Musik, die in ihrer beinahe quälenden Monotonie nicht nur die schmucklose Tristesse von Kafkas Text widerspiegelt: Auch die Kritik an der Unmenschlichkeit einer Gesellschaft, die ihre Gestrauchelten vernichtet, findet ihr Echo in Phil Glass’ Kadenzen. Ein Werk, das einen Nerv treffen kann - und eben das ist das Ziel vom Peter Beat Wyrsch und der "Pocket-Opera-Company". Ihnen geht es um die Behandlung gesellschaftpolitischer Fragen, um Zeitkritik im Gewand des Bühnenspektakels. Phil Glass’ Kammeroper ist nur ein Teil der Projektwoche zum Thema Todesstrafe. In Andrea Molinos Musiktheater "Those who speak in a faint voice" dienten die Interviews mit den Insassen des Todestrakts als Rahmen für die musikalische Struktur:
Man kann auch mit künstlerischen Mitteln den Menschen erreichen um ein Thema aufzubereiten.
Nicht immer ist das Publikum allerdings bereit, sich erreichen zu lassen. Die erste Veranstaltung in der Lounge eines Hotels, der Versuch einer Thematisierung inmitten der Clubatmosphäre, verlief nicht sehr erfolgreich:
Das wurde beiläufig aufgenommen, die Politisierung der alltäglichen Unterhaltungswelt hat nicht gut funktioniert...
Die Ausbreitung der so genannten Spassgesellschaft als Todesstoß für engagierte Projekte mit sozialkritischem Anspruch? Nicht unbedingt – denn gerade die innere Leere dieser Gesellschaft schafft für Projekte wie jenes der Pocket-Opera-Company eine Lücke, in der sie überleben können:
Einerseits ist da die Sucht nach schnellen neuen Erfahrungen, nach Geld und Sicherheit, auf der anderen Seite sucht man nach neuen Wegen um mit seinem Leben anders umzugehen. Ich denke, da muss man hellhörig sein und die Themen immer wieder aufspüren.
Es sind neue Blickrichtungen, die Peter Beat Wyrsch mit seinen Projekten aufzeigen will, neue Ansatzpunkte für eine Diskussion, die im der Kunst nur ihren Anfang nehmen kann. Phil Glass’ Oper "In The Penal Colony" kann solch ein Anfang sein. Die Aufführung der "Pocket Opera Company" macht dies in ihrer Kargheit und ihrem minimalistischen Stil nur noch deutlicher, auch die Darsteller scheinen von der Thematik mitgerissen, ihre Anklage geht weit über die Räume der Galerie Lindig in Paludetto hinaus. Was macht es da schon, wenn nur rund 100 Menschen der Aufführung beiwohnen: Sowohl vom künstlerischen Anspruch als auch von der Qualität der Aufführung her hätte die kleine Company ein weit größeres Publikum verdient.
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