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Die Stimme Lateinamerikas

Mercedes Sosa war eine große Stimme des lateinamerikanischen Kontinents. Als Folksängerin rückte sie auf in den Kreis der Künstler, die sich der "poesía social" verschrieben haben. Das Publikum dankte es ihr zeitlebens. Mercedes Sosa ist nach schwerer Krankheit, 74 Jahre alt, in Buenos Aires gestorben.

Von Peter B. Schumann |
    Sie stand stets auf der Seite der gesellschaftlichen Veränderung, des nötigen Wandels oder – wie sie es sagte – "des Volkes, das seine Würde und seine Zukunft verteidigt". Sie ist sich dabei stets treu geblieben, politisch und musikalisch, in dem halben Jahrhundert, in dem sie zur "Stimme Amerikas" wurde. Sie hat die "Bewegung des neuen argentinischen Liedes" in den 60er-Jahren mitbegründet, aber das war keine simple Folklore, sondern ein politisches Ausdrucksmittel, das zum Kampf gegen Ungerechtigkeit aufrufen, aber auch Hoffnung verbreiten wollte in dem immer wieder von Militärputschen heimgesuchten Argentinien.

    Mercedes Sosa war keine Liedermacherin wie die Chilenin Violetta Parra, die sie bewunderte, oder wie ihr Landsmann León Gieco, dessen Songs sie verbreitete. Sie lieh ihnen ihre unvergleichliche Stimme und machte sie weltberühmt. So wurde sie zur bekanntesten Sängerin des politischen Lieds in Lateinamerika, das damals in allen Ländern entstand und Teil der Aufstandsbewegungen war. "Unsere Lieder sind Schreie gegen Elend und Leid" – hat sie einmal gesagt. "Sie dienen der Mobilisierung und der Solidarität." Deshalb durchbrach sie als Erste die Tradition des Sologesangs und forderte das Publikum zum Mitsingen auf. Doch billige Agitation war ihre Sache nicht.

    In den 70er-Jahren, als Militärs den gesamten Süden Lateinamerikas verheerten, da bildete sie zusammen mit den Liedermachern in Chile, Brasilien und Uruguay eine breite Front des kulturellen Widerstands.

    "Ich bitte Gott nur, dass er mich nicht gleichgültig lässt gegen Schmerz, Ungerechtigkeit, Krieg und Betrug” - dieses Lied von León Gieco machte sie zur Hymne des Kampfes gegen die argentinische Diktatur.

    Mercedes Sosa hielt damals – Ende der 70er-Jahre – in Argentinien aus, solange sie konnte und versuchte weiterzusingen, wie so oft von der Liebe und auch von der Hoffnung auf die Zukunft. Als sie dann 1979 auf offener Bühne kurzzeitig verhaftet wurde, da gab es auch für sie keinen anderen Weg mehr als den ins Exil, zunächst nach Paris und dann nach Madrid. Sie gehörte jedoch zu den Ersten, die 1982 zurückkehrten, obwohl die Militärs – wenn auch reichlich geschwächt – das Heft noch in der Hand hielten. Als sie im Jahr darauf endgültig abrücken mussten, fasste das Teatro Colón, das größte Opernhaus Lateinamerikas, kaum die Menge, die mit ihr zusammen die Rückkehr zur Demokratie feiern wollte.

    "Dank dem Leben” hieß das Lied von Violetta Parra, das sie damals neben vielen anderen sang und mit dem sie noch in diesem Jahr ihre Zuhörer beglückte: die Stimme Amerikas, die weiterlebt, wenn auch Mercedes Sosa nun für immer verstummte.