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Die Tücken des Heimvorteils

Nach knapp 74.000 Menschen in Berlin zum Auftakt, 48.000 Zuschauern in Frankfurt und zuletzt 45.687 in Mönchengladbach, passen in das Wolfsburger WM-Stadion zum deutschen Viertelfinale nur knapp 26.000 Zuschauer - doch die geringe Zahl könnte auch ein Vorteil sein.

Von Daniel Theweleit |
    Zwei Wochen ist diese Weltmeisterschaft nun alt, und so langsam reift die Einsicht, dass der Titelgewinn der Deutschen Mannschaft keineswegs eine Selbstverständlichkeit ist. Zuerst musste die ungeduldige Nation erkennen, dass das Team von Silvia Neid durchaus seine Schwächen hat. Dann wurde auch noch deutlich, dass es starke Konkurrenten gibt. Vielleicht ist das am Ende gar nicht so schlecht. Denn die Ansprüche sind zwar immer noch gewaltig, einen leichtfüßigen Spaziergang zum Titel erwartet aber niemand mehr. Ein Umschwung im richtigen Moment, sei das, meint Daniel Memmert vom Institut für Kognitions- und Sportspielforschung an der Deutschen Sporthochschule, der seit Jahren zum Phänomen Heimvorteil forscht. Denn der Heimvorteil kann nämlich auch zum Nachteil werden:

    "Also es gibt erste Untersuchungen, die von Kollegen aus Münster gemacht werden, und dort zeigt sich wirklich, dass sich der Heimvorteil in einen Nachteil verwandeln kann Und zwar in solchen Spielen, die sehr, sehr entscheidend sind. Zum Beispiel Relegationsspiele und Spiele um die Meisterschaft. Weil dann tatsächlich der Druck der Fans quasi das entscheidende ist. Die Spieler geraten unter Druck sie müssen gewinnen, dann kann das zu einem 'Choking-under-Pressure Phänomen' führen, das heißt, sie versagen quasi in der Drucksituation unbedingt gewinnen zu müssen, weil alle das erwarten."

    Genau das ist die Ausgangslage, wenn die Deutschen am morgigen Samstag gegen Japan antreten. Schon in den Partien gegen Kanada und Nigeria hatte sich gezeigt, dass die Mannschaft unter den Erwartungen leidet. Wobei auch andere Faktoren den vermeintlichen Heimvorteil beschädigen können. Während weniger Wochen werden die Spielerinnen betrachtet wie Superstars. Jeder Schritt wird medial observiert, gute Leistungen und ein sympathisches Auftreten können entscheidend sein, wenn in den kommenden Monaten Werbeverträge abgeschlossen werden. Das alles zu verarbeiten, ist nicht einfach, die Mannschaft befindet sich in einer einzigartigen Extremsituation:

    "Die ganzen Aktivitäten, die die Frauen-Nationalmannschaft um Spiel herum hat, die kosten mit Sicherheit Energie. Denn natürlich sind sie es nicht gewohnt, in so einem Umfang Autogramme schreiben zu müssen, Interviews zu geben und all die anderen Dinge, die sie machen müssen, während so einem Turnier, die sie tatsächlich nicht kennen aus der Bundesliga."

    Selbst die Unterstützung des Publikums ist nicht immer hilfreich. Memmert hat herausgefunden, dass ein wichtiger Aspekt des Heimvorteils der Einfluss der Zuschauer auf den Schiedsrichter ist. Dieses Phänomen ergibt sich aber nur, wenn das Publikum emotional an das Geschehen auf dem Platz angebunden ist. Das war bisher bei dieser Weltmeisterschaft nicht immer so:

    "Also ich würde mir wünschen, dass die Fans, die ins Stadion gehen, tatsächlich ins Stadion gehen, weil sie die Frauen-Nationalmannschaft sehen wollen und sehen wollen, was für Spielzüge sie machen, dass geschaut wird, welche Strategien sie haben, um Tore zu erzielen. Dass man ein bisschen weg kommt von amerikanischen Fans, die zum Baseball gehen. Wo man einfach hingeht, Picknick macht, zehn mal die LaOla kreist und eigentlich alles andere wichtiger ist als das Geschehen auf dem Rasen. Und ich hoffe und glaube, dass das Spiel gegen Frankreich dazu geführt hat, dass man sieht, dass es spannend ist auf dem Spielfeld, dass schöne Spielzüge zu sehen sind, und dass die Zuschauer sich noch mehr mit den Frauen identifizieren."