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Die schwarze Sonne der Tiefsee

Vor 28 Jahren entdeckte Jack Corliss bei einem Tauchgang die Black Smoker, heiße, untermeerische Quellen in 2400 Metern Wassertiefe, um die sich in völliger Dunkelheit Lebewesen versammelten, Bakterien, Röhrenwürmer, Muscheln und Schnecken. Eine Sensation, denn bis dahin glaubte man, dass alles Leben vom Sonnenlicht abhängt. Jetzt stoßen die Black Smoker ein weiteres Dogma um: dass es Photosynthese nicht ohne Sonnenlicht geben könne.

Von Dagmar Röhrlich |
    Eine internationale Forschergruppe hat im Fachblatt PNAS Tiefseebakterien vorgestellt, die Photosynthese auch ohne Sonne betreiben. Die Wissenschaftler haben in der Nähe der Black Smoker die so genannten Grünen Schwefelbakterien entdeckt. Diese Bakterien sind schon seit den 50er Jahren bekannt sie betreiben Photosynthese: Aus Lichtenergie erzeugen sie organische Substanz. Weil Sauerstoff die Grünen Schwefelbakterien tötet, verwenden sie andere Ausgangssubstanzen dafür, also statt Wasser und Kohlendioxid lieber Schwefel oder Schwefelwasserstoff und Kohlendioxid. Die jetzt entdeckten Grünen Schwefelbakterien können in der Tiefsee aber kein Sonnenlicht nutzen, sondern setzen auf eine andere Lichtquelle: das geothermische "Licht" der Black Smoker.

    Was genau sich hinter diesem "Licht" verbirgt, wird noch erforscht. Es scheint mehrere Quellen zu geben. Eine dürfte die Strahlung sein, die ein Körper aufgrund seiner Temperatur abgibt. Die Black Smoker sind 350 bis 400 Grad heiß und strahlen vor allem im sehr langwelligen Infrarotbereich, der für Organismen nutzlos ist. Ein kleiner Teil der Strahlung liegt jedoch zwischen 700 und 750 Nanometer - und den setzen die Grünen Schwefelbakterien für die Photosynthese ein. Ihre zweite Lichtquelle ist die Sonoluminizenz, die durch kollabierende Gasbläschen in einer Flüssigkeit entsteht. Licht kann auch bei chemischen Reaktionen entstehen oder - was jedoch noch umstritten ist - wenn 300 Grad heißes Quellwasser auf zwei Grad kaltes Meerwasser trifft und dabei Minerale auskristallisieren. Die Black Smoker sind also so etwas wie die Sonne der Tiefsee.

    An der Universität München hat Professor Jörg Overmann die seltsamen Bakterien genauer erforscht und herausgefunden, dass sie ein Bakterienchlorophyll und verschiedene Carotinoide für die Photosynthese einsetzen. Das Bakterienchlorophyll sammelt dabei die eher langwellige Thermostrahlung, während die Carotinoide das grüne Spektrum der Sonoluminizenz ausnutzen.

    Die Ergebnisse könnten auch ein neues Licht auf den Ursprung der Photosynthese und des Lebens auf der Erde überhaupt werfen. Seit der Entdeckung des Ökosystems an den Black Smokern vor 28 Jahren wird gilt es als möglich, dass das Leben nicht in den flachen, lichtdurchfluteten Zonen der Meere entstanden ist, sondern verborgen, aber gut geschützt in der Tiefsee, an den heißen, untermeerischen Quellen. Jetzt müssen Forscher auch darüber nachdenken, ob die Black Smoker vielleicht der Ort sind, der für die Erfindung der Photosynthese in Frage kommt. Die Paläontologen jedenfalls haben ein neues Betätigungsfeld gefunden.