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Die Spur des Kohlenstoffs

Umwelt. - Land und Ozeane bremsen die CO2-Emissionen des Menschen, sie schlucken etwa die Hälfte des ausgestoßenen Kohlenstoffs. Die Frage ist, wie lange das noch so funktioniert, immerhin deuten erste Studien ein Schwächeln wichtiger Senken in den Südozeanen rund um die Antarktis oder in Südamerika an. Grund genug für die Forscher, sich den Kohlenstoffkreislauf der Erde einmal genauer anzuschauen. In dieser Woche wurden dazu zwei Artikel veröffentlicht.

Von Dagmar Röhrlich |
    Es geht um das Schicksal des Kohlendioxids, das die Menschheit Tag für Tag in die Luft pustet: Wieviel davon fängt die Erde in den Meeren und an Land ab, ehe es klimawirksam wird? Und wie gut funktionieren diese CO2-Speicher noch? Füllen sie sich und verlieren dadurch ihre Fähigkeit das Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu ziehen, also ihre Wirksamkeit als sogenannte Senke?

    "Es sind mehrere Studien veröffentlicht worden, nach denen einige Kohlenstoffsenken an Land und auch in den Meeren weniger aufnehmen als zuvor. Deshalb haben wir eine Bilanz für die gesamte Erde gezogen."

    Die Forschergruppe um Ashley Ballantyne von der University of Boulder in Colorado hat dafür die Messwerte des atmosphärischen Kohlendioxids für die vergangenen 50 Jahre genommen und mit dem Ausstoß aus allen anthropogenen Quellen abgeglichen:

    "Zu unserer Überraschung kam dabei heraus, dass die Erde global gesehen immer noch jedes Jahr mehr Kohlendioxid aufnimmt."

    Pflanzen und Meere fangen heute immer noch rund die Hälfte der Kohlendioxidemissionen weg, so Ashley Ballantyne:

    "Seit 1960 hat sich die Kohlenstoffaufnahme verdoppelt: Damals nahm die Erde rund 2,5 Milliarden Tonnen Kohlendioxid auf, 2010 waren es rund fünf Milliarden Tonnen."

    Der Analyse zufolge schwankt die Aufnahmefähigkeit der Ökosysteme allerdings: So hatten die Senken während der 1990er Jahren in ihrer Wirksamkeit nachgelassen, um seit 2000 umso mehr zu schlucken. Dazu kommen anscheinend regionale Unterschiede: Studien aus dem Amazonasgebiet und dem Südatlantik legen nahe, dass dort die Speicherfähigkeit sinkt. Anderswo scheint es keine Veränderungen zu geben:
    "Das legt nahe, dass neue Gebiete dazu kommen, die die Abnahme in einigen Gebieten mehr als kompensieren. Ein logischer Ort dafür wäre beispielsweise die Arktis. Dort verändert sich die Landschaft durch den Klimawandel schnell: Der Permafrost taut zwar, aber gleichzeitig wird die Arktis grün und die Produktivität der Ökosysteme wächst. Eine andere Möglichkeit wäre, dass der Arktische Ozean mehr Kohlendioxid aufnimmt, wenn das Meereis schmilzt."

    Was auf der Südhemisphäre passiere, sei derzeit unklar, dort gebe es zu wenige Messreihen, erklärt Ashley Ballantyne. Umso interessanter ist, dass eine andere Forschergruppe die physikalischen Mechanismen entschlüsselt, mit denen die Südozeane Kohlendioxid speichern. Jean-Baptiste Sallée vom British Antarctic Survey in Cambridge:

    "Die Meere - und vor allem die Südozeane rund um die Antarktis - nehmen bis zu einem Viertel des Kohlenstoffs aus der Atmosphäre auf. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass das Kohlendioxid von Wind und Wellen in das Oberflächenwasser eingearbeitet wird und es sich dann darin löst: Solange es an der Oberfläche ist, wird es sehr leicht wieder freigesetzt. Damit es für lange Zeit aus der Atmosphäre heraus bleibt, muss es in die Tiefe der Meere gelangen."

    Auch dafür sollte, der traditionellen Sicht zufolge, der Wind sorgen, indem er das Wasser im Ozeanring um die Antarktis mit sich zieht und dabei in manchen Zonen so viel Wasser anstaut, dass es absinkt und das gelöste Kohlendioxid mit sich nimmt. Inzwischen ist jedoch klar, dass ein zweiter Mechanismus dabei eine Rolle spielt - die Meeresstrudel:

    "Schon die ersten Satellitenbildern zeigten, dass die Meere im Grunde genommen gigantische Whirlpools mit vielen Strudeln sind, und nirgends gibt es mehr als in den Südozeanen. Wir haben die Bedeutung der Wirbel für die Kohlendioxidspeicherung in der Tiefsee untersucht und herausgefunden, dass sie ebenso groß ist wie die des Windes, dass diese Strudel also genauso viel Kohlendioxid hinunter schaffen wie er."

    Durch das Zusammenspiel von Wind, Meeresströmungen und Wirbeln entstehen so etwas wie Wasserfälle im Meer: In den Südozeanen gibt es fünf große, röhrenförmige Strukturen, deren Durchmesser jeweils bis zu 1000 Kilometer erreichen kann: Einer liegt beispielsweise südlich von Chile, der andere südwestlich vor Australien. Sallée:

    "In diesen Röhren wird das im Wasser gelöste Kohlendioxid 1000 Meter tief ins Meer verfrachtet, wo es dann für Jahrzehnte, Jahrhunderte oder Jahrtausende bleibt. Die Tiefsee wirkt also wie ein Puffer für den Klimawandel."

    Obwohl an anderen Stellen Kohlenstoff aus der Tiefe an die Oberfläche transportiert werde, seien die südlichen Ozeane unter dem Strich immer noch Senken, erklärt Jean-Baptiste Sallée. Das könnte vorerst auch so bleiben:

    "Wäre der Wind der einzige Faktor, ließe die Pufferfähigkeit der Südozeane nach: Er soll durch den Klimawandel stärker werden und so wieder mehr Kohlendioxid aus dem Wasser freisetzen. Die Wirbel könnten den nachlassenden Effekt des Windes ausbalancieren."

    Allerdings wisse man derzeit noch zu wenig darüber, wie sich der Klimawandel auf die Strudelbildung auswirken werde, so Jean-Baptiste Sallée. Beide Studien bedeuten jedoch nicht, dass die Erde die Entsorgung des Kohlendioxids für den Menschen übernimmt. Ashley Ballantyne:

    "Unsere Resultate sprechen nicht dafür, dass es keine Grenzen für die Aufnahme von Kohlendioxid gibt. Sie besagen nur, dass wir derzeit noch keine Anhaltspunkte für eine globale Abnahme der Aufnahmefähigkeit haben. Auch die modernen, ausgefeilteren Klimamodelle sagen voraus, dass die Senken noch 30 bis 50 Jahre lang funktionieren. Dann allerdings sollen sie voll sein und beginnen Kohlendioxid freizusetzen."

    Dann könnte die Lage sehr schnell schlechter werden: Nicht nur, dass dann die ganzen aktuellen Emissionen das Klima anheizen, sondern dann kommt auch noch das Kohlendioxid aus der Vergangenheit dazu.