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Die Rechte Homosexueller in Kuba
Zumindest langsame Fortschritte

Homosexuelle wurden nach dem Sieg der Revolution 1959 vom kubanischen Staat regelrecht verfolgt. Doch seit einigen Jahren bekommen sie auf der Karibikinsel zumindest allmählich mehr Rechte. Die sozialistische Führung des Landes scheint sich diesbezüglich ein anderes Image verpassen zu wollen.

Anna Marie Goretzki | 09.07.2016
    Zwei Männer-Hände, die sich berühren
    Eine der neuesten rechtlichen Errungenschaften Kubas ist, dass das Prinzip der Nicht-Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung ins Arbeitsrecht aufgenommen wurde. (imago stock & people)
    Es ist ihr musikalischer Appell für mehr Gleichberechtigung und Toleranz in Kuba. Die fünfköpfige A-capella-Gruppe 'Mano a Mano' ist der erste professionelle Schwulen-Chor der Karibikinsel. Seit der Gründung 2014 treffen sie sich täglich zum Proben. Von ihren Auftritten bestreiten sie ihren Lebensunterhalt, aber das Singen ist für sie mehr als ein Beruf – es ist ihr Mittel im Kampf um mehr Anerkennung, erklärt der musikalische Leiter Ernesto Lima.
    "Als wir am Anfang sagten 'gay Chor aus Kuba' sagten die Leute: 'okay, na ja, warum denn 'gay? Das klingt bestimmt .. schlecht.' Als sie das Wort 'gay' hörten, haben sie angefangen, auf uns herabzusehen. Für mich ist das die größte Herausforderung: Mano a Mano muss künstlerisches Luxus-Niveau haben, so dass die Leute gezwungen sind, mit Respekt über uns zu sprechen."
    Der kubanische Chor "Mano a Mano"
    Der kubanische Chor "Mano a Mano" (Foto: Deutschlandradio - Anna Marie Goretzki)
    Die Reaktionen auf die Gründung des Chores brachten die Vorbehalte gegenüber Homosexuellen ans Tageslicht, meint Chormitglied Carlos Raúl Torres.
    "Die kubanische Gesellschaft ist homophob. Du kannst deinen Partner auf der Straße schon küssen, so ist es nicht. Du kannst es machen, aber es wird einfach nicht gerne gesehen."
    Der 23-jährige Carlos Raúl Torres weiß, wovon er spricht – er hat diese Blicke selbst oft genug zu spüren bekommen. Aber er erkennt auch an, dass Kubas Regierung seit einigen Jahren große Anstrengungen unternimmt, um Kuba toleranter gegenüber Homo-, Bi- und Transsexuellen zu machen. In rechtlicher Hinsicht geschieht einiges, wie der Anwalt Manuel Vázquez betont. Beim Nationalen Zentrum für Sexualaufklärung ist er juristischer Berater.
    "Eine der neuesten rechtlichen Errungenschaften ist, dass das Prinzip der Nicht-Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung ins Arbeitsrecht aufgenommen wurde. Das war eines der Sorgenthemen."
    "Unser Familiengesetz sieht weder die eingetragene Partnerschaft, noch die Heirat zwischen Menschen gleichen Geschlechts vor"
    Beim siebten Parteikongress, der im Frühjahr stattfand, hatten sich kubanische Politiker dazu bekannt, auch Transsexuelle zukünftig per Gesetz vor beruflicher Diskriminierung schützen zu wollen. Noch aber existiert ein solcher Paragraf nicht. Und auch in anderen Bereichen, das räumt Manuel Vázquez ein, besteht Nachholbedarf:
    "Ich denke dabei zum Beispiel daran, dass homosexuelle Paare bisher keinen Bund eingehen können, der rechtlich relevant wäre. Unser Familiengesetz sieht weder die eingetragene Partnerschaft, noch die Heirat zwischen Menschen gleichen Geschlechts vor."
    Das "Nationale Zentrum für Sexualaufklärung" versucht sich der Interessen der kubanischen Schwulen und Lesben anzunehmen. Es ist fest in staatlicher Hand. Geleitet wird es von Mariela Castro, der Tochter von Staatschef Raúl Castro. Deshalb könne das Land inzwischen eine sehr fortschrittliche Politik in diesem Bereich betreiben, sagt Bert Hoffmann, Kuba-Experte am GIGA-Institut für Lateinamerika-Studien:
    "Vom Staat her ist es ganz sicherlich so, dass es auch einen gezielten Imagewert hat und haben soll. Sowohl für den Tourismus, als auch, Mariela Castro ist das liberale Aushängeschild des kubanischen Staates, das wird auch gepflegt. Trotzdem ist es im Land auch immer echte Politik und die überrumpelt viele."
    Mercedes Garcia hat noch selbst erlebt, dass Homosexualität ein berufliches Hindernis war. Die 57-Jährige war Beauftragte für die Außenbeziehungen der "Revolutionären Streitkräfte" Kubas. Sie stand also weit oben und entschied trotzdem, sich als lesbische Frau zu outen:
    "Meine erotische Orientierung zwang mich zur schwierigen Entscheidung, beim Militär zu bleiben oder mich zu verabschieden. Denn mit dieser sexuellen Neigung konnte man damals nicht für die Streitkräfte arbeiten. Ich hatte nur die Wahl, entweder Generalin zu werden oder eine glückliche, erfüllte Frau zu sein."
    Der Chor 'Mano a Mano' probt ein letztes Mal vor seiner ersten USA-Tournee. Die Sänger wollen sich auch im Ausland Gehör verschaffen. Sie wollen zeigen, dass sich Kuba ändert und fordern, dass der Wandel anhält, so Ernesto Lima.
    "Es geht nicht nur um Toleranz, sondern um ein echtes Verständnis dafür, dass an Homosexualität nichts Schlimmes ist."