In drei Vitrinen liegen seine Werkzeuge: Die berühmten 2fach-, 5fach- oder auch 9fach-Pinsel; die 50 Zentimeter breiten Quaste, die Stempel und Bürsten mit verschiedenen Arten von Gumminoppen; die eigenartigen Konstruktionen von bis zu 11fach aneinander montierten Miniwalzen, dazu Haken, Messer, Eisenstifte, Drahtbürsten - ein Instrumentarium wie auf einem mittelalterlichen Operationstisch. In Filmen, die in Hans Hartungs Atelier in Antibes gedreht wurden, sieht man sie in Aktion, wie der Maler damit buchstäblich an den Farbschichten seiner Gemälde herumoperiert - freilich niemals mit der destruktiven Energie seines Informel-Kollegen Emil Schuhmacher, sondern immer ruhig, überlegt, geradezu meditativ.
Mit Ausnahme seines Spätwerks betätigte sich Hartung in seinen Bildern immer auch als Konstrukteur, was die Leipziger Ausstellung erstmals durch die Gegenüberstellung von Zeichnungen und Gemälden unmittelbar nachvollziehbar macht. In seinen frühen ungegenständlichen Zeichnungen der dreißiger Jahre versucht Hartung, elementare Formen, also Quadrat, Triangel und Kreis, sowie die Andeutungen der klassischen Perspektive zu anarchistisch tanzenden Zeichen aufzulösen, damit die Erinnerung an alle räumliche Vorstellungen zu löschen und perfekt abstrakte Strukturen zu schaffen, die dann zur Grundlage für seine Gemälde wurden.
Demnach war Hartung nicht der Spontan-Maler, als der er sich lange selbst ausgab. Ähnlich wie bei Kandinsky und Klee bildete auch bei Hartung die abstrakte Form eine Gegenständlichkeit des Geistigen ab, die sorgsam entworfen werden musste. Diesen Geistes-Spuren ging er mit geradezu naturwissenschaftlicher Besessenheit nach. Seine Malerei erreichte bald eine meditative Klarheit, die weit über den abstrakten Expressionismus hinausreichte. Formen und Farben erinnerten an nichts mehr, sie waren flüchtige, vergeistigte Momente in einem unbestimmten Raum jenseits der Erfahrung, den Hartung gewissermaßen unter dem Mikroskop der Malerei vergrößerte und erstmals erfahrbar machen wollte. Hartung sah sich als Entdecker einer anderen Sphäre des Wissens, eines unbekannten Terrains der verborgenen Transzendenz, das keine kulturellen und nationalen Grenzen kannte und in das die Malerei erstmals vordrang.
Höhepunkt war zweifellos die Phase der vierziger und fünfziger Jahre. Hartung war schon in den Dreißigern vor den Nazis zunächst nach Paris geflohen, wo er bald zum Picasso-Kreis stieß. Beim Einmarsch der Wehrmacht in Frankreich floh er in den Süden, kämpfte auf Seiten der Résistance, verlor durch schwere Verwundung ein Bein und wurde bald nach dem Krieg auf französischer Seite hoch geehrt. Die Deutschen liessen sich damit etwas länger Zeit. Seine Gemälde der unmittelbaren Nachkriegsjahre wirken extrem konzentriert, oft sind es schwarze, zeichenhafte Strukturen, in denen sich Ordnung und Chaos, Spontaneität und Berechnung mit höchster poetischer Präzision vereinen.
Die Ausstellung will den Leipzigern einen Maler aus ihrer Stadt vorstellen, der im Osten noch immer unbekannt ist, der zudem das krasse Gegenteil von jeglicher naturalistischen "Leipziger Schule" ist und bei DDR-Kulturoberen ohnehin nur als Schmierer und Formalist firmierte.
Umso unverständlicher ist es, dass hier kaum etwas von Hartungs Hauptwerk aus jenen vierziger und fünfziger Jahren zu sehen ist, das seinen Weltruhm begründete, während stattdessen aber das reichlich esoterische Spätwerk die Säle dominiert, das von vielen Kritikern zu Recht seit langem verschmäht wird.
Seit den 60er Jahren benutzte Hartung unter anderem Spitzpistolen für seine Malerei, und seit Mitte der 80er Jahre entdeckte er eine Tropftechnik, die entfernt an Action Painting und Jackson Pollock erinnert, um monumentale Bildformate mit Kaskaden von Farbwolken und Farbspritzern zu füllen, die kaum mehr etwas von der strengen, poetischen Größe des Hauptwerkes erahnen lassen.
Die Hartung-Stiftung in Antibes, die noch über einen großen Teil des Oeuvres verfügt und es auch maßgeblich für diese Ausstellung verliehen hat, hat offenkundig Interesse daran, diesen wenig gefragten Teil des Werkes museal zu rehabilitieren. Das trübt den Eindruck dieser Ausstellung mehr, als es ihren Organisatoren recht sein kann, und ebenso - vielleicht noch schlimmer - das Bild, das sich das Leipziger Publikum von seinem so mühsam zurück gewonnenen Maler macht.
Mit Ausnahme seines Spätwerks betätigte sich Hartung in seinen Bildern immer auch als Konstrukteur, was die Leipziger Ausstellung erstmals durch die Gegenüberstellung von Zeichnungen und Gemälden unmittelbar nachvollziehbar macht. In seinen frühen ungegenständlichen Zeichnungen der dreißiger Jahre versucht Hartung, elementare Formen, also Quadrat, Triangel und Kreis, sowie die Andeutungen der klassischen Perspektive zu anarchistisch tanzenden Zeichen aufzulösen, damit die Erinnerung an alle räumliche Vorstellungen zu löschen und perfekt abstrakte Strukturen zu schaffen, die dann zur Grundlage für seine Gemälde wurden.
Demnach war Hartung nicht der Spontan-Maler, als der er sich lange selbst ausgab. Ähnlich wie bei Kandinsky und Klee bildete auch bei Hartung die abstrakte Form eine Gegenständlichkeit des Geistigen ab, die sorgsam entworfen werden musste. Diesen Geistes-Spuren ging er mit geradezu naturwissenschaftlicher Besessenheit nach. Seine Malerei erreichte bald eine meditative Klarheit, die weit über den abstrakten Expressionismus hinausreichte. Formen und Farben erinnerten an nichts mehr, sie waren flüchtige, vergeistigte Momente in einem unbestimmten Raum jenseits der Erfahrung, den Hartung gewissermaßen unter dem Mikroskop der Malerei vergrößerte und erstmals erfahrbar machen wollte. Hartung sah sich als Entdecker einer anderen Sphäre des Wissens, eines unbekannten Terrains der verborgenen Transzendenz, das keine kulturellen und nationalen Grenzen kannte und in das die Malerei erstmals vordrang.
Höhepunkt war zweifellos die Phase der vierziger und fünfziger Jahre. Hartung war schon in den Dreißigern vor den Nazis zunächst nach Paris geflohen, wo er bald zum Picasso-Kreis stieß. Beim Einmarsch der Wehrmacht in Frankreich floh er in den Süden, kämpfte auf Seiten der Résistance, verlor durch schwere Verwundung ein Bein und wurde bald nach dem Krieg auf französischer Seite hoch geehrt. Die Deutschen liessen sich damit etwas länger Zeit. Seine Gemälde der unmittelbaren Nachkriegsjahre wirken extrem konzentriert, oft sind es schwarze, zeichenhafte Strukturen, in denen sich Ordnung und Chaos, Spontaneität und Berechnung mit höchster poetischer Präzision vereinen.
Die Ausstellung will den Leipzigern einen Maler aus ihrer Stadt vorstellen, der im Osten noch immer unbekannt ist, der zudem das krasse Gegenteil von jeglicher naturalistischen "Leipziger Schule" ist und bei DDR-Kulturoberen ohnehin nur als Schmierer und Formalist firmierte.
Umso unverständlicher ist es, dass hier kaum etwas von Hartungs Hauptwerk aus jenen vierziger und fünfziger Jahren zu sehen ist, das seinen Weltruhm begründete, während stattdessen aber das reichlich esoterische Spätwerk die Säle dominiert, das von vielen Kritikern zu Recht seit langem verschmäht wird.
Seit den 60er Jahren benutzte Hartung unter anderem Spitzpistolen für seine Malerei, und seit Mitte der 80er Jahre entdeckte er eine Tropftechnik, die entfernt an Action Painting und Jackson Pollock erinnert, um monumentale Bildformate mit Kaskaden von Farbwolken und Farbspritzern zu füllen, die kaum mehr etwas von der strengen, poetischen Größe des Hauptwerkes erahnen lassen.
Die Hartung-Stiftung in Antibes, die noch über einen großen Teil des Oeuvres verfügt und es auch maßgeblich für diese Ausstellung verliehen hat, hat offenkundig Interesse daran, diesen wenig gefragten Teil des Werkes museal zu rehabilitieren. Das trübt den Eindruck dieser Ausstellung mehr, als es ihren Organisatoren recht sein kann, und ebenso - vielleicht noch schlimmer - das Bild, das sich das Leipziger Publikum von seinem so mühsam zurück gewonnenen Maler macht.