Das aus heutiger Sicht Befremdlichste an der Nachkriegsmoderne ist wohl das bemühte Pathos der Gemeinschaft, das ihre Bauten ausstrahlen. Hochhäuser mit Gemeinschaftsräumen, gemeinsamen Freizeitflächen, sogar Gemeinschaftssaunas. Bei der Interbau 1957, aus der das neue Berliner Hansaviertel im Westteil der Stadt hervorging, waren unter der sagenhaften ein Million Besucher etwa 345.000 aus Ostberlin, und die Renner unter den Sonderveranstaltungen war die Schau zum Thema "Die stadt von morgen", auf der den Trümmerlandschaften des Zweiten Weltkriegs neue, futuristische Stadtutopien entgegengesetzt wurden.
Besonders beliebt auch die "Freizeitberatungsstelle", die den Besucherscharen Anleitungen zu einem "positiven Freizeittun" geben wollte. Kein Zweifel: Das Berliner Hansaviertel verkörpert die Zukunft von vorgestern. Schlicht unvorstellbar, den heutigen Bewohnern der 36 damaligen Neubauten derartigen Gemeinschaftssinn noch zuzumuten.
Trotzdem, noch heute lässt sich deutlich erkennen, dass das Hansaviertel keine öde Aneinanderreihung von Wohnsilos ist, wie man sie aus den sechziger und siebziger Jahren kennt und wie sie auch in Berlin neuerdings wieder abgerissen werden. Das Hansaviertel war seinerzeit eine geradezu skulpturale Beschwörung des inneren Zusammenhalts der Gesellschaft. Der siegreiche Masterplan der Architekten Jobst, Kreuer und Schließer sieht Häuser vor, die "ähnlich zueinander stehen wie Menschen, die sich unterhaltend zueinander wenden oder betrachtend um ein Standbild stellen. Nicht in Reih und Glied, sondern in einer besseren, gelockerten Ordnung."
Das richtete sich zum einen gegen den wuchtigen Neubau der Stalinallee im Ostteil der Stadt, die damals die mit Abstand komfortabelsten Wohnungen in ganz Deutschland enthielt. Vor allem aber verkörperte das Hansaviertel die gebaute Hoffnung, den kulturellen Aufbruch nach dem Ersten Weltkrieg, in den zwanziger Jahren, nun auch nach der Katastrophe des Zweiten noch einmal wiederholen zu können. Dafür stehen schon die Namen der zur Interbau eingeladenen Architekten: unter anderen Le Corbusier, Oskar Niemeyer, Walter Gropius, Arne Jacobsen, Max Taut, Alvar Aalto. Das westliche Nachkriegsdeutschland lechzte nach Wiederaufnahme in die internationale Kulturgemeinschaft. Zugleich beschworen die Politiker in Bonn die Wiederherstellung der Gesellschaftsordnung durch die Familie.
Dies alles aus der Sicht heutiger Künstlerinnen und Künstler noch einmal kommentieren zu lassen, ist eine schöne Idee der Berliner Akademie der Künste zum 50-jährigen Jubiläum des Hansaviertels. Zumal das langjährige westliche Hauptquartier der Akademie am Hanseatenweg 1960 ja mitten hinein gebaut wurde zwischen die Hochhäuser, als eine Art weltliches Gemeindezentrum mit Atrium und Kreuzgängen aus Glas und Beton.
Die in Berlin lebende, gebürtige Schwedin Sofia Hultén erfasst den Geist des ganzen architektonischen Ensembles mit ihrer ironischen, zugleich klugen und sinnlichen Arbeit womöglich am besten. Auf fünf nebeneinanderstehenden Videomonitoren laufen parallel kleine Filmschleifen, in denen sie mit Einwohnern des Hansaviertels an bestimmten Orten der Siedlung abstrakte Rituale ausführt. Man stellt Gläser zu einer Dreiecksform auf dem Gehweg auf oder bildet mit Gettoblastern einen Kreis im Gemeinschaftsgarten oder zerlegt gemeinschaftlich einen Fünfzigerjahre-Nierensessel im Hinterhof: Das Hansaviertel als heiliger Hain der Spätmoderne, in dem die vergessenen Übungen einer profanen Glaubensgemeinschaft wiederbelebt werden.
Der aus Israel stammende Künstler Eran Schaerf bezieht sich in seiner konzeptuellen Arbeit auf die berühmte Londoner Architekturschau "this is tomorrow", die genau ein Jahr vor der Berliner Interbau, also im Jahr 1956 in der Whitechapel Gallery stattfand und sich zu einer ungleich kritischeren Bilanz der modernen Ästhetik fähig zeigte, als es damals die Deutschen waren.
Ein Video von Andree Korpys und Markus Löffler blendet den Vorkriegs- und Nachkriegszustand des Hansaviertels übereinander und verdeutlicht dadurch das brachiale Aufräumen mit der Vergangenheit, für das das Hansaviertel auch steht und das seither die Berliner Stadtstruktur so sehr geprägt hat, auch in den anderen Bezirken.
Schon deshalb sind diese Hochhäuser am Berliner Tiergarten mehr als nur Baudenkmal: eher eine gebaute Metapher für die letzten fünfzig Jahre.
Besonders beliebt auch die "Freizeitberatungsstelle", die den Besucherscharen Anleitungen zu einem "positiven Freizeittun" geben wollte. Kein Zweifel: Das Berliner Hansaviertel verkörpert die Zukunft von vorgestern. Schlicht unvorstellbar, den heutigen Bewohnern der 36 damaligen Neubauten derartigen Gemeinschaftssinn noch zuzumuten.
Trotzdem, noch heute lässt sich deutlich erkennen, dass das Hansaviertel keine öde Aneinanderreihung von Wohnsilos ist, wie man sie aus den sechziger und siebziger Jahren kennt und wie sie auch in Berlin neuerdings wieder abgerissen werden. Das Hansaviertel war seinerzeit eine geradezu skulpturale Beschwörung des inneren Zusammenhalts der Gesellschaft. Der siegreiche Masterplan der Architekten Jobst, Kreuer und Schließer sieht Häuser vor, die "ähnlich zueinander stehen wie Menschen, die sich unterhaltend zueinander wenden oder betrachtend um ein Standbild stellen. Nicht in Reih und Glied, sondern in einer besseren, gelockerten Ordnung."
Das richtete sich zum einen gegen den wuchtigen Neubau der Stalinallee im Ostteil der Stadt, die damals die mit Abstand komfortabelsten Wohnungen in ganz Deutschland enthielt. Vor allem aber verkörperte das Hansaviertel die gebaute Hoffnung, den kulturellen Aufbruch nach dem Ersten Weltkrieg, in den zwanziger Jahren, nun auch nach der Katastrophe des Zweiten noch einmal wiederholen zu können. Dafür stehen schon die Namen der zur Interbau eingeladenen Architekten: unter anderen Le Corbusier, Oskar Niemeyer, Walter Gropius, Arne Jacobsen, Max Taut, Alvar Aalto. Das westliche Nachkriegsdeutschland lechzte nach Wiederaufnahme in die internationale Kulturgemeinschaft. Zugleich beschworen die Politiker in Bonn die Wiederherstellung der Gesellschaftsordnung durch die Familie.
Dies alles aus der Sicht heutiger Künstlerinnen und Künstler noch einmal kommentieren zu lassen, ist eine schöne Idee der Berliner Akademie der Künste zum 50-jährigen Jubiläum des Hansaviertels. Zumal das langjährige westliche Hauptquartier der Akademie am Hanseatenweg 1960 ja mitten hinein gebaut wurde zwischen die Hochhäuser, als eine Art weltliches Gemeindezentrum mit Atrium und Kreuzgängen aus Glas und Beton.
Die in Berlin lebende, gebürtige Schwedin Sofia Hultén erfasst den Geist des ganzen architektonischen Ensembles mit ihrer ironischen, zugleich klugen und sinnlichen Arbeit womöglich am besten. Auf fünf nebeneinanderstehenden Videomonitoren laufen parallel kleine Filmschleifen, in denen sie mit Einwohnern des Hansaviertels an bestimmten Orten der Siedlung abstrakte Rituale ausführt. Man stellt Gläser zu einer Dreiecksform auf dem Gehweg auf oder bildet mit Gettoblastern einen Kreis im Gemeinschaftsgarten oder zerlegt gemeinschaftlich einen Fünfzigerjahre-Nierensessel im Hinterhof: Das Hansaviertel als heiliger Hain der Spätmoderne, in dem die vergessenen Übungen einer profanen Glaubensgemeinschaft wiederbelebt werden.
Der aus Israel stammende Künstler Eran Schaerf bezieht sich in seiner konzeptuellen Arbeit auf die berühmte Londoner Architekturschau "this is tomorrow", die genau ein Jahr vor der Berliner Interbau, also im Jahr 1956 in der Whitechapel Gallery stattfand und sich zu einer ungleich kritischeren Bilanz der modernen Ästhetik fähig zeigte, als es damals die Deutschen waren.
Ein Video von Andree Korpys und Markus Löffler blendet den Vorkriegs- und Nachkriegszustand des Hansaviertels übereinander und verdeutlicht dadurch das brachiale Aufräumen mit der Vergangenheit, für das das Hansaviertel auch steht und das seither die Berliner Stadtstruktur so sehr geprägt hat, auch in den anderen Bezirken.
Schon deshalb sind diese Hochhäuser am Berliner Tiergarten mehr als nur Baudenkmal: eher eine gebaute Metapher für die letzten fünfzig Jahre.