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Die Spirale des sterbenden Sterns

Astronomie. - Auch Sterne leben nicht ewig – unsere Sonne etwa wird in gut fünf Milliarden Jahre ihr Dasein beenden. Sie wird sich zum Lebensende aufblähen und dann verlöschen. In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Nature" präsentieren Forscher spektakuläre Beobachtungen eines Sterns, der kurz vor seinem Lebensende steht.

Von Dirk Lorenzen |
    Franz Kerschbaum ist Astrophysiker an der Universität in Wien – jener Stadt, der man eine ganz eigene Beziehung zum Tod nachsagt. Der Forscher hat es im Kosmos jetzt mit einer besonders "schönen Leich" zu tun...

    "Wir schauen ja den Sternen beim Sterben zu. Wir wollen wissen, wie es mit unserer Sonne einmal zu Ende gehen wird. Unser besonderes Lieblingsobjekt ist natürlich jetzt R Sculptoris."

    Dieses Objekt ist ein Roter Riesenstern im Sternbild Sculptor am Südhimmel. Er ist etwa doppelt so schwer wie unsere Sonne und steht kurz vor seinem Lebensende: Der Stern hat sich kräftig aufgebläht und bereits große Mengen an Gas in den Weltraum abgestoßen. Er ist ein perfektes Objekt für Alma, eine Teleskopanlage aus 66 Radioschüsseln, die gerade in den chilenischen Hochanden entsteht und das All im Bereich der Infrarotstrahlung erforscht. Noch während der Alma-Testphase mit nur 16 Schüsseln haben die Astronomen das von R Sculptoris fort geschleuderte Gas so genau beobachtet wie nie zuvor.

    "Da haben wir eine Überraschung erlebt. Normalerweise sollte das so in einer hohlen Hülle davon fliegen, wie so ein Rauchring, der sich ausdehnt. Wir haben bemerkt, dass im Innern dieser hohlen Hülle eine Spiralfigur ist, die dort nicht sein dürfte. Wir haben uns das genau angeschaut und sind darauf gekommen, dass dieser Stern nicht alleine lebt und stirbt, sondern einen Begleiter hat – eine Sterbebegleitung sozusagen. Dieser zweite Stern in der Nähe unseres sterbenden Sterns, der rührt da drinnen beim Massenverlust ein wenig um – und dieses Umrühren haben wir direkt beobachtet."

    R Sculptoris lebt offenbar in einem Doppelsternsystem – um ihn herum kreist ein kleiner, nicht direkt sichtbarer Begleiter. Rechnet man das Tempo der Ausdehnung der Gashülle zurück, so zeigt sich, dass der sterbende Stern vor etwa 1800 Jahren eine kräftige Explosion erlebt hat. Damals konnte im Innern wieder Brennstoff zünden – ähnlich wie bei einem stotternden Motor – und der Stern hat für etwa 200 Jahre viel Material ins All gepustet. Der kleine Begleitstern hat die abströmenden Gasmassen immer wieder durchgepflügt und so die Spiralform entstehen lassen. Kerschbaum:

    "Wir verwenden diesen Effekt dazu, dass man sieht, wie sich der Massenverlust des Hauptsterns verändert hat. So ähnlich wie bei einer Schallplatte: Wenn man der Spur folgt, sieht man, wie sich die Musik verändert hat. Wir können jetzt dieser Spiralspur folgen, die Zeit zurückdrehen in den letzten 1800 Jahren und schauen, wie hat sich die Geschwindigkeit des Gases verändert, wie hat sich die Menge des Gases geändert."

    Der Stern hat die Gasmassen mit etwa 50.000 Kilometern pro Stunde ins All geschleudert und bei diesem Ereignis dreimal mehr Material verloren als bisher angenommen, nämlich etwa das Tausendfache der Masse unserer Erde. Solche Ausbrüche treten bei sterbenden Sterne etwa alle 10.000 bis 50.000 Jahre auf und sind von größter Bedeutung, erläutert Franz Kerschbaum.

    "Wir müssen diese Massenverlustprozesse dieser Sterne deswegen genau verstehen, weil die die Zusammensetzung des ganzen Universums verändert haben. Wenn wir heute wissen, wir leben auf der Erde, dann braucht man dazu Materialien, schwere chemische Elemente wie Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff oder Silizium. Diese Materialien sind im Sterninneren früherer Generationen erzeugt und genau durch solche Massenverlustprozesse verteilt worden. Das Material hat sich dann woanders wieder angesammelt und Planetensysteme sind entstanden, so wie unseres. Darum interessiert uns ein anderer sterbender Stern."

    Auch unsere Sonne wird in etwa fünf Milliarden Jahren große Mengen Gas ins All schleudern, das dann Rohstoff für die nächste Generation von Sternen und Planeten sein wird. Die neuen Beobachtungen helfen Franz Kerschbaum und seinen Kollegen zu verstehen, wie Sterne zünden, sich entwickeln und wieder verlöschen. Im Weltall ist es wie in Wien: Leben und Tod gehören zusammen.