aus Pulp Fiction: "You will know my name is the Lord when I lay my vengeance upon thee:”
Denis Scheck: Die aktuelle Spiegel-Bestseller-Liste Belletristik:
Gisa Funck: heute mit saisonal bedingtem hohem Schmalz-Faktor, einem amerikanischen Jesus, der Sandwiches isst und anderem erbauungsliterarischem Religionskitsch, Büchern, die auf dem Mond spielen und hinter den sieben Bergen irgendwo im Allgäu sowie Anmerkungen über den Unterschied zwischen Fleisch und Plastik im Mittelalter.
Gisa Funck:
In diesem Monat bringen die zehn meistgelesenen Romane der Deutschen 5 Kilo und 235 Gramm auf die Waage: zusammen 5854 Seiten.
Gisa Funck: Platz 10: Cecilia Ahern: "Zeit deines Lebens" (Deutsch von Christine Strüh, Krüger Verlag, 362 Seiten, 16,95 Euro)
Denis Scheck: Ein guter Satz findet sich ja in diesem Roman, und zwar auf Seite 143:
Gisa Funck: "Sinn und Verstand waren mit den Rauchern nach draußen gegangen, und da standen sie und fröstelten, überlegten, ob sie ein Taxi rufen sollten, sahen sich aber gleichzeitig nach jemandem um, der sie mit nach Hause nehmen und nett zu ihnen sein würde."
Denis Scheck: Nur leider muss sich jener Satz in diesem penetrant moralisierenden Buch über einen Engel, der das Leben eines karrierefixierten Kapitalismusmonsters in die richtige, und das heißt natürlich kleinfamilientaugliche Richtung umzusteuern trachtet, einsam, sehr einsam fühlen. Im Grunde mutterseelenallein.
Gisa Funck: Platz 9: Sabine Ebert: "Blut und Silber" (Droemer Verlag, 731 Seiten, 19,95)
Denis Scheck: Aufregend, bunt und faszinierend war die Zeit am Ende des 13. Jahrhunderts für die Menschen in Deutschland. Nur leider nicht in dieser endlos öden und in armseligem Stammelsprech verfassten Mittelalterschwarte. Sabine Ebert schreibt nicht über Menschen, sondern über Plastikritter, die in Plastikburgen wohnen und Plastiksätze sagen wie:
Gisa Funck: "Verzeiht, Schönste, aber ich habe meine Pflicht zu tun"
Denis Scheck: oder:
Gisa Funck: "Nimm das für meine toten Freunde!"
Denis Scheck: Nimm das, Buch, für meine schöne vergeudete Zeit!
Gisa Funck: Platz 8: Kathrin Schmidt: "Du stirbst nicht" (Verlag Kiepenheuer & Witsch, 347 Seiten, 19,95 Euro)
Denis Scheck: Durch eine Gehirnblutung verliert Helene Wesendahl Sprache und Gedächtnis. Mühselig kämpft Helene sich in ihr altes Leben zurück, an ihrer Seite der sie liebevoll umsorgende Ehemann – bis wir Leser mit Helene erfahren, dass sie aus guten Gründen diesen Ehemann im Begriff stand, zu verlassen. Ein psychologisch ausgesprochen raffinierter, grandios konstruierter Roman über Betrug, Verlassen und Verlassenwerden, zu Recht in diesem Herbst mit dem deutschen Buchpreis ausgezeichnet.
MUSIKAKZENT
Gisa Funck: Platz 7: Volker Klüpfel, Michael Kobr: "Rauhnacht" (Piper Verlag 368 Seiten, 17,95 Euro)
Denis Scheck: Im Heimatmuseum der Gegenwart könnte der Allgäuer Kriminalhauptkommissar Kluftinger als Allegorie der Bodenständigkeit durchgehen: dumpf, aber herzensgut, ungeschlacht, aber bemüht, ein geläuterter Kleinbürger mit einem Generalverdacht gegen alles Hochgestochene, Abgehobene. Kluftingers jüngster Fall ist ein recht netter Hotelkrimi, nur leider ganz wie er: letztlich arg harmlos.
MUSIKAKZENT
Gisa Funck: Platz 6: William Paul Young: "Die Hütte" (Deutsch von Thomas Görden, Allegria Verlag, 301 Seiten 16,90 Euro)
Denis Scheck: Niemand Geringeres als Gottvater, Jesus und der Heilige Geist persönlich trösten in diesem elenden Roman einen Mann namens Mack, dessen Tochter Missy ermordet wurde. Widerwärtig frömmelndes Eiapopeia in amerikanisch-evangelikaler Spielart.
MUSIKAKZENT
Gisa Funck: Platz 5: Stephenie Meyer: "Bis(s) zum Ende der Nacht" Stephenie Meyer (Deutsch von Sylke Hachmeister, Carlsen Verlag, 788 Seiten, 19. 90 Euro)
und
Platz 4) Stephenie Meyer: "Bis(s) zum Abendrot" (Deutsch von Sylke Hachmeister, Carlsen Verlag, 557 Seiten, 19, 90 Euro)
Denis Scheck: Zu den vornehmsten Aufgaben der Literatur zählt die Bannung unserer Todesangst. Vermeintlich erzählt das fade Finale dieser mormonischen Vampirsaga von der erfüllten Liebe zwischen dem Menschenmädchen Bella und dem schönen Blutsauger Edward. Tatsächlich schildern diese ästhetisch völlig indiskutablen Romane die Liebe einer narzisstischen Persönlichkeit zu der Idee, niemals zu sterben. Am Ende wissen wir erschöpfte Leser, warum "untot" das Gegenteil von lebendig ist.
Gisa Funck: Platz 3: Herta Müller: "Atemschaukel" (Hanser Verlag, 304 Seiten, 19.90 Euro)
Denis Scheck: Die neue deutsche Literaturnobelpreisträgerin erzählt in "Atemschaukel" erschütternd vom Schicksal der 60.000 Rumäniendeutschen, die im Januar 1945 in sowjetische Arbeitslager verschleppt wurden und dort die Zeche für die Verbrechen der Nazis bezahlten. Dieses Buch hat eine Debatte ausgelöst: Ist es legitim, in einer so wunderschönen Sprache über die Schrecken der Lager schreiben? Man muss nicht, aber man darf: Gerade so teilt sich besonders intensiv eine historische Erfahrung mit, die Anfang des 21. Jahrhunderts zu wenige Deutsche kennen.
Gisa Funck: Platz 2: Frank Schätzing: "Limit" (Verlag Kiepenheuer & Witsch, 1328 Seiten 26 Euro)
Denis Scheck: Ein Fahrstuhl zu den Sternen, ein Hotel auf dem Mond, ein globaler Wettlauf um die wichtigste Energieressource des Sonnensystems: Frank Schätzing gelingt in seinem im Jahr 2025 spielenden Wissenschaftsthriller schwerelose, aber keineswegs leichtgewichtige Unterhaltung.
Gisa Funck: Platz 1: Dan Brown: Das verlorene Symbol (Deutsch vom Bonner Kreis, Lübbe Verlag, 768 Seiten, 26 Euro)
Denis Scheck: Skrupellose Killer, die sich als verlorene Söhne entpuppen, die amerikanischen Freimaurer, deren Mysterien so aufregend wie die geheimen Protokolle der Katzenhilfe Lüdenscheid sind, und schließlich noch die Propagierung der sogenannten "noetischen Wissenschaft", die ein anderes Wort für Scharlatanerie ist: Browns drittes Buch mit dem Symbologen Robert Langdon ist so fad und überraschungslos wie eine Mahlzeit in einer amerikanischen Imbisskette.
Denis Scheck: Die aktuelle Spiegel-Bestseller-Liste Belletristik:
Gisa Funck: heute mit saisonal bedingtem hohem Schmalz-Faktor, einem amerikanischen Jesus, der Sandwiches isst und anderem erbauungsliterarischem Religionskitsch, Büchern, die auf dem Mond spielen und hinter den sieben Bergen irgendwo im Allgäu sowie Anmerkungen über den Unterschied zwischen Fleisch und Plastik im Mittelalter.
Gisa Funck:
In diesem Monat bringen die zehn meistgelesenen Romane der Deutschen 5 Kilo und 235 Gramm auf die Waage: zusammen 5854 Seiten.
Gisa Funck: Platz 10: Cecilia Ahern: "Zeit deines Lebens" (Deutsch von Christine Strüh, Krüger Verlag, 362 Seiten, 16,95 Euro)
Denis Scheck: Ein guter Satz findet sich ja in diesem Roman, und zwar auf Seite 143:
Gisa Funck: "Sinn und Verstand waren mit den Rauchern nach draußen gegangen, und da standen sie und fröstelten, überlegten, ob sie ein Taxi rufen sollten, sahen sich aber gleichzeitig nach jemandem um, der sie mit nach Hause nehmen und nett zu ihnen sein würde."
Denis Scheck: Nur leider muss sich jener Satz in diesem penetrant moralisierenden Buch über einen Engel, der das Leben eines karrierefixierten Kapitalismusmonsters in die richtige, und das heißt natürlich kleinfamilientaugliche Richtung umzusteuern trachtet, einsam, sehr einsam fühlen. Im Grunde mutterseelenallein.
Gisa Funck: Platz 9: Sabine Ebert: "Blut und Silber" (Droemer Verlag, 731 Seiten, 19,95)
Denis Scheck: Aufregend, bunt und faszinierend war die Zeit am Ende des 13. Jahrhunderts für die Menschen in Deutschland. Nur leider nicht in dieser endlos öden und in armseligem Stammelsprech verfassten Mittelalterschwarte. Sabine Ebert schreibt nicht über Menschen, sondern über Plastikritter, die in Plastikburgen wohnen und Plastiksätze sagen wie:
Gisa Funck: "Verzeiht, Schönste, aber ich habe meine Pflicht zu tun"
Denis Scheck: oder:
Gisa Funck: "Nimm das für meine toten Freunde!"
Denis Scheck: Nimm das, Buch, für meine schöne vergeudete Zeit!
Gisa Funck: Platz 8: Kathrin Schmidt: "Du stirbst nicht" (Verlag Kiepenheuer & Witsch, 347 Seiten, 19,95 Euro)
Denis Scheck: Durch eine Gehirnblutung verliert Helene Wesendahl Sprache und Gedächtnis. Mühselig kämpft Helene sich in ihr altes Leben zurück, an ihrer Seite der sie liebevoll umsorgende Ehemann – bis wir Leser mit Helene erfahren, dass sie aus guten Gründen diesen Ehemann im Begriff stand, zu verlassen. Ein psychologisch ausgesprochen raffinierter, grandios konstruierter Roman über Betrug, Verlassen und Verlassenwerden, zu Recht in diesem Herbst mit dem deutschen Buchpreis ausgezeichnet.
MUSIKAKZENT
Gisa Funck: Platz 7: Volker Klüpfel, Michael Kobr: "Rauhnacht" (Piper Verlag 368 Seiten, 17,95 Euro)
Denis Scheck: Im Heimatmuseum der Gegenwart könnte der Allgäuer Kriminalhauptkommissar Kluftinger als Allegorie der Bodenständigkeit durchgehen: dumpf, aber herzensgut, ungeschlacht, aber bemüht, ein geläuterter Kleinbürger mit einem Generalverdacht gegen alles Hochgestochene, Abgehobene. Kluftingers jüngster Fall ist ein recht netter Hotelkrimi, nur leider ganz wie er: letztlich arg harmlos.
MUSIKAKZENT
Gisa Funck: Platz 6: William Paul Young: "Die Hütte" (Deutsch von Thomas Görden, Allegria Verlag, 301 Seiten 16,90 Euro)
Denis Scheck: Niemand Geringeres als Gottvater, Jesus und der Heilige Geist persönlich trösten in diesem elenden Roman einen Mann namens Mack, dessen Tochter Missy ermordet wurde. Widerwärtig frömmelndes Eiapopeia in amerikanisch-evangelikaler Spielart.
MUSIKAKZENT
Gisa Funck: Platz 5: Stephenie Meyer: "Bis(s) zum Ende der Nacht" Stephenie Meyer (Deutsch von Sylke Hachmeister, Carlsen Verlag, 788 Seiten, 19. 90 Euro)
und
Platz 4) Stephenie Meyer: "Bis(s) zum Abendrot" (Deutsch von Sylke Hachmeister, Carlsen Verlag, 557 Seiten, 19, 90 Euro)
Denis Scheck: Zu den vornehmsten Aufgaben der Literatur zählt die Bannung unserer Todesangst. Vermeintlich erzählt das fade Finale dieser mormonischen Vampirsaga von der erfüllten Liebe zwischen dem Menschenmädchen Bella und dem schönen Blutsauger Edward. Tatsächlich schildern diese ästhetisch völlig indiskutablen Romane die Liebe einer narzisstischen Persönlichkeit zu der Idee, niemals zu sterben. Am Ende wissen wir erschöpfte Leser, warum "untot" das Gegenteil von lebendig ist.
Gisa Funck: Platz 3: Herta Müller: "Atemschaukel" (Hanser Verlag, 304 Seiten, 19.90 Euro)
Denis Scheck: Die neue deutsche Literaturnobelpreisträgerin erzählt in "Atemschaukel" erschütternd vom Schicksal der 60.000 Rumäniendeutschen, die im Januar 1945 in sowjetische Arbeitslager verschleppt wurden und dort die Zeche für die Verbrechen der Nazis bezahlten. Dieses Buch hat eine Debatte ausgelöst: Ist es legitim, in einer so wunderschönen Sprache über die Schrecken der Lager schreiben? Man muss nicht, aber man darf: Gerade so teilt sich besonders intensiv eine historische Erfahrung mit, die Anfang des 21. Jahrhunderts zu wenige Deutsche kennen.
Gisa Funck: Platz 2: Frank Schätzing: "Limit" (Verlag Kiepenheuer & Witsch, 1328 Seiten 26 Euro)
Denis Scheck: Ein Fahrstuhl zu den Sternen, ein Hotel auf dem Mond, ein globaler Wettlauf um die wichtigste Energieressource des Sonnensystems: Frank Schätzing gelingt in seinem im Jahr 2025 spielenden Wissenschaftsthriller schwerelose, aber keineswegs leichtgewichtige Unterhaltung.
Gisa Funck: Platz 1: Dan Brown: Das verlorene Symbol (Deutsch vom Bonner Kreis, Lübbe Verlag, 768 Seiten, 26 Euro)
Denis Scheck: Skrupellose Killer, die sich als verlorene Söhne entpuppen, die amerikanischen Freimaurer, deren Mysterien so aufregend wie die geheimen Protokolle der Katzenhilfe Lüdenscheid sind, und schließlich noch die Propagierung der sogenannten "noetischen Wissenschaft", die ein anderes Wort für Scharlatanerie ist: Browns drittes Buch mit dem Symbologen Robert Langdon ist so fad und überraschungslos wie eine Mahlzeit in einer amerikanischen Imbisskette.