Union das Vertrauen nahezu all ihrer Wähler vorsätzlich bricht. Wo das hinführt, konnte man schon an der brachialen Niederlage der FDP sehen, die als Regierungspartei von einem zweistelligen Ergebnis in die politische Randexistenz geworfen wurde – und das, obwohl sie mit 11 Prozent mehr von dem umgesetzt hat, als die Union es mit 28 Prozent nun auch nur versucht", bemängelt die WELT.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG fragt: "Ist die Lage doch nicht so ernst? Sollte diese Botschaft von den Koalitionsverhandlungen ausgehen, so ist hier ein erster Erfolg zu verbuchen. Nach der erfolgreichen Änderung der Finanzverfassung noch durch den vorherigen Bundestag mit der Möglichkeit, nahezu unbegrenzt Kredit aufzunehmen, scheint jetzt wieder die bleierne Zeit der alten großen Koalition auf, ein Wiedergänger des parteipolitischen Biedermeiers. Der proklamierte Aufbruch droht früh im Klein-Klein zwischen alten Verklemmungen und neuen Blähungen unterzugehen. Ist die Lage wirklich noch nicht ernst genug? Wer gar 'Kriegstüchtigkeit' fordert, der braucht eine Koalition und Regierung der nationalen Einheit, die Wehrfähigkeit, Wiederaufbau und wirtschaftliche Gesundung mit aller Macht vorantreibt - dann werden alle profitieren. Ins vermeintliche Idyll einer geordneten Welt, in der jeder seinen zugewiesenen Platz hatte, führt kein Weg zurück", meint die F.A.Z. - und damit endet die Presseschau.