Peter Kapern: 32 Stunden lang hatte sich die französische Polizei einen Nervenkrieg mit Mohammed Merah geliefert. Dann starb der mutmaßliche Serienkiller im Kugelhagel in Toulouse einer Spezialeinheit und jetzt läuft die Aufklärung.
Am Telefon bei uns nun Joseph Daul, der Fraktionschef der EVP-Fraktion im Europaparlament und Mitglied der UMP, der Partei des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy also. Guten Morgen, Herr Daul!
Joseph Daul: Guten Morgen!
Kapern: Herr Daul, Mohammed Merah - so hieß der mutmaßliche siebenfache Mörder, der gestern im Kugelhagel starb -, hat der Mann Frankreich verändert?
Daul: Ja, natürlich. Wir haben jetzt schon 15 Jahre keinen Anschlag mehr gehabt. Und natürlich, ich denke ja an die Familie und hauptsächlich, wo der Vater und die zwei Söhne erschossen wurden. Kaltblütig Kinder erschießen, das ist schrecklich.
Kapern: Wie wird sich denn Frankreich zeigen, dieses veränderte Frankreich? Was genau hat sich da geändert durch diese Mordserie?
Daul: Ich glaube, man kann nicht jedem Verrückten oder jedem Terroristen jeden Tag nachgehen oder einsetzen. Schon haben wir andere Probleme mit unseren Menschenrechten. Was ich auch dazu sagen will: Ich weiß, jetzt wird viel Kritik gemacht, aber wenn wir sehen, wie schnell unsere Geheimdienste und die Polizei ihn festgestellt hatten und festgelegt hatten, sonst hätten wir noch zwei oder drei Tote mehr gehabt.
Kapern: Gleichwohl muss man aber sagen, der Mann war ja schon seit Langem im Visier des Inlandsgeheimdienstes, der Ermittlungsbehörden. Da stellt sich doch die Frage, wie konnte der dann überhaupt noch zum Serienkiller werden?
Daul: Ja. Aber wissen Sie, wir haben einige zehn oder sogar hundert Leute, die so unter Kontrolle sind. Sollen wir die festnehmen? Mit was für einer Gesetzgebung können wir die festnehmen? Dass wir die bewachen und vielleicht jetzt besser - und das wird wahrscheinlich auch gemacht -, wenn 15 Jahre nichts passiert, wissen Sie, dann ist das ... Das Gesetz und die Justiz ist auch da auf der anderen Seite.
Kapern: Die Korrespondentin, die wir gerade gehört haben, Evi Seibert, hat die Frage aufgeworfen, wie konnte es Mohammed Merah gelingen, ein solches Waffenarsenal aufzutürmen? Haben Sie darauf eine Antwort?
Daul: Nein, da habe ich keine Antwort. Und wenn Sie sehen, wie wir in Marseille kämpfen um den Waffenhandel, das ist ja schrecklich. Da sehen Sie ja, das haben wir jede Woche, aber bis jetzt ist das unter den Banden und unter den Drogenhändlern und so, und da kommen die Waffen rein, und diese Kontrolle ist ganz schwierig zu begrenzen und zu schauen, und das muss auch wahrscheinlich ein bisschen schärfer gemacht werden.
Kapern: Das heißt, die Waffengesetze in Frankreich sind bisher zu locker?
Daul: Nein! Normalerweise ist das nicht erlaubt. Die Kontrolle von den Waffen ist schon ganz gesichert. Ich bin ja ein Jäger. Wenn Sie sehen, was für Papiere wir alle ausfüllen müssen und regelmäßig unsere Waffen prüfen lassen. Nein, das ist schon gut. Aber diese Leute, die sind nicht unter Kontrolle.
Kapern: Nun hatten sich die Parteien in Frankreich, Herr Daul, ja eine Wahlkampfpause auferlegt, während dieses Drama in Toulouse lief. Diese Wahlkampfpause endete gestern Nachmittag. Wem wird der Vorfall von Toulouse nun, wem wird diese Tragödie in die Hände spielen?
Daul: Ich hoffe und ich glaube, das war auch eine Zeremonie, die habe ich gesehen im Fernsehen, in Toulouse, wo die Militärs beerdigt worden sind, da sind alle Kandidaten hingegangen, und ich glaube, das ist eine gute Sache, dass in so schweren Momenten alle zusammenhalten. Das Problem kann nicht nur von einer oder der anderen Partei gelöst werden.
Kapern: Gleichwohl ist aufgefallen, dass Nicolas Sarkozy, der Präsidentschaftskandidat der UMP, der Amtsinhaber, gleich gestern wie aus der Hüfte gezogen eine ganze Reihe von Maßnahmen angekündigt hat. Zum Beispiel soll der Besuch von extremistischen Websites im Internet unter Strafe gestellt werden. Ist das jetzt wieder der alte quecksilbrige und etwas hyperaktive Sarkozy, den die Franzosen doch eigentlich gar nicht mehr wollten?
Daul: Ja, ich glaube, man muss schon was tun und wahrscheinlich werden in den nächsten Wochen auch noch andere Aktionen passieren, was auch nötig ist, jetzt. Wir hatten jetzt, ich sage es noch mal, 15 Jahre Ruhe. Wenn sie 15 Jahre Ruhe haben in einem Land, dann sind die Leute nicht mehr so aufgeregt. Aber wenn die Leute an den Bildschirmen die getöteten Kinder sehen und so, die wollen jetzt auch eine Reaktion und die Reaktion muss kommen, und da hat Sarkozy recht.
Kapern: Reaktionen kommen ja auch vom Front National. Marine Le Pen hat gleich die Forderung erhoben, dass die Franzosen besser vor Islamisten geschützt werden müssen. Bringt dieser Vorfall dem Front National möglicherweise jetzt noch stärkeren Zulauf?
Daul: Ich hoffe es nicht. Ich hoffe es nicht, und Sie wissen, dass wir den Front National bekämpfen, und ich auch persönlich bekämpfe die Extremen, ob es die Rechts- oder die Linksextremen sind, das ist unser großes Problem heute in Europa. Ich glaube nicht, dass jetzt die Marine Le Pen die Lösung ist, und ich bin auch dafür, dass man nicht gegen Juden oder gegen den Islam kämpft. Das sind ja Terroristen für mich.
Kapern: Nun sind Sie, Herr Daul, der Fraktionschef der EVP in Brüssel, im Europaparlament, und da hat nun der Anti-Terror-Beauftragte der EU, de Kerchove, vorgeschlagen, dass die Europäische Union eine viel schärfere Fluggastdatenspeicherung einführen soll als Konsequenz aus der Tragödie von Toulouse. Gibt es tatsächlich auf europäischer Ebene Nachholbedarf, was Sicherheitsregeln angeht?
Daul: Was Sicherheitsregeln angeht und hauptsächlich Terrorismus, und da sind wir nicht am Ende. Wenn wir sehen was da passiert in der Mediterrané, die Demokratie und das Terroristennetz in dieser Mediterrané, dann müssen wir schon miteinander und ganz eng zusammenarbeiten in unseren europäischen Ländern.
Kapern: Was genau muss getan werden?
Daul: Ja, die PNR [Passagiernamensregister, Anm. d. Red. ] und die Daten und so, das muss kontrolliert werden. Man kann nicht ganz liberal und liberalisiert sein und auf der anderen Seite Sicherheit, das geht nicht. Nur das Schlimmste ist natürlich: wo ist die Mitte.
Kapern: Wäre es noch in dieser Mitte, in diesem Maß und in der Mitte, wenn tatsächlich alle Namen von Flugpassagieren in Europa erfasst würden, wie das der EU-Anti-Terror-Beauftragte de Kerchove vorschlägt?
Daul: Ja, mir macht das gar nichts. Wissen Sie, ich reise ja viel als Vorsitzender. Man kann wissen, wo ich hinfliege und wo ich zurückfliege, das ist doch für mich kein Problem. Wenn das Sicherheit gibt in unserem Europa, bin ich dafür.
Kapern: Verständnis für Belange von Datenschützern, Einwände von Datenschützern haben Sie in diesem Sinne, in diesem Falle nicht?
Daul: Aber das muss ganz klar sein. Das muss ganz klar sein, wie das benutzt wird, wer das benutzt. Das muss klar sein.
Kapern: Wird die EVP jetzt eine solche Initiative starten im Europaparlament?
Daul: Da arbeiten wir, und wir haben auch jetzt eine neue Kommission, eine Extrakommission gebildet gegen den großen Banditismus und Terrorismus. Da werden wir jetzt auch anfangen zu arbeiten in den nächsten zwei Jahren.
Kapern: Joseph Daul war das, der Fraktionschef der EVP-Fraktion im Europaparlament. Danke und einen schönen Tag wünsche ich ins Elsass. Auf Wiederhören, Herr Daul.
Daul: Einen schönen Tag auch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Am Telefon bei uns nun Joseph Daul, der Fraktionschef der EVP-Fraktion im Europaparlament und Mitglied der UMP, der Partei des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy also. Guten Morgen, Herr Daul!
Joseph Daul: Guten Morgen!
Kapern: Herr Daul, Mohammed Merah - so hieß der mutmaßliche siebenfache Mörder, der gestern im Kugelhagel starb -, hat der Mann Frankreich verändert?
Daul: Ja, natürlich. Wir haben jetzt schon 15 Jahre keinen Anschlag mehr gehabt. Und natürlich, ich denke ja an die Familie und hauptsächlich, wo der Vater und die zwei Söhne erschossen wurden. Kaltblütig Kinder erschießen, das ist schrecklich.
Kapern: Wie wird sich denn Frankreich zeigen, dieses veränderte Frankreich? Was genau hat sich da geändert durch diese Mordserie?
Daul: Ich glaube, man kann nicht jedem Verrückten oder jedem Terroristen jeden Tag nachgehen oder einsetzen. Schon haben wir andere Probleme mit unseren Menschenrechten. Was ich auch dazu sagen will: Ich weiß, jetzt wird viel Kritik gemacht, aber wenn wir sehen, wie schnell unsere Geheimdienste und die Polizei ihn festgestellt hatten und festgelegt hatten, sonst hätten wir noch zwei oder drei Tote mehr gehabt.
Kapern: Gleichwohl muss man aber sagen, der Mann war ja schon seit Langem im Visier des Inlandsgeheimdienstes, der Ermittlungsbehörden. Da stellt sich doch die Frage, wie konnte der dann überhaupt noch zum Serienkiller werden?
Daul: Ja. Aber wissen Sie, wir haben einige zehn oder sogar hundert Leute, die so unter Kontrolle sind. Sollen wir die festnehmen? Mit was für einer Gesetzgebung können wir die festnehmen? Dass wir die bewachen und vielleicht jetzt besser - und das wird wahrscheinlich auch gemacht -, wenn 15 Jahre nichts passiert, wissen Sie, dann ist das ... Das Gesetz und die Justiz ist auch da auf der anderen Seite.
Kapern: Die Korrespondentin, die wir gerade gehört haben, Evi Seibert, hat die Frage aufgeworfen, wie konnte es Mohammed Merah gelingen, ein solches Waffenarsenal aufzutürmen? Haben Sie darauf eine Antwort?
Daul: Nein, da habe ich keine Antwort. Und wenn Sie sehen, wie wir in Marseille kämpfen um den Waffenhandel, das ist ja schrecklich. Da sehen Sie ja, das haben wir jede Woche, aber bis jetzt ist das unter den Banden und unter den Drogenhändlern und so, und da kommen die Waffen rein, und diese Kontrolle ist ganz schwierig zu begrenzen und zu schauen, und das muss auch wahrscheinlich ein bisschen schärfer gemacht werden.
Kapern: Das heißt, die Waffengesetze in Frankreich sind bisher zu locker?
Daul: Nein! Normalerweise ist das nicht erlaubt. Die Kontrolle von den Waffen ist schon ganz gesichert. Ich bin ja ein Jäger. Wenn Sie sehen, was für Papiere wir alle ausfüllen müssen und regelmäßig unsere Waffen prüfen lassen. Nein, das ist schon gut. Aber diese Leute, die sind nicht unter Kontrolle.
Kapern: Nun hatten sich die Parteien in Frankreich, Herr Daul, ja eine Wahlkampfpause auferlegt, während dieses Drama in Toulouse lief. Diese Wahlkampfpause endete gestern Nachmittag. Wem wird der Vorfall von Toulouse nun, wem wird diese Tragödie in die Hände spielen?
Daul: Ich hoffe und ich glaube, das war auch eine Zeremonie, die habe ich gesehen im Fernsehen, in Toulouse, wo die Militärs beerdigt worden sind, da sind alle Kandidaten hingegangen, und ich glaube, das ist eine gute Sache, dass in so schweren Momenten alle zusammenhalten. Das Problem kann nicht nur von einer oder der anderen Partei gelöst werden.
Kapern: Gleichwohl ist aufgefallen, dass Nicolas Sarkozy, der Präsidentschaftskandidat der UMP, der Amtsinhaber, gleich gestern wie aus der Hüfte gezogen eine ganze Reihe von Maßnahmen angekündigt hat. Zum Beispiel soll der Besuch von extremistischen Websites im Internet unter Strafe gestellt werden. Ist das jetzt wieder der alte quecksilbrige und etwas hyperaktive Sarkozy, den die Franzosen doch eigentlich gar nicht mehr wollten?
Daul: Ja, ich glaube, man muss schon was tun und wahrscheinlich werden in den nächsten Wochen auch noch andere Aktionen passieren, was auch nötig ist, jetzt. Wir hatten jetzt, ich sage es noch mal, 15 Jahre Ruhe. Wenn sie 15 Jahre Ruhe haben in einem Land, dann sind die Leute nicht mehr so aufgeregt. Aber wenn die Leute an den Bildschirmen die getöteten Kinder sehen und so, die wollen jetzt auch eine Reaktion und die Reaktion muss kommen, und da hat Sarkozy recht.
Kapern: Reaktionen kommen ja auch vom Front National. Marine Le Pen hat gleich die Forderung erhoben, dass die Franzosen besser vor Islamisten geschützt werden müssen. Bringt dieser Vorfall dem Front National möglicherweise jetzt noch stärkeren Zulauf?
Daul: Ich hoffe es nicht. Ich hoffe es nicht, und Sie wissen, dass wir den Front National bekämpfen, und ich auch persönlich bekämpfe die Extremen, ob es die Rechts- oder die Linksextremen sind, das ist unser großes Problem heute in Europa. Ich glaube nicht, dass jetzt die Marine Le Pen die Lösung ist, und ich bin auch dafür, dass man nicht gegen Juden oder gegen den Islam kämpft. Das sind ja Terroristen für mich.
Kapern: Nun sind Sie, Herr Daul, der Fraktionschef der EVP in Brüssel, im Europaparlament, und da hat nun der Anti-Terror-Beauftragte der EU, de Kerchove, vorgeschlagen, dass die Europäische Union eine viel schärfere Fluggastdatenspeicherung einführen soll als Konsequenz aus der Tragödie von Toulouse. Gibt es tatsächlich auf europäischer Ebene Nachholbedarf, was Sicherheitsregeln angeht?
Daul: Was Sicherheitsregeln angeht und hauptsächlich Terrorismus, und da sind wir nicht am Ende. Wenn wir sehen was da passiert in der Mediterrané, die Demokratie und das Terroristennetz in dieser Mediterrané, dann müssen wir schon miteinander und ganz eng zusammenarbeiten in unseren europäischen Ländern.
Kapern: Was genau muss getan werden?
Daul: Ja, die PNR [Passagiernamensregister, Anm. d. Red. ] und die Daten und so, das muss kontrolliert werden. Man kann nicht ganz liberal und liberalisiert sein und auf der anderen Seite Sicherheit, das geht nicht. Nur das Schlimmste ist natürlich: wo ist die Mitte.
Kapern: Wäre es noch in dieser Mitte, in diesem Maß und in der Mitte, wenn tatsächlich alle Namen von Flugpassagieren in Europa erfasst würden, wie das der EU-Anti-Terror-Beauftragte de Kerchove vorschlägt?
Daul: Ja, mir macht das gar nichts. Wissen Sie, ich reise ja viel als Vorsitzender. Man kann wissen, wo ich hinfliege und wo ich zurückfliege, das ist doch für mich kein Problem. Wenn das Sicherheit gibt in unserem Europa, bin ich dafür.
Kapern: Verständnis für Belange von Datenschützern, Einwände von Datenschützern haben Sie in diesem Sinne, in diesem Falle nicht?
Daul: Aber das muss ganz klar sein. Das muss ganz klar sein, wie das benutzt wird, wer das benutzt. Das muss klar sein.
Kapern: Wird die EVP jetzt eine solche Initiative starten im Europaparlament?
Daul: Da arbeiten wir, und wir haben auch jetzt eine neue Kommission, eine Extrakommission gebildet gegen den großen Banditismus und Terrorismus. Da werden wir jetzt auch anfangen zu arbeiten in den nächsten zwei Jahren.
Kapern: Joseph Daul war das, der Fraktionschef der EVP-Fraktion im Europaparlament. Danke und einen schönen Tag wünsche ich ins Elsass. Auf Wiederhören, Herr Daul.
Daul: Einen schönen Tag auch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.