Archiv


Die schwere Geburt der Stiftung Baukultur

Die Initiative zur Gründung einer nationalen Stiftung Baukultur hat schon vor seiner Herbsttagung in Berlin einige Häme einzustecken. Bürokratismus wird ihr vorgeworfen, mit nicht mehr als vereinsmäßigem Postengeschiebe rechnet etwa die Süddeutsche Zeitung. Dabei täte mehr Bewusstsein für die gebaute Umwelt in Deutschland durchaus not.

Von Beatrix Novy |
    Jede gut erhaltene alte Stadt, jeder intakte Ortskern zeigt Baukultur als etwas, was jahrhundertelang im relativ freien Spiel der Kräfte und Egoismen entstand, aber doch in einer Art kulturellen Einverständnisses, das heute gründlich verloren gegangen ist. Als Ersatz dafür gibt es seit sechs Jahren ein Einverständnis darüber, dass Baukultur in Deutschland fehlt, dass sie aber dringend vonnöten ist und gefördert werden muss, nämlich durch eine Stiftung Baukultur. Eine nationale Stiftung, die alle Kräfte im Dienst einer humanen und ästhetischen Gestaltung zusammenbringt, die gutes Planen und Bauen jenseits groß gefeierter Event- und Stararchitektur im Bewusstsein verankert, zum Beispiel durch ein Schwarz-Weiß-Buch mit schrecklichen und gelungenen Beispielen - dabei optimistisch voraussetzend, dass man sich über das Wesen guten Bauens schon einigen werde -; eine Stiftung, die sich an den privaten Bauherren mit seiner fatalen Vorliebe für feudale Garagentore und Klinker ebenso richtet wie an Gemeinden, Planer, Architekten, Handwerker, an Bauwirtschaft, Investoren und gemeinnützige Bauträger ebenso wie an die Schulen - denn auch der Wunsch, Umweltgestaltung als Schulfach eingeführt zu sehen gehörte in diese erste umfassende Attacke auf das deutsche Herumwurschteln zwischen Heimwerkermarkt und Gemeindeklüngel. Andere Länder, die es besser haben, dienten zum Vergleich: Holland, das junge Architektur staatlich unterstützt und dabei viel Mut zum Experiment beweist, Frankreich mit großen Staatsprojekten und strengen Qualitätsmaßstäben, Finnland, wo gar das Recht auf eine anständig gebaute Umwelt verbrieftes Bürgerrecht ist.

    Die Stiftung Baukultur gibt es zur Stunde immer noch nicht, dafür hat sie eine lange und etwas verwirrende Vorgeschichte, die dem ohnehin nicht glatt einleuchtenden Konzept erheblich den Schwung nahm: Da war die Initiative Architektur und Baukultur des Bundesbauministeriums, die 2001 den ersten Kongress ausrichtete, dann der aus vielen Einzelnen und Institutionen bestehende Konvent der Baukultur, der alle 2 Jahre zusammenkommen soll, was aber erst einmal, 2003, gelang - 2005 kamen die vorgezogenen Wahlen dazwischen. Der Förderverein Bundesstiftung Baukultur e.V. schließlich überbrückt die Wartezeit, die sich im letzten Jahr noch einmal verlängerte, weil der Bundesrat auf die Kulturzuständigkeit der Länder pochte. Der Förderverein wird aber der Stiftung, wenn sie - wie jetzt doch zu erwarten ist - nächstes Jahr ihre Arbeit aufnimmt, erhalten bleiben, wird sie begleiten und unterstützen. Eine Tagung des Fördervereins diese Woche zeigt, wie das geht. Zum einen bekräftigen Politiker und Fachleute in bewährter Art die allseitige Entschlossenheit, Baukultur voranzubringen - das Stichwort Netzwerk gehört hier unbedingt dazu. Zum anderen wird es konkret: Neun lobenswerte Bau-Beispiele der letzten Zeit werden präsentiert, jeweils für eine Sparte wie "Baukultur in der Kommune" oder "Baukultur in der Wohnungswirtschaft" oder "Baukultur in der Landschaftsarchitektur". Es stellen sich vor die Stadt Weingarten, die Stiftung Denkmalschutz, das Büro Allmann, Sattler, Wappner usw. - ein Vorschein auf den weißen Teil des Schwarz-Weiß-Buchs sozusagen. Aber der gute Brauch, vorbildliche Leistungen zu würdigen, musste nicht erst erfunden werden - viele Preise in verschiedensten Gattungen sind darauf ausgeschrieben, so wie überhaupt Baukultur das passioniert umkämpfte Thema unzähliger BdA-, Werkbund- und Bürgerinitiativ-Abende ist. Noch ist nicht klar, was eine nationale Stiftung dieser Debattenkultur zufügen könnte; was sie überhaupt tun kann, zum Beispiel gegen Ökonomisierung, Sparzwang und gleichgültiges Investorentum. Verständlich, wenn die Süddeutsche Zeitung sich hier außer einem vereinsmäßigen Posten- und Pöstchenschacher nicht viel erwartet.

    Aber kann man es wissen? Erst wenn die Stiftung steht, wird sie eine Richtung zeigen können, heißt es beim Förderverein. Denn dann kommt es darauf an, wer sie leitet und welche Themen beim Schopf gegriffen werden. Es steht in den Sternen, wie eine zentral agierende nationale Institution, etwas in Deutschland so Ungewohntes, ankommt und vielleicht doch, wenn auch langsam, mit Lob und Tadel Aufmerksamkeit erzeugt. Vielleicht sogar Respekt vor einem Label, auf dem Stiftung Baukultur draufsteht. Mehr zu erwarten wäre für den Moment vermessen.