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Die tapferen Weiber von Kronach

Im nördlichen Zipfel Bayerns leben ganz besonders wehrhafte Weibsbilder: Im mittelalterlichen Städtchen Kronach haben sich die Frauen im Dreißigjährigen Krieg ruhmreich geschlagen und ihre Stadt vor dem sicher geglaubten Untergang bewahrt. Das wird bis heute gefeiert.

Von Marion Trutter |
    "Ja, willkommen in unserem Museum. Wenn ich hier mal unser Arsenal zeigen darf. Also wir haben mehrere Schränke voll historischen Gewändern. Und die brauchen wir natürlich auch, wir wollen ja nach was aussehen. Ich persönlich habe jetzt als Neuerwerbung für dieses Jahr - man ist ja eitel, jedes Jahr muss was Neues dazukommen einen ganz großen festen Gürtel. Der ist also mit einer Verbreiterung hinten und da wird jetzt noch ein Text draufgeschrieben 'Tapferstes Weib von Kronach', und oben wird draufstehen 'Acht auf einen Streich', und das wird dann erklärt: Sieben Schweden und einen Narren habe ich schon erlegt. Und die müssen dann immer sehr unter uns leiden."

    Wenn sich die Männer so richtig fürchten, empfindet Gisela Lang eine diebische Freude. Sie ist eines der tapferen Weiber von Kronach. Bei Veranstaltungen in der Stadt sind die in ihren mittelalterlichen Monturen kaum zu übersehen. Doch bei allem Humor hat der Zusammenschluss draller Damen einen ernsten Hintergrund. Es waren nämlich die Frauen, die im Dreißigjährigen Krieg entscheidend zur Rettung ihrer Stadt beitrugen. Ohne sie würde Kronach vielleicht nicht mehr stehen.

    "Hier, wo wir uns jetzt befinden, das ist an der Stadtmauer zur Schwedenstraße, zur Vorstadt Ziegelanger hin, und das ist ein ganz bemerkenswerter Ort, weil hier im Dreißigjährigen Krieg, in der Zeit 1632 bis 1634, die Schwedentruppen massiv die Stadt Kronach angegriffen haben. Sie haben es auch geschafft, ein Loch in dieser Stadtmauer, hier, wo wir stehen, unter uns zu brechen. Und das war natürlich sehr gefährlich für die obere Stadt, weil: Sie hätten dann in die obere Stadt kommen können. Aber die tapferen Weiber von Kronach - früher hat man zu den Frauen Weiber gesagt, wenn sie verheiratet waren, also das war kein Schimpfwort - die haben dann mitgeholfen. Sie haben Pflastersteine ausgebuddelt, sie haben alles, was man kochen konnte hervorgeholt, ob das nun Jauche oder Öl oder Pech war, und haben es gekocht und haben es den Schweden oben von dieser Stadtmauer hier auf die Köpfe gegossen. Und das war so massiv, dass die Schweden dann ihren Rückzug angetreten haben und entsprechend war dann natürlich diese Gefahr gebannt."

    Die Schwedenangriffe sind immer noch das historische Thema in Kronach - auch bei Stadtführungen mit Rosi Ross. In großer Überzahl griffen die Lutherischen, wie man sie damals feindselig nannte, die Stadt mehrmals an - und schafften es doch nie, sie einzunehmen. Kronach blieb eine katholische Enklave im Feindesland. Das Volk dankte natürlich dem Herrn, gleichzeitig aber auch den Frauen.

    "Da wurde eine Prozession dann zur Festung hinaufgeführt nach diesen Angriffen als Dank, dass die obere Stadt nicht eingenommen werden konnte, und als Anerkennung durften dann die Kronacher Weiber bei dieser Prozession voranschreiten, vor dem Allerheiligsten, vor den wichtigen Herren, vor dem Pfarrer. Gibt es noch bis heute. Wir haben immer am Sonntag nach Fronleichnam der Schwedenumzug zur Festung oben, und dort wird ein Gottesdienst abgehalten und wir beten dort für den Frieden, und es gibt auch bis heute immer noch die tapferen Kronacher Weiber, die bis heute noch immer voranschreiten dürfen."

    Ob Schwedenprozession, historisches Stadtfest oder Auftritte der Cronacher-Ausschuss-Compagnie - die tapferen Weiber sind immer präsent. Aber es geht ihnen nicht nur ums Spektakel. Als kulturell und historisch interessierte Bürgerinnen erforschen und bewahren sie die Geschichte von Frauen in Franken. Sie engagieren sich im Leben der Stadt. Was sie tun und sagen, hat Gewicht - und das im wahrsten Sinne des Wortes.

    "Wir haben festgelegt, dass die Frauen mindestens fünf Neuntel Simra Kronacher Maß - das ist ein Getreidemaß - wiegen müssen. Und das ist umgerechnet ungefähr 86 Kilo. Drunter geht gar nichts, denn wir wollen natürlich imposant ausschauen. Es sind zurzeit acht Frauen, die das Maß haben, und wenn wir die Straße runterkommen, geht alles zur Seite. Uns stellt sich niemand mehr in den Weg."

    Doch das war nicht immer so. Im Mittelalter war die Geschichte der Frauen auch oft eine Geschichte der Unterdrückung. Diese wird auch bei Stadtrundgängen immer wieder erzählt. Am Lehlaubenturm, auch Hexenturm genannt, erfasst Besucher auch heute noch ein kalter Schauer.

    "Wenn Sie hier hinunter schauen, sehen Sie ein Gitter und darunter befindet sich ein Verließ. Und in dieses Verließ wurden dann im Mittelalter, gerade im 16. und 17. Jahrhundert, zur Hexenverfolgung Frauen und auch Männer hineingeworfen und dort unten mussten sie warten und ausharren, bis sie eben zur peinlichen Befragung, zum Verhör geholt wurden und gefoltert wurden. Wir haben also über 30 Frauen, die auch namentlich benannt sind, wo es Protokolle gibt über diese peinliche Befragung gibt, wo sie dann angezeigt wurden, die Frauen, und als Hexen verurteilt wurden und auch auf dem Scheiterhaufen dann verbrannt wurden."

    Viele starke Frauen, vor allem Heilerinnen und kritische Köpfe, fanden im Feuer den Tod. Die Obrigkeit beraubte die Städte so eines unschätzbaren Potenzials. Frauen sollten nicht denken, schon gar nicht kritisieren - sondern arbeiten. Sie schufteten in den Feldern, und als Wäscherinnen, schleppten im Krieg Steine, Teer und Öl. Im Bierland Franken überließ man ihnen sogar die Knochenarbeit in den Brauereien.

    "Es gab drei verschiedene Tätigkeiten für die Frauen in diesen Brauereien: Einmal waren es die Malzdörrerinnen, die mussten das Malz trocknen und dörren, das war eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Dann gab es die Wirtsträgerinnen, das kommt nicht von Wirtshaus, obwohl es ja mit Bier zu tun hat - sondern von der Würze. Sie haben dann das gesottene Bier in die Keller tragen müssen, wo es dann gegärt hatte. Das war natürlich auch eine sehr anstrengende Arbeit. Das war ja schwer in diesen Bottichen dann dieses Bier in die Keller zu tragen, aber auch sehr verantwortungsvoll und das war nur Frauenarbeit. Dazu gab es dann noch die Trebermesserinnen, die die Rückstände, die beim Bierbrauen entstehen, entsprechend messen mussten - und haben das dann verkauft, verteilt. Das wurde dann für das Vieh genommen als Nahrung. Auch für die Bullenzucht ist es heute noch bekannt, weil es sehr nahrhaft ist."

    Übrigens steht der einzigen überlebenden Privatbrauerei in Kronach bis heute eine resolute alte Dame vor. Außerdem hat die Stadt auch noch ein eigenes Maß für Bier - und seit ein paar Jahren auch wieder den dazu passenden Krug. Die Kunigundenmaß mit stolzen eineinachtel Litern Inhalt soll zurückgehen auf Kaiserin Kunigunde, die man im Fränkischen als Heilige verehrt. Gefertigt wird der Steinzeugkrug in einer Töpferei in der Altstadt von Kronach. Und ein Kronacher Trinklied gibt es auch, geschrieben von Gisela Lang: eine Hymne an die Stadt - und an die tapferen Weiber von Kronach.

    Stolz und unbezwungen ist unsere Stadt Crana.
    Stolz und unbezwungen ist auch die Bürgerschar.
    Drum voller Freud die Humpen hebet,
    bei uns wird allezeit recht froh gelebet.
    An gutem Trank und reichlicher Atzung
    fehlt es in unsern Mauern nie.
    Voll Wasser unsre Brunnen sind,
    sonst fressen wir "Housnküh".
    Drum voller Freud die Humpen hebet,
    bei uns wird allezeit recht froh gelebet.