Manfred Götzke: In Nordrhein-Westfalen sind letzte Woche die ersten zwölf Gemeinschaftsschulen an den Start gegangen, das Prestigeprojekt der rot-grünen Bildungspolitik in Nordrhein-Westfalen. Die SPD-Kollegen in Bayern hat das wohl ein bisschen eifersüchtig gemacht - auch sie wollen die Gemeinschaftsschule, sind aber in Bayern noch in der Opposition. Und der CSU-Kultusminister kämpft wie kein anderer in Deutschland für die Hauptschule, das dreigliedrige Schulsystem und gegen alles, was nur nach Gemeinschaftsschule klingt. Weil das so ist, will die SPD in Bayern die Schulreform von unten sozusagen erzwingen und gemeinsam mit Kommunen und Eltern die Einführung von Gemeinschaftsschulen durchsetzen. Natascha Kohnen ist Generalsekretärin der Bayern-SPD. Ich grüße Sie, Frau Kohnen!
Natascha Kohnen: Ja, hallo Herr Götzke!
Götzke: Frau Kohnen, warum erklären Sie Bayerns Kultusminister Spaenle den Schulkrieg?
Kohnen: Wir erklären ihm keinen Schulkrieg, sondern wir verfügen hier in Bayern über ein dreigliedriges Schulsystem, so wie Sie es ja erwähnt haben, was hochselektiv ist. Das heißt, mit zehn Jahren werden die Kinder auf die verschiedenen Schularten verteilt, wenig Durchlässigkeit, und in diesem System verlassen jährlich über 10.000 Kinder die Schule ohne Schulabschluss. Und das ist ein Zustand, den wir nicht wollen, und deswegen haben wir eine Alternative entwickelt.
Götzke: Die Gemeinschaftsschule.
Kohnen: Richtig.
Götzke: Sie haben ja schon mit einigen Bürgermeistern gesprochen. Wie viele wollen denn die Gemeinschaftsschule einführen?
Kohnen: Ja, es werden immer mehr, und das spannende ist in Bayern, dass natürlich durch den demografischen Wandel - das heißt, immer weniger Kinder - werden die Schulen bei uns geschlossen, sie werden zusammengelegt in einzelne Kommunen. Das heißt, einzelne Kommunen verlieren ihre Schulen, und das wollen die nicht. Die wollen eine wohnortnahe Schule, und genau für diese Schulart - das heißt, eine kleine Schule, die im Dorf bleibt -, dafür haben wir auch die Gemeinschaftsschule entwickelt. Und das Interesse ist groß, und in Bayern, in Oberbayern gibt es bereits zwei Gemeinden, Denkendorf und Kipfenberg, die mit uns dieses System entwickeln, der Gemeinschaftsschule.
Götzke: Na ja, mit zwei Gemeinden werden Sie das wohl kaum gegen Kultusminister Spaenle durchsetzen.
Kohnen: Die zwei Gemeinden machen aber den Kultusminister Spaenle schon höchst nervös, weil wir da auch schon sehr weit gekommen sind. Und es schließen sich immer mehr Leuchtturmprojekte an - so nennen wir die -, das heißt, immer mehr Gemeinden melden sich bei uns, Kommunen, auch schon Städte, in Unterfranken, Oberfranken und in anderen Teilen Bayerns, und wollen mit uns die Gemeinschaftsschule entwickeln.
Götzke: Ja, selbst, wenn Sie 20 Kommunen für Ihre Pläne gewinnen, ist ja auch in Bayern Bildungspolitik Ländersache und nicht Kommunalsache.
Kohnen: Ja, Bildungspolitik ist Ländersache, aber wenn die Kommunen für sich ein Konzept entwickeln und mit der SPD-Landtagsfraktion, wo wir im Moment noch in der Opposition sind, das kann aber 2013 natürlich ganz anders aussehen, wenn wir mit denen gemeinsam ein Konzept für die Gemeinschaftsschule entwickeln, dann können wir als Opposition auch im Länderparlament natürlich ein Gesetz einbringen, das ein Modellprojekt Gemeinschaftsschule zulässt. Und davor fürchtet sich Kultusminister Spaenle ganz massiv.
Götzke: Jetzt mal Hand aufs Herz: Für wie realistisch halten Sie es, dass in Bayern unter CSU-Regierung, unter Herrn Spaenle, es tatsächlich noch Gemeinschaftsschulen geben wird? Müssen Sie da nicht erst mal die Landtagswahl gewinnen?
Kohnen: Ich denke, dass, je mehr Leuchtturmprojekte, das heißt, je mehr Kommunen auf uns zukommen und mit uns dieses Projekt entwickeln - das werden bis 2013 mit Sicherheit mehrere, ja, 20, 30, ja, vielleicht sogar 50 Leuchtturmprojekte sein -, und wenn das so kommt, wird sich Spaenle dem Druck nicht mehr standhalten können, und das, was wir von Spaenle wollen, ist ja nicht, dass er sein dreigliedriges System abschafft, sondern was wir wollen, ist, dass er eine Alternative zulässt, und davor muss er sich nicht fürchten. Das wird sich durchsetzen, weil es erfolgreich ist, davon gehen wir aus, und wenn er aber von seinem dreigliedrigen Schulsystem überzeugt ist, dann würde er sich durchsetzen. Also, ich denke, den Wettbewerb muss er zulassen, aber davor fürchtet er sich natürlich hochgradig.
Götzke: Im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern ist die Hauptschule in Bayern relativ erfolgreich. Absolventen haben durchaus gute Chancen auf Lehrstellen. Warum wollen Sie die Schulform trotzdem beerdigen?
Kohnen: Nein, wir beerdigen nicht die Hauptschule an sich, sondern die Hauptschule wird im Moment von der CSU beerdigt, indem sie nämlich zusammengelegt wird. In Bayern werden die Hauptschulen zu Mittelschulen zusammengelegt, und das ist ein einziges Einsparungskonzept, weil man die kleinen Schulen auf dem Land nicht halten will - das ist ein politischer Wille -, und diese Zusammenlegung führt dazu, dass die Schulen immer mehr abgängig werden, und damit verlieren die Kommunen ihren Standortfaktor, und das ist natürlich etwas, wogegen wir ankämpfen.
Götzke: Sie wollen also auch die Hauptschule erhalten?
Kohnen: Die Hauptschule, in der Form, wie sie existiert, wird nicht mehr lange existieren, weil die CSU sie selbst im Moment schließt und sie zusammenführt. Das heißt, wenn zum Beispiel fünf Kommunen eine Hauptschule haben, dann zwingt im Moment die CSU-Staatsregierung vier Kommunen, ihre Hauptschulen zu schließen und sich auf eine Kommune zu verständigen. Die Schulen werden von der CSU im Moment dicht gemacht. Und gegen diese Bewegung gehen wir mit der Gemeinschaftsschule vor, indem wir sagen, wir möchten die wohnortnahe Schule retten, und dafür bietet die Gemeinschaftsschule ein wunderbares Konzept.
Götzke: Die SPD will in Bayern die Gemeinschaftsschule von unten einführen. Natascha Kohnen, Generalsekretärin der Bayern-SPD hat erklärt, wie das gehen soll. Vielen Dank!
Kohnen: Ja, Herzlichen Dank, Herr Götzke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Natascha Kohnen: Ja, hallo Herr Götzke!
Götzke: Frau Kohnen, warum erklären Sie Bayerns Kultusminister Spaenle den Schulkrieg?
Kohnen: Wir erklären ihm keinen Schulkrieg, sondern wir verfügen hier in Bayern über ein dreigliedriges Schulsystem, so wie Sie es ja erwähnt haben, was hochselektiv ist. Das heißt, mit zehn Jahren werden die Kinder auf die verschiedenen Schularten verteilt, wenig Durchlässigkeit, und in diesem System verlassen jährlich über 10.000 Kinder die Schule ohne Schulabschluss. Und das ist ein Zustand, den wir nicht wollen, und deswegen haben wir eine Alternative entwickelt.
Götzke: Die Gemeinschaftsschule.
Kohnen: Richtig.
Götzke: Sie haben ja schon mit einigen Bürgermeistern gesprochen. Wie viele wollen denn die Gemeinschaftsschule einführen?
Kohnen: Ja, es werden immer mehr, und das spannende ist in Bayern, dass natürlich durch den demografischen Wandel - das heißt, immer weniger Kinder - werden die Schulen bei uns geschlossen, sie werden zusammengelegt in einzelne Kommunen. Das heißt, einzelne Kommunen verlieren ihre Schulen, und das wollen die nicht. Die wollen eine wohnortnahe Schule, und genau für diese Schulart - das heißt, eine kleine Schule, die im Dorf bleibt -, dafür haben wir auch die Gemeinschaftsschule entwickelt. Und das Interesse ist groß, und in Bayern, in Oberbayern gibt es bereits zwei Gemeinden, Denkendorf und Kipfenberg, die mit uns dieses System entwickeln, der Gemeinschaftsschule.
Götzke: Na ja, mit zwei Gemeinden werden Sie das wohl kaum gegen Kultusminister Spaenle durchsetzen.
Kohnen: Die zwei Gemeinden machen aber den Kultusminister Spaenle schon höchst nervös, weil wir da auch schon sehr weit gekommen sind. Und es schließen sich immer mehr Leuchtturmprojekte an - so nennen wir die -, das heißt, immer mehr Gemeinden melden sich bei uns, Kommunen, auch schon Städte, in Unterfranken, Oberfranken und in anderen Teilen Bayerns, und wollen mit uns die Gemeinschaftsschule entwickeln.
Götzke: Ja, selbst, wenn Sie 20 Kommunen für Ihre Pläne gewinnen, ist ja auch in Bayern Bildungspolitik Ländersache und nicht Kommunalsache.
Kohnen: Ja, Bildungspolitik ist Ländersache, aber wenn die Kommunen für sich ein Konzept entwickeln und mit der SPD-Landtagsfraktion, wo wir im Moment noch in der Opposition sind, das kann aber 2013 natürlich ganz anders aussehen, wenn wir mit denen gemeinsam ein Konzept für die Gemeinschaftsschule entwickeln, dann können wir als Opposition auch im Länderparlament natürlich ein Gesetz einbringen, das ein Modellprojekt Gemeinschaftsschule zulässt. Und davor fürchtet sich Kultusminister Spaenle ganz massiv.
Götzke: Jetzt mal Hand aufs Herz: Für wie realistisch halten Sie es, dass in Bayern unter CSU-Regierung, unter Herrn Spaenle, es tatsächlich noch Gemeinschaftsschulen geben wird? Müssen Sie da nicht erst mal die Landtagswahl gewinnen?
Kohnen: Ich denke, dass, je mehr Leuchtturmprojekte, das heißt, je mehr Kommunen auf uns zukommen und mit uns dieses Projekt entwickeln - das werden bis 2013 mit Sicherheit mehrere, ja, 20, 30, ja, vielleicht sogar 50 Leuchtturmprojekte sein -, und wenn das so kommt, wird sich Spaenle dem Druck nicht mehr standhalten können, und das, was wir von Spaenle wollen, ist ja nicht, dass er sein dreigliedriges System abschafft, sondern was wir wollen, ist, dass er eine Alternative zulässt, und davor muss er sich nicht fürchten. Das wird sich durchsetzen, weil es erfolgreich ist, davon gehen wir aus, und wenn er aber von seinem dreigliedrigen Schulsystem überzeugt ist, dann würde er sich durchsetzen. Also, ich denke, den Wettbewerb muss er zulassen, aber davor fürchtet er sich natürlich hochgradig.
Götzke: Im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern ist die Hauptschule in Bayern relativ erfolgreich. Absolventen haben durchaus gute Chancen auf Lehrstellen. Warum wollen Sie die Schulform trotzdem beerdigen?
Kohnen: Nein, wir beerdigen nicht die Hauptschule an sich, sondern die Hauptschule wird im Moment von der CSU beerdigt, indem sie nämlich zusammengelegt wird. In Bayern werden die Hauptschulen zu Mittelschulen zusammengelegt, und das ist ein einziges Einsparungskonzept, weil man die kleinen Schulen auf dem Land nicht halten will - das ist ein politischer Wille -, und diese Zusammenlegung führt dazu, dass die Schulen immer mehr abgängig werden, und damit verlieren die Kommunen ihren Standortfaktor, und das ist natürlich etwas, wogegen wir ankämpfen.
Götzke: Sie wollen also auch die Hauptschule erhalten?
Kohnen: Die Hauptschule, in der Form, wie sie existiert, wird nicht mehr lange existieren, weil die CSU sie selbst im Moment schließt und sie zusammenführt. Das heißt, wenn zum Beispiel fünf Kommunen eine Hauptschule haben, dann zwingt im Moment die CSU-Staatsregierung vier Kommunen, ihre Hauptschulen zu schließen und sich auf eine Kommune zu verständigen. Die Schulen werden von der CSU im Moment dicht gemacht. Und gegen diese Bewegung gehen wir mit der Gemeinschaftsschule vor, indem wir sagen, wir möchten die wohnortnahe Schule retten, und dafür bietet die Gemeinschaftsschule ein wunderbares Konzept.
Götzke: Die SPD will in Bayern die Gemeinschaftsschule von unten einführen. Natascha Kohnen, Generalsekretärin der Bayern-SPD hat erklärt, wie das gehen soll. Vielen Dank!
Kohnen: Ja, Herzlichen Dank, Herr Götzke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.