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Die rockige Seite von Warren Haynes

Gitarrist Warren Haynes wird es nicht so schnell langweilig, schließlich spielt er nicht nur in einer Band. Mit einem seiner Projekte, der Jamrock-Band Gov't Mule ist er derzeit auf Tournee. Ende September erscheint das neue Album.

Von Tim Hannes Schauen |
    Der Mann ist eine Ikone, eine Institution. Ein Vollblutmusiker. Schafft Warren Haynes es doch, in gleich vier mehr oder weniger zeitgenössischen Bands Gitarre zu spielen und zu singen. Seit dem Jahr 2000 ist Warren Haynes Mitglied der altehrwürdigen Allman Brothers Band. Er spielt bei The Dead, einer Formation, die das Erbe der Greatful Dead verwaltet. Dann gibt es da noch die Warren Haynes Band - deren 2011er-Livealbum "Man In Motion" einen nimmermüden Helden des Bluesrock zeigt, der locker die Licks aus dem Ärmel schüttelt, als gäbe es kein Morgen und zudem mit einer großen Portion Soul singt.

    Und nun sind also wieder Gov't Mule an der Reihe. Diese Woche waren Gov't Mule in Deutschland auf Tour. Warum, mag man sich vielleicht fragen, braucht jemand neben einer Staatsangelegenheit wie den Allman Brothers weitere Bands?

    "Ursprünglich war das ja nur als Nebenprojekt gedacht. Ich habe Gov't Mule zusammen mit Alan Woody gegründet, mit dem ich bei den Allman Brothers spielte. Weil die Allman Brothers nur wenige Tage im Jahr aktiv sind, bleibt also eine Menge Zeit für andere Dinge. Wir wollten unbedingt etwas zusammen machen, also haben wir Gov't Mule gegründet. Das war von Anbeginn als experimentelle Band gedacht, ohne irgendwelchen Druck, wirklich nur zum Spaß. Aber in den Vereinigten Staaten wurde das Projekt ziemlich schnell immer größer, und irgendwie sind wir dann eine richtige Band geblieben."

    Das war 1994 – und inzwischen sind die Maulesel wirklich sehr etabliert. Haynes beschreibt den Unterschied seiner Bands so:

    "Alle drei haben eine Menge improvisierter Elemente, aber in jeder Band gibt
    es eine eigene Chemie, und die Songs sind natürlich anders. Gov't Mule ist wohl die rockigste meiner Bands, The Dead sind ja eher psychedelisch, die Allman Brothers liegen irgendwo dazwischen und sind insgesamt blueslastiger. Die Bands unterscheiden sich, haben aber auch viel gemeinsam - abgesehen davon, dass ich in allen mitspiele. Und für mich ist das natürlich schön, mich in unterschiedlichen Spielarten austoben zu können. Gov't Mule beanspruchen mich allerdings am meisten, es ist die Band, der wir die meiste Zeit widmen. Naja: Es könnte schlimmer kommen."

    Pures Understatement: Gov't Mule können auf eine treue Fanbasis bauen. Das mag an über 1000 gespielten Konzerten liegen oder den acht Studioproduktionen und beinahe ebenso vielen Livealben. Haynes' Fähigkeiten als versierter Gitarrist, den man nach wenigen Tönen erkennt, sind jenseits der Genregrenzen berühmt. Zudem schafft es der 53-Jährige, Musik nicht bloß für Musiker zu machen, im Mainstream verwurzelt zu sein. Über zwei Millionen Downloads von Gov't Mule–Songs sprechen da auch für sich. Dennoch nimmt sich diese Jamrock-Band Gov't Mule live alle Freiheiten.

    "Jeder Abend verläuft anders, wir spielen nie dasselbe Set an zwei Abenden hintereinander. Und normalerweise spielen wir auch insgesamt drei Stunden, spielen zwei Sets und machen dazwischen eine Pause. Also, normalerweise ist die Vielfalt größer."

    Im Jahr 2000 hatte die sich so steil nach oben jammende Band einen herben Rückschlag zu verkraften: Bassist und Gründungsmitglied Allan Woody starb.

    "Jede Band macht Veränderungen durch, vor allem wenn man ein Mitglied verliert. Doch inzwischen haben Gov't Mule sich wieder gefangen, wir sind noch etwas größer geworden – aber uns hat auch ein bisschen die Vergangenheit eingeholt: Denn seit fünf Jahren ist Bassist Jorgen Carlsson in der Band, und sein Spiel erinnert mich sehr an das unseres ersten Bassisten Alan Woody. Durch Jorgen ist wieder diese Art Aggression in unserer Musik, was mir sehr gut gefällt."

    Zwischen all den Haupt-, Neben- und Seitenprojekten und dem rastlosen Touren hat es Warren Haynes mit Gov't Mule auch wieder in ein Tonstudio geschafft: Ende September kommt das neue Album heraus, "Shout!" wird es heißen.

    "Die Stücke sind sehr unterschiedlich, doch dieses Mal machen wir noch etwas Besonderes und bringen eine Doppel-CD heraus: Auf der ersten sind elf neue Stücke zu hören, auf der zweiten CD gibt es dann alternative Versionen dieser Lieder, und bei jeder singt ein anderer Gast."

    Ben Harper, Glenn Hughes, Steve Winwood, Elvis Costello, Dave Mathews, Myles Kennedy, Doctor John – die Liste der Gastsänger ist noch länger und sie ist bunt. Mit solchen Kooperationen kennt sich Haynes bestens aus, beim Konzert in Bonn haben Gov't Mule vor Deep Purple gespielt. Bei "Smoke On The Water" stand Haynes auf einmal mit seiner Les Paul auf der Bühne und hat den alten Recken Steve Morse ein kleines bisschen an die Boxenwand gespielt. Und auf dem letzten Gov't Mule-Album war Billy Gibbons von ZZ Top zu hören. Die beiden verbindet eine lange Freundschaft, obwohl sie doch zu unterschiedlichen politischen Lagern gehören.

    "Wenn Billy ein Republikaner ist, dann sind wir politisch verschieden. Ich bin ein Liberaler, absolut! Aber wir sind schon so lange Zeit Freunde, vielleicht, weil wir noch gar nicht über Politik gesprochen haben. Bei uns geht es mehr um Musik, Barbecue und mexikanisches Essen."

    Da das neue Album erst für den 20. September angekündigt ist, bleibt zwischen Politik und Barbecue noch Zeit für einige Konzerte mit dem San Francisco Symphonic Orchestra. Haynes wird in Gedenken an Jerry Garcia - den Gitarristen und Bandleader von Greatful Dead – an dessen 71. Geburtstag aufspielen. Ende August sind dann auch mal wieder die Allman Brothers aktiv. Drei bis vier Bands sind einem Gitarrenhelden ja auch wirklich angemessen.