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Die schönsten deutschen Bücher
"Schlechte Gestaltung kann einen Inhalt kaputt machen"

Ein Buch sei dann schön, wenn es in der Gestaltung und in der Verarbeitung das transportiere, was der Inhalt dem Leser oder dem Betrachter vermitteln möchte, sagte Katharina Hesse von der Stiftung Buchkunst im Dlf. Dem Leser falle das oft gar nicht auf. Der merkte es nur, "wenn es einfach schlecht gemacht ist".

Katharina Hesse im Gespräch mit Maja Ellmenreich |
    Die schönsten deutschen Bücher in der Kategorie Allgemeine Literatur 2017. Vergeben wird die Auszeichnung von der Stiftung Buchkunst.
    Die schönsten deutschen Bücher in der Kategorie Allgemeine Literatur 2017. Vergeben wird die Auszeichnung von der Stiftung Buchkunst. (Uwe Dettmar, Frankfurt am Main)
    Maja Ellmenreich: Schön? Ist so ein schönes Wort – mit dem stimmlosen SCH am Anfang, dem gar nicht ganz so häufig vorkommenden Ö in der Mitte und dem nachklingenden N am Schluss. Eigentlich wie gemacht für’s Radio, und doch haben wir bei "Kultur heute" so etwas wie eine "kollektive Allergie" gegen das Wort "schön". Ein schöner Theaterabend? Ein schönes Bild? Ein schönes Konzert? Wir wollen’s doch genauer wissen, und deshalb steht "schön" bei uns auf dem ungeschriebenen Index.
    Heute aber geht es bei uns doch tatsächlich um "schöne Bücher" - um die "25 schönsten deutschen Bücher" des Jahres 2017. Die Stiftung Buchkunst hat sie von zwei Expertenjurys auswählen lassen und heute bekannt gegeben: darunter Romane und Sachbücher, genauso wie Kochbücher, Bilderbücher für Kinder und Ausstellungskataloge.
    Katharina Hesse ist Geschäftsführerin der "Stiftung Buchkunst", die es sich seit über 50 Jahren zur Aufgabe macht, – Zitat - die Qualität des Buches in technischer und künstlerischer Hinsicht zu fördern.
    Frau Hesse, Sie haben gemerkt, dass uns bei "Kultur heute" das Wort "schön" durchaus beschäftigt, weil wir es – mit Verlaub – ein bisschen nichtssagend finden. Wie geht es damit Ihren Jury-Mitgliedern - sind die sich einig darüber, was ein "schönes Buch" ausmacht?
    "Das Cover muss zu der Innengestaltung und zum Inhalt passen"
    Katharina Hesse: Die sind sich natürlich auch nicht immer einig, weil schön ist natürlich auch etwas extrem Subjektives. Deswegen haben wir einen riesengroßen Kriterienkatalog zusammengestellt, der es möglichst objektiv macht.
    Ich stimme Ihnen zum Teil zu: Das Wort "schön" ist natürlich auch ein sehr flaches Wort und beschreibt gar nicht viel. Wir könnten den Wettbewerb auch "Die stimmigsten deutschen Bücher" nennen, aber dann würden wir wahrscheinlich hier heute nicht im Radio zusammen sprechen.
    Ellmenreich: Stimmig ist schöner als schön. – Was genau ist denn stimmig? Ein schönes Buch muss nicht zwangsläufig auch ein gutes Buch sein, wenn ich Sie richtig verstehe.
    Hesse: Muss nicht zwangsläufig. Im Grunde ist ein schönes Buch das Buch, das in der Gestaltung und in der Verarbeitung das transportiert, was der Inhalt dem Leser oder dem Betrachter vermitteln möchte. Und es kommt natürlich ganz darauf an, in welchem Genre wir uns bewegen. Sie haben ja schon einige aufgezählt. Natürlich sieht ein schönes wissenschaftliches Buch ganz, ganz anders aus als ein schöner Ausstellungskatalog.
    Ellmenreich: Das umfasst mehr als das Cover, das ja durchaus auch manchmal in die Irre führen kann?
    Hesse: Ja. Das ist leider sehr, sehr häufig so, dass das Cover in die Irre führt. Das sind aber die Bücher, die es bei uns nicht unter die 25 schönsten schaffen. Das ist ein Kriterium, steht auch so geschrieben: Das Cover muss zu der Innengestaltung und natürlich auch zum Inhalt passen. Und ganz, ganz häufig werden Bücher deswegen aussortiert, weil das Cover natürlich den Leser reizen soll, dieses Buch zu kaufen. Das ist ein Marketing-Objekt. Aber es darf auch nichts Falsches vortäuschen.
    Ellmenreich: Das ist der erste Eindruck sozusagen. Die ersten Sekunden entscheiden bei der zwischenmenschlichen Begegnung, aber wahrscheinlich auch bei der Begegnung zwischen Mensch und Buch. Nun verstehe ich Ihre Auszeichnung und die Arbeit der Stiftung Buchkunst ja als so eine Art Lobbyarbeit für die künstlerische Gestaltung von Büchern. Wie steht es aber um den Kunden und seine Kaufentscheidung? Spielt das auffällige Aussehen beziehungsweise in Ihrem Sinne wahrscheinlich eher die kunstvolle Gestaltung eines Buches, spielt die eine Rolle bei den Verkaufszahlen?
    "Schlechte Gestaltung, schlechte Typografie kann einen Inhalt kaputt machen"
    Hesse: Man kann es durchaus bei kleineren Produktionen oder auch eher Independent-Verlagen beobachten, dass natürlich eine Auszeichnung bei uns die Bücher vielleicht eher in die Buchhandlungen trägt und dann dadurch auch eher entdeckt werden können. Bei einem Paul Auster spielt, glaube ich, unsere Auszeichnung keine große Rolle. Aber darum geht es uns ja nicht. Uns geht es darum, dass wir über diese Themen sprechen wollen, nämlich im Guten wie auch im Schlechten, nämlich dass schlechte Gestaltung, schlechte Typografie einen Inhalt auch kaputt machen kann. Und die 25 schönsten dienen uns natürlich dazu zu sprechen, wie kann man es denn möglichst perfekt machen. Das absolut Perfekte gibt es nicht, aber möglichst perfekt machen.
    Ellmenreich: Jetzt haben Sie schon den Roman von Paul Auster "4 3 2 1 " angesprochen. Mit seinen 1.200 Seiten ist er eins dieser 25 schönsten deutschen Bücher. Nun leuchtet mir bei Kochbüchern, Bildbänden und Bilderbüchern sofort ein, was eine schöne, eine gute Gestaltung ist. Aber was ist an einem Roman schön?
    "Man merkt es nur, wenn es einfach schlecht gemacht ist"
    Hesse: Ein Roman ist dann schön, wenn er lesbar wird, und lesbar wird er nicht nur durch die Sprache des Autors nämlich, sondern auch ganz entscheidend über den Satz, über die Wahl der Schrift, über die Platzierung der Schrift auf der Seite, über die Wahl des Papiers. Bei 1.200 Seiten können Sie sich vorstellen: Wenn Sie das falsche Papier wählen, dann bricht Ihnen das Buch auseinander. Und dass man mit Freude ein Buch liest und es ist was, was man als Leser ja gar nicht merkt, sondern ich glaube, man merkt es nur, wenn es einfach schlecht gemacht ist und wenn Ihr Gehirn nicht mehr durch die Zeilen hüpfen kann, weil irgendwas blockiert, Löcher im Satz, zu breiter Satzspiegel.
    Ellmenreich: Das Auge liest mit, wenn man es so zusammenfassen möchte, aber auch die Hand, auch das Haptische. Das fällt ja so ein bisschen weg beim E-Book. Das hat ja das physische Buch nun nicht vom Buchmarkt verdrängt, wie das einige befürchtet haben, aber trotzdem: Das E-Book, das wir ja als Datei kaufen und de facto eben nicht in den Händen halten, sondern nur per E-Book-Reader sichtbar machen, ist das E-Book der natürliche Feind der Buchkunst?
    "Auch digitale Texte sollten möglichst gut gestaltet werden"
    Hesse: Nicht zwangsläufig. Nur das E-Book kann leider noch bei Weitem nicht das, was das Papierbuch kann. Gerade bei komplexen Inhalten, bei Büchern, die man nicht linear liest, nicht von vorne nach hinten, sondern viele Informationen reinbekommen muss, dann funktioniert ein E-Book einfach schlichtweg anders. Und Sie werden es kennen: Sie haben das Visuelle. Sie wissen meist ganz genau, wo was steht, wenn Sie ein Buch in der Hand haben. Das fällt beim E-Book weg. Wir nehmen jetzt einfach mal einen Reiseführer. Da merke ich mir irgendwie, da war ein Bild auf der linken Seite vom Kölner Dom und da stand was und das merke ich mir. Und wenn ich das dann suche, dann habe ich es relativ schnell, einfach weil mein Gehirn sich gemerkt hat, wie diese Seite aufgebaut wurde. In einem E-Book können Sie nicht einfach durchblättern. Sie müssen sich dann schon ein Lesezeichen setzen oder relativ genau wissen, auf welcher Seitenzahl das ist. Das kann ein Aufbau einer Papierseite, das Durchblättern durch Papier, einfach noch viel, viel besser, als das im E-Book momentan gelöst ist. Deswegen heißt es aber nicht, dass es unser Feind ist. Wir finden es schon auch wichtig, dass digitale Texte möglichst gut gestaltet werden.
    Ellmenreich: So ganz und gar nicht von digitalen Texten war ja im Mittelalter die Rede, als die Buchkunst, die Buchmalerei ganz, ganz besonders Blüte. Das ist nun lange her, aber sehen Sie heutzutage – ich habe vorhin schon von Lobbyarbeit gesprochen Ihrer Stiftung -, sehen Sie heute eine Renaissance der Buchkunst, oder eher wieder die abnehmende Buchkunst? Wie würden Sie das beurteilen?
    "Möglichst alle Bücher sollen einem gestalterischen Standard haben"
    Hesse: Nein, momentan steigt es eher, aber hauptsächlich, was die Materialität betrifft. Da wird schon wieder deutlich mehr ein Fokus draufgelegt, wie ist jetzt ein Einband materiell beschaffen, wie ist Papier beschaffen, wie wird das Buch verarbeitet. Das sehen wir schon. Natürlich ist es wunderschön, wenn man toll illustrierte Bücher hat und auch ganz opulente Werke hat, aber darum geht es uns ja nicht in erster Linie. Uns ist es im Grunde wichtig, Lobbyarbeit für jedes Buch zu machen. Ob das ein kleiner Vogelführer ist, oder ob das ein großer Bildband ist, unser Ziel ist, dass möglichst alle Bücher, die in Deutschland publiziert werden, auch einem Standard entsprechen, einem gestalterischen und herstellerischen Standard.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.