15. April 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Die Zeitungen beschäftigen sich mit dem Raketenangriff auf die ukrainische Stadt Sumy. Vor allem geht es jedoch um den Koalitionsvertrag der künftigen Bundesregierung und die jüngsten Aussagen von CDU-Chef Merz dazu.

Friedrich Merz, Unions-Kanzlerkandidat und CDU-Bundesvorsitzender, nimmt an einer Pressekonferenz der Parteivorsitzenden von Union und SPD zur Vorstellung des Koalitionsvertrages im Paul-Löbe-Haus teil. Seine Miene wirkt unsicher.
Als „nicht fix“ bezeichnet der designierte Bundeskanzler Merz die Senkung der Einkommenssteuer sowie die Erhöhung des Mindestlohn nun. (picture alliance / dpa / Sebastian Christoph Gollnow)
Der MÜNCHNER MERKUR findet: "Pünktlich zum Start des SPD-Mitgliederentscheids über eine schwarz-rote Koalition gibt‘s vom designierten Kanzler Friedrich Merz die Blutgrätsche gegen die Genossen. 15 Euro Mindestlohn? Kommt vielleicht erst 2027. Einkommenssteuerentlastung für Geringverdiener? Unter Finanzierungsvorbehalt! Sind das alles mal wieder nur diese typisch Merz‘schen Ungeschicklichkeiten, mit denen er seiner Koalition noch ein paar Steine in den Weg legt? Wohl kaum. In der Unionsspitze herrscht jenseits der öffentlich zur Schau gestellten Gelassenheit Bestürzung über den Umfrage-Crash nach der Wahl. Mit seinem Machtwort will Merz klarstellen, wer Koch ist und wer Kellner in der schwarz-roten Koalition. Und er will den bei Unionswählern entstandenen Eindruck korrigieren, die Wahlverliererin SPD habe ihn am Nasenring durch die Manege gezogen", glaubt der MÜNCHNER MERKUR zu wissen.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg ist überzeugt, dass sich ... "... Friedrich Merz mit seinen Aussagen zur Beitragslast von Arbeitnehmern vergaloppiert hat – mal wieder. Nur wenige Tage nach der Verkündigung des Koalitionsvertrags verwässert er den Plan, die Steuern für kleine und mittlere Einkommen zu senken. Eine Maßnahme, die bei Arbeitnehmern im Portemonnaie ankommen würde. Klar, alle Vorhaben stehen unter Finanzierungsvorbehalt. Aber Merz schürt noch vor Koalitionsstart Ängste, ohne eine konstruktive Idee anzubieten. Dies fällt ihm nach vier Jahren der Schwarzmalerei sichtlich schwer. Der Kanzlerstil sitzt noch nicht", kritisiert die VOLKSSTIMME.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE ist mit dem Stil von Merz unzufrieden: "Was übers Wochenende vor allem aus dem CDU-Lager verlautete, stiftet maximale Verwirrung. Kommt die Entlastung bei der Einkommensteuer? Der designierte Kanzler setzte dahinter erst ein Fragezeichen. Später erklärte er das Gegenteil. Die Sache mit dem Finanzierungsvorbehalt macht das Durcheinander perfekt. Natürlich kann nur so viel Geld ausgegeben werden, wie da ist. Es sind allerdings reichlich Euros vorhanden. Auf das 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen und den Blankoscheck für die Militärausgaben kommt der reguläre Haushalt noch obendrauf. Merz und die anderen müssten sich bloß mal einig sein, was für sie Priorität haben", gibt die AUGSBURGER ALLGEMEINE zu bedenken.
ND.DER TAG fragt: "Was ist das wieder für ein Theaterdonner aus den Reihen der SPD über Äußerungen des Kanzlers in spe zum Mindestlohn? Der CDU-Chef hatte am Wochenende mitgeteilt, es sei nicht ausgemacht, dass die Entgeltuntergrenze schon 2026 auf 15 Euro steige. Nun pochen namhafte Sozialdemokraten feste auf die Einhaltung vermeintlicher Versprechen. Dabei haben sie vor einer knappen Woche dem Koalitionsvertrag mit der Union zugestimmt. Dass sie den nicht kennen, ist auszuschließen. Und dort ist schwarz auf weiß zu lesen, dass man 15 Euro im nächsten Jahr für 'erreichbar' halte. Bereits zuvor wird betont, man halte an einer 'starken und unabhängigen Mindestlohnkommission' fest. Insofern ist es eine Binse und kein 'Foulspiel', wenn Merz nun bekräftigt, es werde keinen gesetzlichen Automatismus geben", schreibt ND.DER TAG.
Ähnlich sieht es die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG: "Am Koalitionsvertrag lässt sich einiges aussetzen, nur eines nicht: dass er die SPD benachteilige. Das Sahnehäubchen ist die Ressortverteilung: sieben Ministerien für die SPD, so viele gab es nicht einmal zuletzt unter Merkel. Gut verhandelt, Lars Klingbeil: Für eine 16-Prozent-Partei ist das keine schlechte Ausbeute. Friedrich Merz hingegen muss froh sein, dass es keinen CDU-Mitgliederentscheid geben wird", unterstreicht die F.A.Z.
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/oder kritisiert die SPD: "Es gab Sondierungen, Gespräche in Arbeitsgruppen und abschließende Koalitionsverhandlungen. Ein Koalitionsvertrag liegt vor. Warum um alles in der Welt muss das Land jetzt darauf warten, dass sich 358.000 SPD-Mitglieder dafür oder dagegen entscheiden? Auch die SPD hat gewählte Gremien. Genießen die kein Vertrauen? Und sind Genossen, die sich gegen den Koalitionsvertrag entscheiden, gegen alle Punkte oder nur gegen einzelne? Sicher, die anderen Parteien hätten ebenfalls Mitgliederentscheide initiieren können. Dann wären wir jetzt von einer Sechs-Prozent-Partei CSU abhängig. Absurd", konstatiert die MÄRKISCHE ODERZEITUNG.
Die STUTTGARTER ZEITUNG glaubt an eine Zustimmung der SPD-Mitglieder: "Unterm Strich haben die Verhandler um SPD-Chef Lars Klingbeil der Basis viele Gründe geliefert, dem Koalitionsvertrag zuzustimmen. Nach der Reform der Schuldenbremse können die Sozialdemokraten so in die Infrastruktur investieren, wie sie es in den vergangenen Jahren gern getan hätten – und es wegen der FDP nicht konnten. Umso wichtiger ist es, dass Merz und Klingbeil jetzt gut zusammenarbeiten. Die Art, wie Union und SPD den Finanzierungsvorbehalt im Koalitionsvertrag schon jetzt vor allem für die Lieblingsprojekte des jeweils anderen geltend machen, lässt aber nichts Gutes ahnen. Es darf keine neue Koalition des Dauerstreits geben. Sonst werden Wut und Enttäuschung der Bürger riesig sein", befürchtet die STUTTGARTER ZEITUNG.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG fragt: "Polarisieren statt moderieren? Falls Merz dies auch im Amt tut, steht dem Land eine Art schwarz-rote Ampel bevor; nur dass der begabteste Zündler dann kein Minister, sondern der Kanzler selbst ist. Merz wird hoffentlich zügig begreifen, dass man es bei der SPD nicht nur mit Profis zu tun hat, sondern auch mit all den Genossinnen und Genossen, die Wert auf eine sortenreine Partei legen. Sollte der Mitgliederentscheid keine Mehrheit bekommen, geriete Deutschland in eine ähnliche Lage wie Österreich im Januar, als dort ÖVP, SPÖ und Neos fälschlich meinten, zu ihrer Koalition gäbe es Alternativen", mahnt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Und damit zum Angriff Russlands auf die ukrainische Stadt Sumy mit über 30 Toten. Dazu notiert die FRANKFURTER RUNDSCHAU: "Den blutigen russischen Angriff auf die ukrainische Stadt Sumy an Palmsonntag hätten viele Vorgänger von US-Präsident Donald Trump zu Recht scharf als Kriegsverbrechen verurteilt, statt lediglich von einem 'Fehler' zu sprechen. Denn der Raketenangriff auf Zivilisten ist kein Unfall. Es ist auch kein militärischer Angriff auf ukrainische Einheiten gewesen, wie Moskau behauptet, ohne Belege zu liefern. Für die Toten und Verletzten in Sumy ist also zuerst Russlands Präsident Putin verantwortlich. Mitschuldig ist aber auch Trump, der die russische Attacke verharmlost und der Putin nicht zur Rechenschaft ziehen will", bilanziert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
ZEIT ONLINE vermerkt: "Nach mehr als drei Jahren Krieg ist das internationale Entsetzen über die Gräuel, die Putins Truppen in der Ukraine verüben, seltener geworden. Doch gelegentlich geschehen Dinge, die so perfide und niederträchtig sind, dass sie die Weltgemeinschaft für einen Moment wachrütteln. Der Angriff auf ein Kyjiwer Kinderkrankenhaus im vergangenen Sommer war so ein Fall, der Angriff in Sumy ist das jüngste Beispiel. Friedrich Merz nannte die Attacke ein 'Kriegsverbrechen'. Für Nochaußenministerin Annalena Baerbock wird deutlich, man wolle vernichten und nicht befrieden. Polens Außenminister Radosław Sikorski bezeichnete die Angriffe als Putins spöttische Antwort auf Trumps Bemühungen, mit Russland einen Waffenstillstand in der Ukraine zu verhandeln. Sie alle haben recht und benennen doch nur das Offensichtliche."