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Die Regenmassen von Pompeji

Im Jahr 79 vor Christus verschüttete ein Vulkanausbruch die Stadt Pompeji und konservierte sie dabei weitgehend. Heute ist das UNESCO-Weltkulturerbe durch heftigen Niederschlag bedroht. Ein antikes Gebäude ist in der ausgegrabenen Stadt bereits eingestürzt.

Von Thomas Migge |
    "Die archäologischen Reste Pompejis brechen zusammen weil sich niemand darum kümmert. Dieses Gebäude hier war das Gebäude der Gladiatoren. Hier bewahrten sie ihre Waffen auf. Seit Jahren klagen wir die Schlampigkeit im Umgang mit diesem und den anderen ausgegrabenen antiken Gebäuden an."

    Massimo dell'Orto ist Archäologe bei der Stadtverwaltung von Pompeji. Er war einer der Ersten, die Samstagmorgen gegen 7 Uhr zu Stelle waren, als das Dach des Hauses der Gladiatoren zusammenbrach. Das Gebäude, zehn Mal sechs Meter groß, wurde 1915 ausgegraben. Es verfügte über erstaunlich gut erhaltene Wandmalereien. Auf rotem Grund waren Kampf- und Siegesszenen zu sehen. Jetzt präsentiert sich das Gladiatorengebäude als Steinhaufen - wie nach einem Bombenanschlag. Massimo dall'Orto:
    "Da haben die erst vor Kurzem in den Ruinen des antiken Amphitheaters ein neues Theater gebaut, für fünf Millionen Euro, das mit einem teuren Konzert, dirigiert von Riccardo Muti, eingeweiht wurde, aber für die Erhaltung der Gebäude hat man kein Geld. Dann regnet es stark und die antiken Häuser brechen zusammen."
    Kulturminister Sandro Bondi eilte heute nach Pompeji und versprach das Blaue vom Himmel. Fakt ist aber, dass sich, um es mit den Worten des prominenten Kunsthistorikers Salvatore Settis zu sagen, "niemand, niemand, niemand um diese Schätze kümmert".

    Vom Fall Pompeji ist seit Langem die Rede. Sogar die UNESCO protestierte schon mehrfach beim Kulturminister in Rom, doch niemand reagierte auf diese Proteste. Selbst die Drohungen der UNESCO, Pompeji von der Weltkulturgüterliste zu streichen, fruchteten nicht. Stattdessen versprach das Kulturministerium eine umfassende Neuordnung der Verantwortlichkeiten für die europaweit größte archäologische Grabungsstätte. Pietro Giovanni Guzzo ist Superintendent von Neapel und Pompeji. Er kämpft seit Jahren für mehr Finanzmittel:
    "Diese antike Stadt, die so gut erhalten ist, müsste im Zentrum der kulturpolitischen Aufmerksamkeit stehen. Seit Monaten werden die Ausgaben des Kulturministeriums auch für archäologische Zonen radikal gekürzt. Wir brauchen auch Geld, um die gravierenden Fehler früherer Restaurierungsarbeiten wettzumachen. Wie im Fall des Hauses der Gladiatoren, wo dringende Arbeiten auch von der UNESCO gefordert wurden."

    Hatte man doch das neue Dach des Hauses, mit dem die Wandmalereien vor Wind und Wetter geschützt werden sollten, aus Beton gegossen. Dieses neue und schwere Dach lag auf antiken Ziegelwänden auf. Das wusste man auch schon in den 80er- und 90er-Jahren, doch die Einwände der Archäologen wurden in den Wind geschlagen. Die auf Sparsamkeit bedachten Kulturpolitiker setzten sich durch. Was sich jetzt, wie man sieht, rächt.

    Aber nicht nur um das Gebäude der Gladiatoren ist es schlecht bestellt. Auch anderen antiken Bauten droht der baldige Zusammensturz. Oder der Verfall der Fresken und Mosaiken. Dringende Restaurierungsarbeiten sind nicht vorgesehen: Es gibt kein Geld. Experten zufolge müssten mindestens 30 Personen für Pflege und Restaurierung eingestellt werden, um wenigstens die dringendsten Arbeiten zu finanzieren.

    Pompeji präsentiert sich heute als eine heruntergekommene Ruinensiedlung. Da ist, um nur eines von mehreren Beispielen zu nennen, die Casa dei Vetii: Seit sieben Jahren ist diese erstaunlich gut erhaltene antike Villa geschlossen. Offiziell heißt es wegen Bauarbeiten, aber niemand arbeitet. Das Baugerüst vor der Fassade scheint nur eine Art Kulisse zu sein. Vielleicht, meint der Archäologe Massimo dall'Orto, muss auch die Casa die Vetii erst zusammenstürzen damit man sich dieses antiken Gebäudes annimmt:

    "Der Zusammenbruch des Hauses der Gladiatoren könnte sich als Glücksfall erweisen, denn vielleicht wird man sich endlich der antiken Stadt annehmen und sie so pflegen, wie sie es verdient hat. Glauben Sie mir: Jeden Tag beklagen sich Touristen darüber, wie ungepflegt und verfallen hier alles wirkt."