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Die Schweinegrippe breitet sich aus

Seit der Panik während der Vogelgrippe liegen bei Krankenhäusern und Gesundheitsämtern Notfallpläne in der Schublade. Auch genügend Vorräte des Grippemedikaments Tamiflu sind vorhanden. Doch das neue Grippevirus scheint sich sehr schnell auszubreiten. Wie gut ist Deutschland gegen eine drohende Pandemie gerüstet?

Von Volkart Wildermuth und Brigitte Scholtes |
    Der Arbeitsstab Schweine-Influenza beim Berliner Gesundheitssenat: Arbeitsstab wohlgemerkt - nicht Krisenstab. Auf Konferenztischen stehen ein halbes Dutzend Computer, eine Landkarte von Mexiko hängt an der Wand. In das Büro werden immer wieder neue Papiere mit aktuellen Daten zur Schweinegrippe hereingereicht. Auch per Telefon halten sich die Mitarbeiter auf dem Laufenden. Über allem wacht Detlef Cwojdzinski, der Leiter Stabsorganisation im Gesundheitssenat.

    "In diesem Zusammenhang wird in diesem Stabsraum die Lage dargestellt, insbesondere die Situation im internationalen Bereich; in Mexiko und in den amerikanischen Staaten. Wir dokumentieren hier an einer Pinnwand alle Aufgaben, die in irgendeiner Form von uns zu erledigen sind. Im Einsatztagebuch werden alle wesentlichen Entscheidungen, die wir hier im Raume treffen, dokumentiert. Wir erstellen hier die Dienstpläne für die Mitarbeiter, die hier im Augenblick zwölf bis vierzehn Stunden am Tag arbeiten."

    Trotz dieses enormen Arbeitspensums und immer neuer Meldungen von Neuinfizierten weltweit - von Aufregung keine Spur. Der Arbeitsablauf im Berliner Arbeitsstab Schweine-Influenza wirkt routiniert. Man ist vorbereitet.

    Das, so die Infektionsschutzbeauftragte des Landes Berlin, Dr. Malen Sukau, ist vor allem der Vogelgrippe zu verdanken. 2005 war die Aufregung groß. Das Robert-Koch-Institut entwickelte einen Pandemieplan für Deutschland, der dann von den einzelnen Bundesländern auf ihre Region heruntergebrochen wurde.

    "Das ist natürlich ein ganz anderes Arbeiten, als wenn einen so ein Szenario überfällt. Das heißt, wir haben unseren Plan gezückt - und arbeiten den jetzt ab."

    Abarbeiten, dass heißt im Moment vor allem Informationen sammeln und verteilen, an die Hotline für besorgte Bürger, an die anderen Behörden, vor allem an die Ärzte und Krankenhäuser. Die müssen jetzt ihre eigenen Pandemiepläne aus der Schublade holen und aktualisieren. Konkret wird derzeit an den Flughäfen nach Grippepatienten aus Mexiko gesucht.

    "Der Flughafen ist seit Sonntagabend darauf vorbereitet. Es gibt keine Eingangskontrollen und auch keine Thermoscanner, wie wir das aus Japan gehört haben, weil man einfach weiß, dass das keinen Effekt gebracht hat. Das heißt, der Flughafen ist darauf vorbereitet, wenn tatsächlich kranke Personen dort auftauchen, wie man diese sehr schnell einem Arzt vorstellt und wie man auch vor allen Dingen andere Personen, die mit diesem Erkrankten unterwegs waren, kontaktiert und dann auch vor allem über nötige Maßnahmen informiert."

    Personen mit Grippesymptomen werden mit dem Krankenwagen in das Infektionszentrum der Berliner Charité gefahren. Das Robert-Koch-Institut analysiert dann innerhalb von zwölf Stunden einen Abstrich auf das neue Grippevirus. Parallel wird der Patient schon mit Medikamenten behandelt. Bestätigt sich der Verdacht, wie bei den drei ersten deutschen Patienten aus Bayern und Hamburg, bleibt der Kranke zunächst isoliert. Das Gesundheitsamt sucht die Angehörigen und Kontaktpersonen auf. Auch sie erhalten vorsorglich Medikamente, um mögliche Infektionsketten schnellstens zu unterbrechen.

    Berlin hat seine Hausaufgaben gemacht, genauso wie die anderen Bundesländer. Die zentrale Koordination übernimmt das Robert-Koch-Institut. Alle Informationen laufen in der Abteilung Infektionsepidemiologie zusammen. Deren Leiter Dr. Gérad Krause will noch keine Prognosen über den Verlauf der Epidemie abgeben.

    "Ganz ehrlich können wir das im Moment nur ganz schwer einschätzen."

    Es sind einfach noch zu viele Fragen offen.

    "Wer hat sich möglicherweise an wem aninfiziert? Wie lang hat das gedauert, bis die Erkrankung ausgebrochen ist? Welche Personen sind es, die schwer erkranken? Welche Altersgruppen sind vor allem betroffen? Sind Personen, die vielleicht den Impfstoff bekommen haben, weniger häufig erkrankt als Personen, die den Impfstoff nicht bekommen haben? All diese Fragen spielen eine ganz wesentliche Rolle."

    Forscher aus Mexiko, den USA und von der Weltgesundheitsorganisation suchen in Mexiko fieberhaft nach Antworten, aber es wird wohl noch einige Wochen dauern, bis klar ist, wie gefährlich die neue Grippe eigentlich ist.

    Grippeviren sind extrem wandelbar. Jedes Jahr entstehen neue Stämme mit etwas veränderten Eigenschaften, die dann die saisonale Grippeepidemie auslösen. Und die ist gefährlich genug. Jeden Winter sterben zwischen 5000 und 8000 Menschen in Deutschland an der Influenza. Bei besonders heftigen Ausbrüchen, wie im Winter 1995/96, kann die Zahl der Grippetoten aber auch auf 30.000 steigen. Das es nicht mehr sind, liegt vor allem daran, dass sich das Immunsystem der meisten Menschen schon mit ähnlichen Viren auseinandersetzen konnte. Gegen Vogel- oder Schweinegrippeviren gibt es in der Bevölkerung dagegen kaum Abwehrkräfte. Deshalb ist es so problematisch, wenn ein Grippevirus aus dem Tier plötzlich Menschen infiziert.

    Dazu ist das neue Virus aus Mexiko offenbar in der Lage. Sein Erbgut besteht aus einer Mischung von Genen verschiedener Viren, die normalerweise entweder Schweine, den Menschen oder Vögel befallen. Eine solche Mischung entsteht, wenn die unterschiedlichen Erreger gleichzeitig eine Zelle infizieren und dabei große Genblöcke austauschen. Solche Mehrfachinfektionen finden häufig in Asien statt, wo Menschen, Vögel und Schweine auf engem Raum zusammenleben.

    Asien ist der Ursprung der jährlichen Grippeepidemie und der Vogelgrippe. Mexiko stand bislang nicht im Fokus der Grippeforscher, dabei ist gerade die Schweinegrippe auf dem amerikanischen Kontinent weit verbreitet, erläutert Regine Heilbronn, Professorin für Virologie an der Berliner Charité.

    "…, sodass die Chancen höher sind, dass ein solches Virus mutieren kann. Und das ist wohl das naheliegendste Szenario, wie dieses Virus sich verändert hat. Und dann in ländlichen Regionen, durch den Kontakt zu Tieren in der Tierhaltung, wird das Virus möglicherweise auf einen Menschen übergegangen sein und sich von da aus weiterverbreitet haben."

    …und das recht schnell. Dieser Punkt erfüllt Regine Heilbronn mit Sorge.

    "Die Fähigkeit, sich schnell von Mensch zu Mensch auszubreiten, ist das wesentliche Charakteristikum. Unter diesem Aspekt ist dieses Virus schon deutlich weiter in Richtung Pandemievirus vorangeschritten, im Vergleich zu dem Vogelgrippevirus, vor dem wir uns alle gefürchtet haben, das aber nur einzelne Infektionen vom Huhn auf den Menschen ausgelöst hat - aber nie, oder nur sehr, sehr selten von Mensch zu Mensch übertragbar war."

    Das neue Virus ist also schnell, ob es aber auch aggressiv ist, kann derzeit noch niemand sagen. In Mexiko kam es zu vielen Todesfällen. In allen anderen Regionen waren die Krankheitsverläufe dagegen eher mild. Das kann verschiedene Ursachen haben, vielleicht gibt es verschiedene Untergruppen des Virus', vielleicht hat aber auch die schnelle Information aus Mexiko die Ärzte in den USA und Kanada vorgewarnt, sodass sie die Infizierten schnell entdecken und wirksam behandeln konnten.

    Das neue Virus ist eben noch nicht einzuschätzen. Gérard Krause sieht aber auch Faktoren, die eine mögliche Epidemie eindämmen könnten.

    "Für uns spielt… also dafür dass man weniger Sorgen hat, spielt die Tatsache eine Rolle, dass wir hier in der Nordhalbkugel jetzt in die Sommersaison hineinkommen; dass typischerweise in dieser Zeit klimatisch bedingt, die Übertragung von diesen Viren schwerer ist. Gleichzeitig spielt für uns eine Rolle, dass, da es jetzt keine Influenza mehr gibt, wir mögliche Fälle sehr schnell entdecken würden - und sehr schnell unterscheiden würden. Diese beiden Faktoren sind also sehr zu unseren Gunsten, dass wir zumindest hierzulande das Problem ganz gut eindämmen werden können."

    Entscheidend ist aber, so Regine Heilbronn, ruhig und wachsam zu bleiben.

    "Wir sollten uns so viele Sorgen machen, dass wir Vorsorgemaßnahmen ergreifen - und die beginnen schon bei ganz einfachen Dingen, die jeder für sich alleine tun kann: Händewaschen mit Seife, Seife inaktiviert das Virus; versuchen, Abstand zu Menschen zu halten, die ganz offensichtlich Atemwegsinfektionen haben. Das sind einfache Maßnahmen, die man ergreifen kann, und wenn man das Gefühl hat, man hat die typischen Symptome - trockener Husten, Fieber, allgemeines Krankheitsgefühl vielleicht Muskelschmerzen, Kopfschmerzen -, dann sollte man rechtzeitig zum Arzt oder in die Klinik gehen, damit untersucht werden kann, ob es sich um die Infektion handelt."

    Alle Kliniken in Deutschland sind auf mögliche Patienten mit der neuen Schweinegrippe eingestellt, so auch das Berliner St. Josephs Krankenhaus. Dessen Pandemiebeauftragter Dr. Jochen Heinz beschreibt, was im Ernstfall passieren würde:

    "Wir stehen jetzt hier vor dem Gebäude der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Auf der linken Seite sind die stationären Versorgungen, die bleiben so wie sie sind. Der rechte Gebäudeteil ist für die ambulanten Patienten vorgesehen - und der kann relativ schnell leer gemacht werden. - Wir sind jetzt hier drin und sind im rechten Gebäudeteil: Wir sehen hier den Eingang, hier können wir eine Schleuse einrichten durch Folienabklebung, wo die Mitarbeiter sich einschleusen können, der ganze Trakt hier im Erdgeschoss wird dann geräumt und die Patienten, die infizierten Patienten kommen dann von hinten durch die Tür hier herein - und müssen dann nicht das Krankenhaus sozusagen anderweitig betreten."

    So bleiben die Grippepatienten die ganze Zeit isoliert. In Übungen ist es Jochen Heinz und seinem Team gelungen, die Schleusen in nur zwei Stunden aufzubauen.

    "So wir haben jetzt den Container aufgeschlossen und sie sehen hier die Materialien, die wir brauchen. Unten sind die Sachen, die wir für die Errichtung der Schleuse benötigen, sowie, was sie hier sehen gelb eingepackt, zwei Schutzanzüge als Erstmaßnahme. Dann sind hier die Materialien zur Untersuchung, zur Desinfektion der Patienten und oben auch die Erster-Notfall-Medikamente, Infusionen hauptsächlich, venöse Zugänge, was man eben primär braucht. Das ist wie gesagt nur für den sogenannten Erstangriff, wenn mehr Patienten dann auftauchen, werden wir natürlich entsprechend nachrüsten. Da ist auch die Zeit bei der Pandemie, weil es sich nicht um eine akute plötzliche Sache handelt, wie ein Anschlag oder ein Massenunfall, sondern wir haben dann Zeit, entsprechende Materialien weiter hierher zu bringen."

    Material, dazu gehört auch das Grippemedikament Tamiflu. Erfahrungen aus den USA zeigen, dass das neue Schweinegrippevirus wirksam mit diesem Mittel behandelt werden kann. Derzeit gibt es genug Tamiflu auf dem Markt. Zusätzlich hat der Berliner Senat, wie die anderen Bundesländer auch, nach der Diskussion um die Vogelgrippe große Mengen dieses Medikaments eingelagert. Das war teuer und entsprechend umstritten. Jetzt ist die Infektionsschutzbeauftragte Marlen Sukau froh über das zusätzliche Sicherheitsnetz. Im Notfall kann sie 20 Prozent der Berliner mit den Vorräten behandeln lassen.

    "Nun liegt die Frage förmlich im Raum: Was macht man mit den anderen 80 Prozent der Bevölkerung? Aber die lässt sich sehr einfach erklären - und zwar gehen wir davon aus, alle Wahrscheinlichkeiten sprechen dafür, dass circa 30 Prozent der Bevölkerung erkranken werden, das heißt, ich brauche gar nicht 100 Prozent für die gesamte Bevölkerung. Und dann ist es einfach auch ein Erfahrungswert, dass nicht alle Personen so schwer erkranken, dass sie auch zum Arzt gehen und tatsächlich auch therapiert werden müssen. Fazit ist, für jeden der in Berlin erkranken sollte, gibt es dann auch die entsprechende Therapie."

    Die Berliner Grippemedikamente werden an einem zentralen Ort gelagert. Wo? Das bleibt geheim. Sollte die Schweinegrippe tatsächlich Berlin erreichen, soll die Verteilung der Medikamente schließlich nicht unter dem Druck der Straße - sondern nach den Vorgaben des Pandemieplans -geschehen, um mit begrenzten Mitteln den größten Effekt zu erzielen. Dazu gehört, dass Ärzte und Krankenschwestern als erste behandelt werden, damit sie sich effektiv um die Patienten kümmern können. Ähnliche Regelungen werden auch für die Verteilung eines Impfstoffes gelten. Derzeit wird das neue Schweinegrippevirus noch in Speziallaboratorien charakterisiert. Wenn es sich als extrem gefährlich herausstellt, könnte ein Impfstoff in drei bis fünf Monaten zur Verfügung stehen, schätzt die Virologin Regine Heilbronn.

    "Impfstoffkapazitäten und Produktionskapazitäten, darauf sind die Firmen weltweit eigentlich vorbereitet, auch für den Pandemiefall - und auch drauf, relativ kurzfristig ihre Kapazitäten soweit auszuweiten, dass man vielleicht jetzt nicht für jeden Menschen auf der Erde, aber für große Teile der Bevölkerung und vor allem für solche, die in Schlüsselpositionen tätig sind gerade im Gesundheitswesen oder zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Polizei, Feuerwehr… Diese Menschen müssen geimpft sein, weil sie ja denjenigen, die krank werden, auch helfen sollen."

    Auch wenn die Weltgesundheitsorganisation heute den Auftrag zur Herstellung eines neuen Impfstoffes erteilen würde, er könnte erst zur Verfügung stehen, wenn das Schweinegrippevirus in einer zweiten Welle rund um den Globus Menschen infiziert. Eine mögliche erste Welle muss mit den klassischen Methoden der Infektionsbiologie überstanden werden. Die wichtigsten sind persönliche Hygiene und die schnelle Behandlung der Infizierten und Kontaktpersonen - und darauf ist Deutschland gut vorbereitet.

    Zur Panik besteht also kein Anlass, aber zu Wachsamkeit. Das zeigen auch die Fälle der Schweinegrippe, die bislang in Deutschland bekannt geworden sind. In den nächsten Wochen werden Marlen Sukau und der Berliner Arbeitsstab Schweine-Influenza also sicher weiter mit Hochdruck arbeiten.

    "Wir sind alle mit vollem Engagement bei der Sache. Dabei wissen wir, es ist ein Szenario, das sich zu einer ernsteren Lage entwickeln kann. Darum nehmen wir das nicht auf die leichte Schulter, aber wir wissen alle, dass das, was wir tun, notwendig und sinnvoll ist. Ich bin sehr, sehr froh, dass wir diese Länderpläne haben und jetzt damit in der Lage sind, sinnvoll auf die Ereignisse zu reagieren."

    Was bedeutet die "Neue Grippe" für die Wirtschaft? Wer profitiert von der aktuellen Situation? In erster Linie die Produzenten der bislang bekannten antiviralen Therapeutika gegen diese Grippeform: Tamiflu des Schweizer Herstellers Roche und Relenza von Glaxo Smith Kline sind die beiden einzigen Grippemittel, die nach bisherigen Erkenntnissen auch gegen den Virus H1/N1 wirksam sind. Die Entwicklung von Tamiflu hat sich für Roche auf jeden Fall rentiert, meint Thomas Schiessle vom unabhängigen Analysehaus equit's. Tamiflu war schließlich auch gegen die 2003 grassierende Vogelgrippe mit Erfolg eingesetzt worden.

    "Tamiflu ist einer der Ergebnisbringer bei Roche schlechthin. Und das wird auch für die nächste Generation und weitere solcher Art Medikamente gelten."

    Neben den Herstellern dieser Produkte sind es aber auch andere Unternehmen der Pharmabranche, die zu den Gewinnern zählen dürften, meint Peter Lugauer, Analyst der Dresdner Bank.

    "Insgesamt könnte die Nachfrage nach Impfstoffen generell wieder anziehen, nachdem ja 2005 und 2006 sehr viele Staaten Depots aufgebaut hatten, aus Angst vor der Vogelgrippe."

    So arbeitet die Schweizer Novartis offensichtlich an der Entwicklung eines Impfstoffs gegen die Schweinegrippe, das Unternehmen spricht von "zuversichtlichen Forschern". Novartis hofft, einen entsprechenden Impfstoff in drei Monaten entwickeln zu können. Selbst wenn hoffentlich die Pandemiegefahr nicht weiter steigt, lohnt sich für die Pharmaunternehmen der höhere Aufwand dennoch, meint Analyst Schiessle.

    "Es zeigt, dass solche Massenindikationen, also Krankheiten, die eine große Zahl von Patienten treffen, dass das ein wirtschaftlich interessantes Betätigungsfeld ist. Es kann natürlich sein, dass in solchen Krisenfällen, wenn es sich um eine weltweite Ausbreitung in rasender Geschwindigkeit darstellt, dass eine solche Krankheit natürlich dann auch politische Aspekte bekommt, sprich, die Medikamente und ihre Preise werden politisch dann festgelegt, gleichwohl auch der politisch festgelegte Preis ist dann für das Unternehmen, auch wenn es schmerzlich weniger ist als ursprünglich gedacht, immer noch ein Geschäft. Davon kann man ausgehen."

    Und Peter Lugauer von der Dresdner Bank verweist noch auf einen weiteren Aspekt.

    "Das ist so, dass man tatsächlich jetzt hier bei den größeren Chargen auch bei der Abnahmemenge natürlich entsprechende Rabatte an die Region geben muss. Umgekehrt natürlich muss man sehen, dass man weder Vertrieb noch irgendwelche Marketingkosten hat. Es geht also nur um die reine Logistik. Insofern ist das natürlich schon eine sehr angenehme Situation für die Pharmaunternehmen - und ich gehe davon aus, dass es auch für die Aktien mittelfristig durchaus noch mal einen Rückenwind [gibt]."

    Auch Laborausstatter, wie die amerikanische Euroscience oder die niederländisch-deutsche Qiagen, die Testlösungen entwickelt, könnten zu den Gewinnern zählen. Qiagen etwa rechnet mit steigenden Umsätzen. Das Unternehmen hatte ein weltweit führendes Verfahren zum Nachweis der Vogelgrippe entwickelt, als auch den ersten Test zum Nachweis der Lungenkrankheit SARS. Die Wirkungen für die gesamte Branche könnten nachhaltig sein, meint Lugauer.

    Zudem profitieren die Unternehmen von einem Reputationsgewinn. Doch wissen auch die Ökonomen, dass ein Aufschwung für die Pharmabranche nicht die Nachteile aufwiegen würde, die eine Pandemie für die Wirtschaft bedeuten würde. Das zeigen Erfahrungen der Vogelgrippe, auch wenn die damals im Wesentlichen begrenzt war auf China und Hongkong, meint Andreas Scheuerle, Volkswirt der Dekabank.

    "Dort stellten wir fest, dass das Konsumentenvertrauen kollabierte, dass die Menschen zu Hause blieben, um der Ansteckungsgefahr zu entgehen, was sich negativ auf den Handel auswirkte - und sie vermieden öffentliche Verkehrsmittel. Also auch dieser Sektor sollte unter Druck kommen dann."

    Konsum jedoch wird man nachholen, nicht angetretene Reisen wohl weniger. Das Extremszenario aber wäre ein Stillstand der Produktion, der angeordnet werden könnte, damit weitere Ansteckungsgefahren minimiert werden. Damit rechnen die Volkswirte zwar noch nicht, aber eine Pandemie wäre das Letzte, was die angeschlagene Weltwirtschaft brauchen könnte, die in der schlimmsten Krise seit langem steckt, meint Scheuerle:

    "Konsumzurückhaltung ist natürlich in der gegenwärtigen Situation das, was man überhaupt nicht brauchen kann, da die Exportwirtschaft ohnehin schon am Boden liegt, also: Es ist eine ganz schlechte Phase derzeit."