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Die Tea Party "ist geschwächt"

Die Einigung im US-Haushaltsstreit sei eine große Niederlage für die Republikaner, sagt Andrew Denison, Leiter der Organisation Transatlantic Networks. Zudem dürften nach dem "Theater" auch die Geldquellen für die Tea Party und die Republikaner nicht mehr so stark sprudeln.

Andrew Denison im Gespräch mit Thielko Grieß | 17.10.2013
    Peter Kapern: Mit der Kreditwürdigkeit sei es wie mit der Jungfräulichkeit: Sie kann bewahrt, aber nicht so leicht wiederhergestellt werden. Es sei also verrückt, damit herumzuspielen, so hat es gestern der US-Starinvestor Warren Buffett im amerikanischen Fernsehen gesagt. Zu der Zeit spielten sie aber noch mit der Kreditwürdigkeit herum, die Demokraten und die Republikaner, und erst wenige Stunden vor Ablauf der Frist um Mitternacht Washington-Ortszeit rissen die Parteien das Ruder herum. Die Zahlungsunfähigkeit der Vereinigten Staaten ist also in letzter Minute abgewendet, die Weltwirtschaft kann aufatmen, vorläufig zumindest.
    Gestern Abend, als sich der Kompromiss abzeichnete, da hat mein Kollege Thielko Grieß mit dem Politikwissenschaftler und Leiter der Organisation Transatlantic Networks, Andrew Denison, gesprochen und er wollte von ihm wissen, was denn nun letztlich gesiegt habe im Ringen um den Haushaltskompromiss, die Vernunft oder die Angst vor der Zahlungsunfähigkeit des Landes.

    Andrew Denison: Die gehen ja wohl Hand in Hand, denke ich. Natürlich ist die Angst sehr groß gewesen und vor allem aus der amerikanischen Wirtschaft kam sehr viel Druck auch auf republikanische Abgeordnete, dass sie jetzt mit dieser trotzigen Haltung aufhören sollen und wieder zur Vernunft zurückkehren sollen. In dem Sinne war es, wie sagt man: Ich bin Optimist, weil ich Realist bin. Ich denke, die haben die Wahrheiten gesehen, und die Republikaner vor allem haben gesehen, sie gewinnen nichts, indem sie weiter blockieren.

    Thielko Grieß: Schauen wir auf diese Republikaner und vor allem auch John Boehner. Der hat am Abend in einem Radiointerview gesagt, es sei ja nun so: Er und seine Republikaner hätten einfach nicht gewonnen. Als wie groß schätzen Sie seine Niederlage ein?

    Denison: Recht groß! Die Republikaner sind nach Meinungsumfragen so unbeliebt wie seit Langem nicht mehr und diese Konzentration hat denen letztendlich nichts gebracht. Ich meine, von Anfang an schien es etwas unrealistisch, ein Gesetz, das verabschiedet worden ist, von einem Präsidenten, der wiedergewählt worden ist, und ein Gesetz, dem auch vom Obersten Gerichtshof noch mal zugestimmt worden ist, dass man das als eine Minderheit blockieren kann mit dieser Art von Bedrohung, fast Geiselnahme der ganzen Nation, wenn nicht der ganzen Weltwirtschaft. Ich denke, das ist gescheitert und die Republikaner müssen jetzt wirklich überlegen, wie sie weitergehen.

    Grieß: Noch einmal zum ersten Mann der Republikaner im Abgeordnetenhaus. Kann er das bleiben, was er ist, erster Mann, wenn er seine Truppen nicht hinter sich scharen kann?

    Denison: Anscheinend hatte er sehr viel Angst davor, seine Position zu verlieren, denn bis jetzt war er nicht bereit, Gesetzesvorlagen zur Abstimmung zu stellen, obwohl er wusste, dass eine Kombination aus mäßigen Republikanern und Demokraten schon längst für eine Mehrheit gesorgt hätte. Aber er ist seiner republikanischen Fraktion treu geblieben. Aber dass er dadurch Konsequenzen von der Tea-Party-Seite zu spüren bekommen wird, ja, das auf jeden Fall. Die Frage ist nur, wie viel Macht hat noch diese Tea Party.

    Grieß: Und was denken Sie?

    Denison: Die sind geschwächt. Die Gründungsväter haben schon vor 200 Jahren Minderheiten ein Vetorecht gegeben im amerikanischen Kongress und diese Tea-Party-Leute haben das voll ausgenutzt. Aber am Ende des Tages, denke ich, 2014 – das ist jetzt ein bisschen mehr als eine Wahl – stehen alle Mitglieder, alle 435 Mitglieder des Repräsentantenhauses zur Wiederwahl, und wenn man dem folgt, was die amerikanische Wirtschaft über dieses Theater meint, dann, denke ich, werden die Geldquellen für die Tea Party und Republikaner vielleicht nicht so groß sein wie bisher.

    Grieß: Aber das Wählerklientel in einigen ländlichen Regionen mag das ganz anders beurteilen.

    Denison: Ja, das stimmt. Es ist auch etwas irrational. Ich selbst komme aus Wyoming und es gibt …

    Grieß: Einer ländlichen Region!

    Denison: Ja, die republikanisch ist. Obwohl: Wyoming bekommt sehr viel Geld von der Bundesregierung und dieser Shutdown hat Wyoming in vielerlei Hinsicht beschädigt, von Verwaltung der öffentlichen Länder über die Verkehrsmittel, die durch diesen Bundesstaat gehen. Oft sind Republikaner also irrational. Ja, es gibt ein Problem: die Vorwahlen. Da kann eine kleine Minderheit eine radikale Basis schon bestimmen für die ganze Partei. Aber ich denke, aus dieser Krise haben sie auch gelernt, bei den Vorwahlen muss man besonders vorsichtig sein, sonst bekommt man solche explodierenden Abgeordneten.

    Grieß: Kann der US-Präsident, Barack Obama, ein Demokrat bekanntlich, aus diesem Kompromiss, so er denn zustande kommt, die Lehre ziehen, dass sich Kompromisslosigkeit auf seiner Seite nun bewährt hat, keine Änderungen an der Krankenversicherung für die bislang Unversicherten zuzulassen?

    Denison: Ja, eindeutig. Die Frage, wer bekommt dafür den Schwarzen Peter, die ist beantwortet: Die Republikaner bekommen den dafür. Obama hat schon 2011 gesehen, was für Probleme er bekommt, wenn er bereit ist, die amerikanische Kreditwürdigkeit als Geisel zu nehmen in Verhandlungen, und da hat er gesagt, diesmal macht er es nicht, und ich denke, er wird dafür belohnt.

    Kapern: Mein Kollege Thielko Grieß im Gespräch mit dem amerikanischen Politikwissenschaftler Andrew Denison.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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