"Die Liebenden - Von der Last, glücklich zu sein" von Christophe Honoré
"Ich weiß nur, dass ich mich in dieser Nacht so nach Liebe sehnte. Ich wollte sehen, was mir so viel Schmerz bereitete."
Sagt Chiara Mastroianni als Verá in Christophe Honorés Film "Die Liebenden", flaniert über einen Pariser Boulevard und beginnt zu singen. Singt ein Chanson, so wie schon die Protagonisten in Honorés "Chanson der Liebe" vor drei Jahren Gesangseinlagen gaben, wenn sie ihre Gefühle zum Ausdruck bringen wollten. Honorés neuer Film "Die Liebenden - Von der Last, glücklich zu sein" ist eine Geschichte über die Liebeswirrungen und -irrungen von Verá und ihre Mutter Madeleine, als junge Frau von Ludivine Sagnier, als ältere von Catherine Deneuve gespielt.
Mutter: "Was macht dein Liebesleben?"
Tochter: ""Oh, hör auf!"
Mutter: "Da wage ich nur einmal eine Frage zu stellen."
Wobei "die Deneuve" auch im realen Leben Mutter von Chiara Mastroianni ist.
Mutter: "Was machst du denn hier? Du wolltest doch erst morgen zurückkommen."
Tochter: "Papa, zieh dir eine Unterhose an!"
Mutter: "Das war nicht geplant, deshalb habe ich dir nicht Bescheid gesagt."
Von der Möglichkeit und Unmöglichkeit der Liebe wie Erotik, in den 1960er-Jahren bis hin zur Jetztzeit: Davon erzählt Christoph Honroé schwärmerisch, schwermütig und elegant.
"Die Liebenden - Von der Last, glücklich zu sein" - empfehlenswert.
"Bel Ami" von Declan Donnellan und Nick Ormerod und die DVD-Premiere "Die geheimnisvolle Fremde" von Pawel Pawlikowski
Der künstlerische Ort dabei: Paris. Stadt voll sommerlich leichter Liebe und Erotik. In den düstereren Kino-Bildern über Paris hingegen ist die Metropole immer schon verseucht von der Macht; einer Macht, die sich mit Sex und Erotik paart. Das gilt auch, wenn Paris im historischen Gewand des ausgehenden 19. Jahrhunderts erscheint: In der neuen "Bel Ami"-Verfilmung nach Guy des Maupassant spielt "Twilight-Saga"-Star Robert Pattinson souverän George, einen attraktiven Mann aus einfachen Verhältnissen, der zu Macht und Einfluss kommt, weil er aus dem Gesellschaftsbild von Madame de Forestier richtige Schlüsse zieht:
"Und ich kann Ihnen ein paar Ratschläge erteilen: Die wichtigsten Menschen in Paris sind nicht die Männer, die wichtigsten Menschen in Paris sind deren Ehefrauen."
Ergo: Georges Duroy schläft sich in "Bel Ami", einem am Ende düsteren Gesellschaftsbild, an die Spitze der gesellschaftlichen Hierarchie hoch. Die, die er benutzt, wie sie ihn benutzen, die Ehefrauen also gespielt von Uma Thurman, Christina Ricci und Kristin Scott Thomas:
"Was führt Sie hierher? Sind Sie in den Regen geraten?
Nein, ich bin nicht zufällig hier. Besteht Hoffnung für mich?
Sie versuchen mich in einer Kirche zu verführen"
Die Empörung mithin, sie währt nicht lange. Kristin Scott Thomas strahlt auch als 50-Jährige eine wunderbare, geheimnisvolle Erotik aus. Was wären "Der englische Patient" oder "Sarahs Schlüssel", was wäre jetzt "Bel Ami" ohne sie?
Und gleiches gilt für einen vielleicht noch düstereren Paris-Film als "Bel Ami" (es ist), für Pawel Pawlikowskis als DVD-Premiere herausgekommenen Mystery-Thriller "Die geheimnisvolle Fremde". Ein Film, wie herumgebaut um die Aura von Kristin Scott Thomas. "Die geheimnisvolle Fremde" erzählt von einem "Amerikaner in Paris" - Ethan Hawke als erfolgloser Schriftsteller -, der sich in der "Stadt der Liebe" im Wahn verliert. Als er in einem literarischen Salon eine wunderschöne Frau - Kristin Scott Thomas - kennenlernt, scheint sich das Blatt zu wenden. Margit ist geheimnisvolle Femme fatale wie Kraft spendende Mutter,
Margit: "Du hast etwas zu sagen. Ich glaube an dich."
und in beidem Projektionsfläche von Toms unterdrückten Bedürfnissen und Leidenschaften.
Tom: "Du machst dir keine Vorstellung davon, wozu diese Leute imstande sind."
Margit: "Und du machst dir keine Vorstellungen davon, wozu du imstande bist."
Ein Mord geschieht in diesem Paris; angeblich ist Tom nicht schuldig. War es diese Margit Kadar?
"Ist das Madame Kadar?
Ja.
Sie lebt sei 1991 nicht mehr."
Doch wen besucht Tom nachmittags im fünften Arrondissement am linken Seine-Ufer? Nur ein Trugbild, seinem Wahn entsprungen? Gute Frage.
"Bel Ami" von Declan Donnellan und Nick Ormerod und die DVD-Premiere "Die geheimnisvolle Fremde" von Pawel Pawlikowski: beide mit Kristin Scott Thomas, beide herausragend.
"Superclassico - Meine Frau will heiraten" von Ole Christian Madsen und "Medianeras" von Gustavo Taretto
Kino über die Liebe in der Stadt - statt an der Seine diesmal am Rio de la Plata. Gemeint ist nicht das Buenos Aires in Ole Christian Madsens missglückter Komödie "Superclassico - Meine Frau will heiraten" - Weinhändler aus Kopenhagen folgt seiner Ex nach Argentinien. Da ist die argentinische Hauptstadt Postkartenklischee. Um ein aufregendes, spannendes, verwirrendes Buenos Aires zu sehen, muss man in die Geschichte von Martin und Mariana eintauchen in dieser Stadt, in der Abertausende Gebäude willkürlich in den Himmel ragen, wie es eine Stimme zu Beginn von Gustavo Tarettos Film "Medianeras" beschreibt. Martin, Web-Designer, und Mariana, Architektin, sind Großstadt-Singles und doch für einander bestimmt. Ihr Aufeinanderzukommen spiegelt immer sich in den Bildern der Architektur von Buenos Aires. Irgendwann schlagen beide neue Fenster in ihre Mietwohnungen und sehen sich. Ein erster Kommunikationsdurchbruch im wahrsten Sinne des Wortes. Gustavo Taretto findet wunderbare und mitunter ziemlich komische Bilder über das Lieben in einem vibrierenden Buenos Aires.
"Medianeras" von Gustavo Taretto: sehr empfehlenswert.
"Superclassico" von Ole Christian Madsen hingegen: ärgerlich.