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Die schwarze Hand

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts galt und gab sich Serbien als aggressiv, war aber nur ein Angstbeißer. Aus Angst, zwischen Österreich und Türkei zermahlen zu werden, propagierte es aggressiv die Vereinigung der serbisch besiedelten Balkanregionen. Dieser Vereinigung verschrieb sich die Geheimgesellschaft Vereinigung oder Tod.

Von Wolf Oschlies |
    Ein altes Chanson von Otto Reutter, fast schon eine Chronik: König Petar Karadjordjevic kam 1903 nach einem blutigen Offiziersputsch auf den serbischen Thron, von dem er Aleksandar Obrenovic verdrängte, den autoritären, proösterreichischen Herrscher, der bei Volk und Armee gleichermaßen unbeliebt war. Die Königsmörder formierten am 9. Mai 1911 - nach dem alten Julianischen Kalender, der in Serbien bis 1919 galt - die Geheimgesellschaft "Crna ruka",die "Schwarze Hand". Offiziell hieß sie "Ujedinjenje ili smrt", "Vereinigung oder Tod" - Vereinigung möglichst aller von Serben besiedelten Balkanregionen, damit Serbien nicht zwischen den Mühlsteinen Türkei und Österreich zerrieben würde. Begehrlich schaute Belgrad auf Bosnien, wo 400.000 Serben lebten. Nach Wiener Lesart waren sie und alle Slaven Österreich-Ungarns treue Untertanen Habsburgs, wie Generalstabschef Conrad von Hötzendorf das Wesen des Vielvölkerstaates definierte:

    Der innige Zusammenschluss aller Nationen unserer Monarchie durch den festen Willen, dieses uns allen teure alte Vaterhaus gegen die Anschläge unserer Feinde zu schirmen.

    Österreich hatte Bosnien seit 1878 verwaltet und 1908 förmlich annektiert. Belgrad sah das als Raub serbischen Landes an, stellte die paramilitärische "Narodna odbrana", die "Volkswehr" auf und baute auf russische Hilfe, denn "zusammen mit den Russen sind wir 300 Millionen", wie es in einem serbischen Lied hieß:

    Doch auf Druck der Großmächte musste Serbien die Annexion hinnehmen und seine Volkswehr demobilisieren. An ihre Stelle trat später die geheime "Schwarze Hand", geführt von Oberst Dragutin Dimitrijevic-Apis, 1903 Anführer der Putschisten, später Chef des Nachrichtendienstes des serbischen Generalstabs. Konspirationen wie diese agierten damals in vielen Ländern, aber nur die Belgrader "Schwarze Hand" hatte einige Bedeutung. Wien dichtete ihr aus Angst vor serbischem Einfluss auf Balkanslaven eine dämonische Allmacht an, wo sie doch kaum mehr als Maulhelden versammelte:
    Wir ziehen die terroristische Tat der geistigen Propaganda vor, ...

    …tönte die "Schwarze Hand", blieb aber tatenlos. 150.000 Mitglieder soll sie gehabt haben, 3.000 oder nur 300 waren es wirklich, Attentate auf Dutzende Herrscher und Politiker wurden ihr nachgesagt, aber nie nachgewiesen. Nicht einmal der Sarajevoer Anschlag auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand 1914 ist ihr zweifelsfrei anzulasten. Anonyme Mordpläne schwirrten damals so offenkundig umher, dass selbst das Opfer davon erfuhr, wie Zita, letzte Wiener Kaiserin, bezeugte:
    Franz Ferdinand sagte: Ich muss euch eine Sache sagen, demnächst werde ich ermordet werden.

    Die "Schwarze Hand" erstrebte eine großserbische Militärdiktatur, sofern überhaupt Ziele zu erkennen sind. Ihre sogenannte Verfassung propagierte eine vage südslawische Brüderschaft, ihre "Geschäftsordnung" gab martialische Parolen aus und ihr Blättchen "Pijemont" trommelte für eine allserbische Vereinigung. Sie war eine schwatzhafte Bande, ein lästiger Staat im Staate, geformt aus machthungrigen Desperados, die Prinzregent Aleksandar, seit 1914 Statthalter des kranken Königs Petar, dem Offizierscorps und der Regierung unheimlich wurden. Als Ende 1916 Aleksandars Wagen beschossen wurde, lastete man das der "Schwarzen Hand" an, verurteilte ihre Anführer zum Tode und exekutierte sie am 14. Juni 1917. Russische und englische Gnadengesuche beschleunigten das Ende noch. 1953 wurde in Titos Jugoslawien der Prozess wiederholt. Er endete mit der Rehabilitierung der geheimen terroristischen Schwarzen Hand.