10. April 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Zentrales Thema in den Zeitungskommentaren ist der Koalitionsvertrag von Union und SPD.

Berlin: Markus Söder (l-r), Ministerpräsident von Bayern und CSU-Vorsitzender, Friedrich Merz, Unions-Kanzlerkandidat und CDU-Bundesvorsitzender, Lars Klingbeil, SPD-Fraktions- und Bundesvorsitzender, und Saskia Esken, SPD-Bundesvorsitzende, geben eine Pressekonferenz.
Die Koalitionsverhandlungen von Union und SPD sind abgeschlossen. (Michael Kappeler / dpa / Michael Kappeler)
Das HAMBURGER ABENDBLATT erkennt darin einen "großen Wurf" und führt aus: "Was die Parteivorsitzenden nach harten und mitunter zähen Koalitionsverhandlungen in Berlin präsentierten, hatte nicht nur Hand und Fuß, sondern auch Herz und Verstand. Diese Koalition hat die Zeichen der Zeit erkannt. Es wird kein Bündnis des Minimalkonsenses und des Politikmikados, wo der verliert, der sich als Erster bewegt. Es ist eine Koalition für schwierige Zeiten. Denn zwei Bremsen werden endlich gelöst. Die Schuldenbremse, die zuletzt eher wie ein Stock in den Speichen wirkte, ist reformiert. Und der ewige Migrationsstreit, der die Republik ein Jahrzehnt gelähmt hat, könnte überwunden werden: Deutschland will in Zukunft wieder bestimmen, wer einreist – und wer nicht. Das ist nicht nur ein Konsens der Vernunft, sondern der Demokraten", findet das HAMBURGER ABENDBLATT.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg schreibt: "Die Handschrift der von der eigenen Basis schwer unter Druck gesetzten Unionsparteien, die die Wahl gewonnen haben, zeigt sich überdeutlich. So wurde erfolgreich eine höhere Belastung für Spitzenverdiener abgeblockt. Es soll eine härtere Migrationspolitik geben – mit Zurückweisungen an den Grenzen und einer verlängerten Frist für Einbürgerungen von drei auf fünf Jahre. Das Bürgergeld wird zur Grundsicherung mit verschärften Regeln. Das Rentenniveau von 48 Prozent gesetzlich festzuschreiben, geht klar indes auf das SPD-Konto", bilanziert die VOLKSSTIMME.
Die BERLINER MORGENPOST sieht es so: "Die Union hat sich beim Thema Steuern durchgesetzt und höhere Belastungen für Besserverdienende verhindert. Der Preis wurde wohl bei der Migration bezahlt, weil die Zurückweisungen, die ein Kanzler Merz in jedem Fall durchsetzen wollte, nur nach Absprachen mit unseren Nachbarn möglich sind. Ein eigenes Ministerium für Digitales und Staatsmodernisierung klingt gut, wobei man sich fragt, ob diese überfällige Modernisierung nicht eine klassische Querschnittsaufgabe ist. Das Land muss an allen Ecken modernisiert werden und das neue Ministerium darf dabei nicht zum Feigenblatt werden", warnt die BERLINER MORGENPOST.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG urteilt: "Eine ganz große politische Wende bleibt aus, ebenso ein spektakulärer Impuls für die Wirtschaft. Stattdessen versprechen Union und SPD neue alte Wohltaten wie die niedrige Gastro-Steuer, den verbilligten Agrardiesel oder die nächste Anhebung der Mütterrente. Diese teuren Geschenke, eingefordert besonders von der CSU, stehen eher für das Bewahren des Komforts der Vergangenheit als für den Aufbruch in eine Zeit, in der Zumutungen nicht ausbleiben werden."
Die SÜDWEST PRESSE aus Ulm notiert: "Die künftige Regierung ignoriert, dass sich die aktuelle Weltwirtschaft in der schwersten Krise seit dem Finanzcrash befindet. Ja, die verbesserten Abschreibungsmöglichkeiten helfen den Unternehmen schnell, reduzieren ihre Kostenlast. Das wird aber noch nicht einmal ausreichen, um die steigenden Lohnnebenkosten für die Gesundheit und die Arbeitslosenversicherung aufzufangen. Steuersenkungen sollen erst später in der Legislaturperiode kommen und offenbar nicht besonders üppig ausfallen. Ein Zeichen des Aufbruchs lässt sich daraus nicht ablesen", kritisiert die SÜDWEST PRESSE.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG bemängelt: "Ohne Kurskorrektur der kostentreibenden Sozialpolitik wird die Wirtschaftswende kaum gelingen. Daher verstört es, dass die Union der SPD wieder das Sozialministerium überlässt, den wirksamsten Hebel, um Sozialausgaben zu bremsen und die Bürgergeldversprechen einzulösen."
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG wirft ein: "Eine Koalition kann nicht zustande kommen ohne Kompromisse. Aber eine gemeinsame Idee, eine einigende Vorstellung von der groben Richtung wäre wünschenswert. Über dem Vertrag von Union und SPD steht stattdessen: 'Verantwortung für Deutschland', ein Nicht-Motto."
"Man sollte den Vertrag nicht sofort klein reden", mahnt die AUGSBURGER ALLGEMEINE: "Das Papier von Union und SPD ist ein Dokument des Pragmatismus, ein Konsens des derzeit Machbaren. Und als solches ist es gar nicht so schlecht. Die Mitte findet die Kraft zum Kompromiss – das ist die eigentliche Botschaft dieses Vertrages. Und dieses Signal sollte, ja es muss jetzt helfen, den Höhenflug antidemokratischer Kräfte wie die AfD zu stoppen."
Die Zeitung ND.DER TAG hebt hervor: "Diese Koalition wird daran gemessen werden, ob sie den Aufstieg der Rechtsextremen stoppen kann. Mit ihren Plänen für die kommenden vier Jahre bleiben Union und SPD jedoch weit hinter diesem Anspruch zurück. Statt mehr von den Reichen zur Finanzierung staatlicher Aufgaben zu verlangen, sollen Unternehmenssteuern gesenkt werden. Maßnahmen für den Klimaschutz werden zurückgefahren, die Politik gegenüber Arbeitslosen und Migranten verschärft. Wie soll das dabei helfen, die Polarisierung im Land zu verringern, wie es Union und SPD versprechen? Tatsächlich bieten sie nur die alte falsche Formel an: Was der Wirtschaft hilft, hilft Deutschland und damit auch den Menschen", vermerkt ND.DER TAG.
Die ZEIT sieht es anders: "Die Koalition hat sich für einen sanften neoliberalen Reformkurs entschieden, der durch umfangreiche staatliche Ausgabenprogramme abgefedert wird. Das ist der Kompromiss, auf den sich die beiden Parteien verständigen konnten. Es ist angesichts der Lage im Inneren und im Äußeren nicht der schlechteste Kompromiss. Es war immer klar, dass die Union ihr Wahlprogramm nicht umsetzen kann – nicht nur wegen der SPD, sondern weil es schlicht nicht finanzierbar war."
Der TAGESSPIEGEL appelliert: "Deutschland muss krisenfest werden. Es muss – das ist nun wirklich alternativlos. Weil sonst die Falschen Macht ausüben, international und national. Alles in allem ist es ein Regierungsauftrag für Giganten. Diesen übernehmen: Friedrich Merz und Lars Klingbeil. Mit Markus Söder an der Seitenlinie. Kein Helmut Kohl, kein Gerhard Schröder, keine Angela Merkel. Sie hatten Regierungserfahrung für die Krisen. Die jetzt in Berlin in die Verantwortung kommen, haben sie nicht. Ihre Lernkurve muss daher steiler sein als bei irgendjemandem zuvor. Es wird ein Kampf ums Gute, ums Bessere, um Liberalität und Meinungsfreiheit, um Menschenrechte, um alles: die Demokratie. Um nicht weniger. Schwarz und Rot als Retter in der Not – sie dürfen nicht versagen." Wir zitierten den TAGESSPIEGEL aus Berlin.
US-Präsident Trump hat Sonderzölle für etliche Länder zunächst herabgesetzt, die Abgaben für China aber nochmals erhöht, auf 125 Prozent: Die FRANKFURTER RUNDSCHAU analysiert: "Bleibt es dabei, dürften chinesische Produkte in den USA weitgehend unverkäuflich werden. Umkehrt gilt das Gleiche, denn die Führung in Peking schlägt mit ähnlicher Härte zurück. Europa, so könnte man meinen, ist angesichts der Dramatik bislang vergleichsweise glimpflich davongekommen. Doch erstens weiß niemand, wann US-Präsident Trump die einstmals Verbündeten erneut ins Visier nimmt, und zweitens würde auch ein Ende des amerikanisch-chinesischen Handels dramatische Auswirkungen auf die Europäische Union haben. Bei der Frage, wo künftig all die chinesischen Güter anlanden werden, die bislang in die Vereinigten Staaten verschifft wurden, kann einem angst und bange werden", befindet die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf meint: "Vom regelbasierten Welthandel der vergangenen Jahrzehnte ist nichts geblieben. Jetzt heißt es Auge um Auge, Zoll um Gegenzoll. Verlierer werden Firmen und Verbraucher überall auf der Welt sein und ganz besonders in den USA. Der Wohlstand wird sinken und die Inflation steigen - alles garniert mit maximaler Unsicherheit. Trumps großer Fehler in der Wirtschaftspolitik ist, dass er die Wirtschaft als ein Nullsummen-Spiel begreift. Dabei gewinnen alle, wenn die globale Arbeitsteilung boomt. Volkswirtschaft funktioniert anders als ein Grundstücks-Deal", erinnert die RHEINISCHE POST.