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Die Straße aller Straßen

Mit seinem Song "Get Your Kicks On Route 66" skizzierte Bobby Troup 1946 eine musikalische Landkarte. Nat King Cole hat den legendären Highway ebenso besungen wie Manhattan Transfer, Depeche Mode und die Rolling Stones. Vor 25 Jahren wurde die US-Route 66 dann als Highway aus den Straßenkarten gelöscht.

Von Michael Kleff |
    "Ladies and gentlemen, may I have your attention please. Your Greyhound through-service to Los Angeles is now ready for boarding through gate 23. ... ”

    Die Route 66 ist ein Mythos. Die erste große Nationalstraße der USA führt durch drei Zeitzonen und acht Staaten von Chicago bis zur Pazifikküste. Doch die Geschichte holte sie ein. Zwischen 1960 und Mitte der 80er-Jahre trat ein Netz von Interstate-Autobahnen an ihre Stelle. Am 27. Juni 1985 wurde die US-Route 66 schließlich als Highway aus den offiziellen Straßenkarten gelöscht.

    Cyrus Avery, Mitte der 20er-Jahre Präsident der Vereinigung Associated Highways of America, hatte die Idee für einen die Bundesstaatsgrenzen überschreitenden Transportweg. Ende 1926 wurde die rund dreieinhalbtausend Kilometer lange Straße offiziell eröffnet. Um sie im ganzen Land bekannt zu machen, wurde ein transkontinentaler Marathonlauf ausgeschrieben, der von Los Angeles über Chicago an die Ostküste führte. Ein junger Mann aus Oklahoma erreichte nach 87 Tagen als Erster New York. Er bekam ein Preisgeld von 25.000 Dollar. Und die Route 66 war in aller Munde.

    Für Henry Miller war der Highway "die verführerische schwarze Schlange" und für Jack Kerouac "die Straße der Sehnsucht". John Steinbeck verarbeitete sie in "Früchte des Zorns", seinem Roman über die Menschen, die Mitte der 30er-Jahre vor den verheerenden Sandstürmen in Oklahoma und Texas flüchteten und sich auf den Weg in das gelobte Land der Orangen- und Pfirsichplantagen machten. Für Steinbeck hatte dieser Weg einen Namen: Route 66:

    "Die Straße derer, die vor dem Staub flüchten und dem schrumpfenden Land ... Vor dem Einbruch der Wüste im Norden, vor den Überschwemmungen, die dem Land keinen Reichtum bringen und ihm das bisschen Reichtum stehlen, das es hat. Vor all dem sind diese Menschen auf der Flucht, und sie kommen aus den Seitenstraßen auf die Route 66. Sie ist die Mutter-Straße, die Straße der Flucht."

    Vor allem in Illinois und in Missouri wies der Highway gefährliche Kurven auf und es gab eine Menge Unfälle. Daher wurde er auch oft "bloody 66" oder einfach "the killer" genannt. Im ersten Route-66-Führer schrieb der Werbetexter Jack Rittenhouse 1946 im Kapitel über Texas:

    "Das Wetter hier ist launisch. Regen- und Schneestürme kommen plötzlich an Tagen, die mit Sonnenschein begonnen haben; die unglaublich grimmigen Winde bringen Temperaturstürze und wirbeln Sandwolken auf. Bäume und andere wiedererkennbare Punkte sind selten hier, so dass die früheren Siedler ihre Wege oft mit Pfählen markierten."

    Das Aus für die Route 66 drängte ganze Städte ins Abseits. Daran können auch Straßenschilder mit dem Hinweis "Historic Route 66" oder ein Verein zur Bewahrung ihrer Geschichte nichts ändern. Wenn der Geschäftsmann Angel Delgadillo aus Seligman, Arizona, sich an den Tag erinnert, als seine Stadt 1978 von dem Highway abgeschnitten wurde, klingt viel Ärger mit.

    "Wir verloren 70 bis 75 Prozent unseres Einkommens. Es gab eine Zeit, da war ich wirklich verbittert. Unsere Kongressabgeordneten sagten einfach 'Schaut zu, wie ihr zurechtkommt.' Es ist ein sehr einsames Gefühl umfahren und vergessen zu werden."

    Filme wie "Out Of Rosenheim" mit Marianne Sägebrecht und "Rain Main" mit Dustin Hoffman wurden an der Route 66 gedreht. Im El Rancho-Hotel in Gallup stiegen die Hollywood-Stars John Wayne, Humphrey Bogart und Katharine Hepburn ab. Und im Oatman-Hotel in Arizona verbrachten Carole Lombard und Clark Gable 1939 ihre Hochzeitsnacht. Solche Geschichten können die Interstate-Autobahnen nicht erzählen.