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"Die sind schneller im Reagieren"

Computer.- Moshe Rapoport ist Trend- und Technologiefachmann bei den IBM-Forschungslabors in Zürich. Der Amerikaner ist der Überzeugung, dass Kinder und Jugendliche, die schon früh mit Computern in Kontakt kommen, später einen Vorteil im Berufsleben haben.

Moshe Rapoport im Gespräch mit Manfred Kloiber |
    Manfred Kloiber: Was macht ihn aus, einen digital Native? Und was macht ihn so interessant, dass sich Forschungseinrichtungen und Firmenstrategen mit diesem Wesen beschäftigen? Das habe ich Moshe Rapoport gefragt. Er ist Amerikaner und arbeitet als Trend- und Technologieexperte bei den IBM-Forschungslabors in Zürich.

    Moshe Rapoport: Die digital Natives sind praktisch aufgewachsen mit allem rund um Computer, Computing, alles rund um Elektroniksachen und so weiter, fühlen sich sehr zu Hause mit diesen Sachen, haben keine Schwellenangst, können sich sehr schnell orientieren. Und das hat für die Zukunft, für das kommerzielle Computing, eine große Bedeutung.

    Kloiber: Wie charakterisieren Sie denn digital Natives insgesamt? Also was für eine Personengruppe ist das?

    Rapoport: Praktisch gesehen sind das fast alle, die in den letzten Jahren geboren sind und sich schon von Kindesbeinen auf sehr viel mit Computern und Spielen und solchen Sachen beschäftigt haben. Und wie gesagt, haben keine Schwellenangst mit Computern und allem Digitalen umzugehen.

    Kloiber: Spielen ist ja dabei auch eine Schlüsselfähigkeit. Warum ist das wichtig, dass diese Kinder, diese Jugendlichen, jungen Erwachsenen, so viel Computerspiel-Erfahrung haben?

    Rapoport: Wichtig weiß ich nicht, ob es das ist, aber praktisch ist es so, dass sie sich durch spielen sehr angenährt haben an die Digitaltechnik. Dann trägt sich das nachher rüber ins Geschäftsleben. Erstens, wie schon gesagt, dass sie keine Schwellenangst haben, alles mit Computern zu machen. Aber vor allem: Die sind schneller im Reagieren und vielleicht auch im Denken, können vielleicht eine gewisse Freude haben, risikoreiche Sachen zu machen, die sie schon sehr viel geübt haben mit den Computerspielen. Sind nicht allzu enttäuscht wenn sie ein Spiel verloren haben, weil das gehört quasi zum Spiel. Und da sie das sehr oft geübt haben, wird das nachher ein Teil von ihrer Denkweise und Handlungsweise, auch wenn sie erwachsen sind. Das kann sich auch nachher ins Geschäftsleben übertragen.

    Kloiber: Aber das Geschäftsleben wird ja nicht als Computerspiel oder als Spiel betrachtet. Wie wird sich das auswirken, dass da diese Fähigkeiten so gut ausgeprägt sind?

    Rapoport: Wahrscheinlich geht’s um Schnelligkeit, schnell entscheiden – manchmal zu schnell. Es kann sich austragen, indem dass sie Informationen sehr oberflächig betrachten und nicht in aller Tiefe, nehmen sich nicht Zeit, sich in die Sachen zu vertiefen, sondern wollen lieber eine schnelle Entscheidung als eine überlegte Entscheidung. Das kann Risikofreudigkeit hineinbringen in ihre Entscheidungen und eben ein bisschen zu wenig Angst, zu verlieren. Das heißt, wenn etwas schief geht - es war nur ein Spiel, sozusagen. Unsere Generation, die Immigrants, hat eine gewisse Erfurcht gehabt vorm Verlieren und so weiter. Ich glaube, die Jungen sehen das nicht so wie wir. Das stelle ich immer wieder fest, wenn ich mit ihnen rede. Auch im Geschäfstleben, ja, ich hab es probiert. Es ist gelungen, es ist nicht gelungen, so what? Also, was soll's denn?

    Kloiber: Macht sich denn dieser Unterschied, den sie beschrieben haben, zwischen digital Natives und den digital Immigrants auch irgendwie in Produkten, zum Beispiel der Computerbranche, bemerkbar?

    Rapoport: Absolut. Und zwar auf verschiedene Arten. Die digital Immigrants, Leute in meinem Alter, tun sich mit jedem neuen Computersystem etwas schwer, bis man sich gewöhnt an die Benutzeroberfläche, bis man versteht, was man tun darf, was man nicht tun darf, während die Jungen, ... die orientieren sich im Nu, was man muss drücken, was man muss tun und so weiter, haben auch keine Angst etwas falsch zu machen. Und bei der Handhabung von diesen Sachen. Außerdem möchten die jungen Leute gern ihre Informationen auf verschiedenste Arten präsentieren, sei es Grafik oder Musik oder Filme oder Spiele oder gemeinsam Sachen tun, die von den digital Immigrants vielleicht nicht so verstanden werden oder benutz werden.

    Kloiber: Viele Kritiker sagen, digital Natives, das ist eigentlich nur ein Hype-Wort. Wie sehen Sie das: ist das wirklich ein substanzieller Begriff?

    Rapoport: Als Hype kann man folgendes sagen: Ja, es ist im Moment in vieler Mund. Es wird mit der Zeit wahrscheinlich auch wieder abnehmen. Aber diese Kluft zwischen den Leuten, die früher geboren wurden und mit Computern immer noch eine gewisse Angst haben, mit dem Umgehen und die jungen Leute, die überhaupt keine Angst haben und auch mit dem Spielen aufgewachsen sind, die ist gegeben und wird kaum weggehen – auch wenn der Hype längst weg ist. Und damit müsste IBM als Firma – überhaupt die Industrie – muss mit dem umgehen, dass wir diese zwei Benutzergruppen haben, sei es innerhalb der Firma, sei es außerhalb – unsere Kunden der Zukunft, die werden auch quasi diese Zweiteilung haben. Leute, die Freude haben, alles digital, alles schnell und Leute, die bisschen Berührungsangst haben, die wird nicht so schnell verschwinden. Auch wenn der Hype weg ist.

    Kloiber: Moshe Rapoport war das von den IBM-Forschungslabors in Zürich.