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Die Schotten und der Brexit
Meinungsvielfalt in der Fischhalle

Das schottische Städtchen Peterhead ist der größte Marktplatz für Fisch mit weißem Fleisch in der EU. Während manche Großhändler mehr Bürokratie und zusätzliche Kosten durch den Brexit befürchten, sehen die schottischen Fischer ihre Chance gekommen, die südeuropäische Konkurrenz loszuwerden.

Von Burkhard Birke |
In der Fischhalle im schottischen Peterhead liegen Fische in weißen Boxen, dazwischen stehen die Händler
Die Fischhalle in Peterhead: Das Städtchen ganz im Nordosten Schottlands ist der größte Marktplatz für Fisch mit weißem Fleisch in der EU (Deutschlandradio/ Burkhard Birke)
Sechs Uhr morgens ist es und die ersten Laster rollen an, um Fisch zu laden. In einer Stunde öffnet der Markt. Die letzten Fischerboote laufen im Hafen von Peterhead ein, um ihren Fang auszuladen. Für die Möwen ein gefundenes Fressen.
"Das ist Kabeljau, das hier Seeteufel - eine Menge verschiedener Sorten Fisch." Paul MacKenzie führt Buch über Schiffe und Ladungen. Das 19.000 Einwohner Städtchen Peterhead, ganz im Nordosten Schottlands gelegen, ist der größte Marktplatz für Fisch mit weißem Fleisch in der EU.
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Fisch und Politik
Sein ganzes Leben habe er mit Fisch gearbeitet, erzählt Paul MacKenzie mit einem breiten Lächeln in seinem von Wind und Sonne über die Jahre gegerbten Gesicht, gleich nach der Schule habe er als Fischer angefangen. Sonst gab es hier ja nichts. "Und es gibt noch immer nichts anderes zu tun."
Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reportagereihe Schottland und der Brexit - Risse im Königreich.
Angesprochen auf den Brexit hebt er an, über das Versagen der Politik zu fluchen: "Wenn die britische Fischereiindustrie in der EU bleibt, dann wird sie an die Spanier und Franzosen verlieren."
In der riesigen Markthalle reihen sich einfach aufeinander gestapelte Kisten mit frischem Fisch schier endlos aneinander. Reihe um Reihe bieten die Verkäufer ihre Ware feil: Kabeljau, Seehecht, Haddock, Seeteufel, Tintenfisch. 140 Pfund oder mehr für eine Kiste mit 40 Kilo Fisch.
Exporteure befürchten hohe Kosten
Großhändler wie Andrew Charles hoffen auf ein Schnäppchen. Jeder will doch Gewinn machen, meint der kräftige Mann in Ölkleidung: "Es wird aber immer teurer, Restaurants oder Läden zu führen. Alles wird unnötig teuer. Der Brexit ist ein großartiges Beispiel, wie man eine Branche kaputt machen kann."
Andrew Charles verkauft vor allem Seeteufel in die EU und sieht sich mit dem Brexit einem Wulst an neuer Bürokratie und zusätzlichen Kosten ausgesetzt:
"Die EU zu verlassen und die Beziehung zu unseren europäischen Partnern zu zerstören, ist verrückt. Wir sind gut vorbereitet auf den Brexit, aber die Kosten für kleine Exporteure werden so steigen, dass viele nicht mehr exportieren werden. Und auch die größeren Fisch-Verarbeiter werden zusätzlich belastet. Für jede Kundentransaktion werden 160 Pfund fällig: Das sind 34 Millionen Pfund pro Jahr für die schottische Branche", schätzt Andrew Charles aufgrund fälliger Ausfuhrzertifikate und möglicher Zölle.
Der Brexit als Chance
Solche Sorgen teilt Konkurrent Will Clarke nicht. Er agiert nämlich nur auf dem britischen Markt und sieht neue Chancen:
"Weil ich nicht exportiere. Je mehr Zölle auf die Fisch-Exporte geschlagen werden, desto mehr wird der heimische Markt profitieren. Also je mehr Zölle, Gebühren und Ausfuhrzertifikate die Exporteure zahlen müssen, desto fairer wird der Wettbewerb."
Die schottischen Fischer stoßen in das gleiche Horn. Ihre Argumente gleichen jenen vieler Brexit-Befüworter. Elspeth Mac Donald führt seit einigen Monaten die Geschäfte der Föderation schottischer Fischer, SFF, in Aberdeen: "Wir glauben, dass der Brexit eine Chance für die schottische Fischerei bietet. Rund 60 Prozent der Fische in britischen Gewässern werden nicht von britischen, sondern anderen EU Schiffen gefangen. Dieses Ungleichgewicht kann beseitigt werden, wenn wir nicht mehr Teil der EU-Fischereipolitik sind. Dann können wir mehr Fische in unseren Gewässern fangen."
Nachhaltigkeits-Ziel soll bleiben
Denn ein eigenständiges Großbritannien würde selbst am Tisch sitzen, um mit Norwegen, den Färöern, Island und der EU um Fangquoten zu verhandeln. Momentan gibt es ein Ungleichgewicht, sagt Elspeth MacDonald, nur elf Prozent der Fische in den restlichen EU-Gewässern würden von britischen Fischern gefangen.
Natürlich verkennt sie nicht die Probleme der Exporteure. Und was die in der gemeinsamen EU-Fischereipolitik teilweise verankerte Nachhaltigkeit zum Schutz der Fischbestände anbetrifft, lässt sie auch keine Zweifel aufkommen:
"Wenn Großbritannien die EU verlässt, dann ist beabsichtigt, die technischen EU-Vorschriften und die zum Erhalt des Bestands in britisches Recht zu übernehmen. Nachhaltigkeit liegt doch im Interesse der Fischereibranche. Wir wollen doch eine Zukunft haben!"