In der Fußgänger-Unterführung am Rigaer Hauptbahnhof reihen sich kleine Geschäfte und Boutiquen aneinander: Schuster, Buchläden, ein Kiosk. Antons Kursitis geht mit schnellen Schritten den unterirdischen Gang entlang. Der Leiter der Sprachkontrollbehörde kennt die Läden, er kommt oft hier vorbei, wenn er auf Streife ist. Vor dem Kiosk bleibt der große, breitschultrige Kommissar stehen, wirft einen Blick auf die Titel im Zeitungsständer, runzelt die Stirn.
"Die Aufschriften sind auf Lettisch, das ist die Hauptsache. Aber die Blätter sind hier natürlich fast alle auf Russisch. "
Jeden Tag sind Antons Kursitis und seine Mitarbeiter in der Stadt unterwegs und kontrollieren, ob die Waren und Hinweisschilder vorschriftsmäßig auf Lettisch gekennzeichnet sind. Außerdem fragt er stichprobenartig die Lettisch-Kenntnisse der Verkäufer ab.
"Unsere Hauptaufgabe ist es, die Interessen derjenigen zu schützen, die kein Russisch können. Sie haben in Lettland einen Anspruch darauf, die offizielle Amtssprache unseres Landes, Lettisch, sprechen zu dürfen und auch verstanden zu werden."
Und das ist bis heute vor allem in den Großstädten keine Selbstverständlichkeit: 60 Prozent der Einwohner Rigas sind Russen. Landesweit stellen sie rund ein Drittel der Bevölkerung. Für sie gab es bis zur Unabhängigkeit des Landes keinen Grund, Lettisch zu lernen. Russisch war zu Sowjetzeiten Amtssprache - und auch die meisten Letten beherrschten es nach dem Pflichtunterricht in der Schule fließend. Nach der Wende änderte sich daran wenig. Schließlich kommt man im Alltag noch immer bestens mit Russisch zu Recht. Deswegen fühlten sich heute vor allem jüngere Letten im eigenen Land diskriminiert, erklärt Antons Kursitis.
"Es ist wirklich tragisch: Unsere Kinder finden in Riga keine Arbeit, wenn sie nicht fließend Russisch können. Die wenigsten von ihnen haben es noch in der Schule gelernt, sie wollten lieber Englisch oder Deutsch lernen. Außerdem sind die meisten alten Russisch-Lehrer mittlerweile pensioniert, so dass die Sprache kaum noch angeboten wird. Doch leider ist es immer noch so, dass die meisten Arbeitgeber in der privaten Wirtschaft gute Russischkenntnisse verlangen. Schließlich sind 60 Prozent der Kunden Russen, die kein Lettisch können."
Deswegen wurde das Gesetz jetzt noch einmal verschärft und auf zahlreiche Branchen der privaten Wirtschaft ausgedehnt. Wer dagegen verstößt, zahlt umgerechnet 200 bis 400 Euro Strafe - eine beträchtliche Summe bei einem Durchschnittslohn von monatlich rund 600 Euro.
Antons Kursitis geht die Treppe hoch, betritt das Einkaufszentrum neben dem Bahnhof. Im Erdgeschoss, gleich neben dem Eingang, befindet sich eine Drogerie. Antons Kursitis spricht eine Verkäuferin an, bittet sie, die Geschäftsführerin zu holen. Die kommt sofort aus dem Büro gelaufen, schüttelt dem Sprachkontrolleur die Hand.
"Guten Tag. Ich bin der Leiter der Sprachkontrollbehörde und würde Sie gerne was fragen. Stellen Sie hier auch Verkäuferinnen ein, die kein Russisch können?"
"Ja, allerdings müssen sie es dann innerhalb eines Monats zumindest in Grundzügen gelernt haben. In unserer Branche müssen wir uns da nach den Kunden richten. Aber Lettisch müssen sie sowieso beherrschen. Deswegen sind für uns auch solche Kontrollen kein Problem."
Während Antons Kursitis seinen Kontrollgang fortsetzt, sitzt Baiba Damberga in einem Rigaer Straßencafé, das Handy am Ohr. Dass die Gäste am Nebentisch sie belauschen könnten, darüber braucht sich die Künstlerin keine Sorgen zu machen. Denn außer ihr und ihrer Tochter am anderen Ende der Leitung können nur 20 andere Menschen in ganz Lettland verstehen, was sie sagt. Baiba Damberga spricht Livisch, die vom Aussterben bedrohte Sprache der Liven, der Ureinwohner Lettlands. Sie ist mit dem Estnischen und Finnischen verwandt, nicht aber mit dem Lettischen.
"Meine Mutter ist Lettin, mein Vater Live. In der Familie wurde natürlich Lettisch gesprochen, wie das in den meisten gemischten Familien seit den 20er Jahren der Fall war. Sie waren der Meinung, dass ihre Kinder es leichter in der Schule haben, wenn sie Lettisch sprechen, weil das die Unterrichtssprache war und Livisch kam in den staatlichen Einrichtungen nicht vor."
Als Lettland seine Unabhängigkeit erklärte und eine breite Debatte über die eigene Sprache und Identität begann, beschlossen Baiba Damberga und einige Freunde, die livische Sprache zu retten. Sie schrieben ein Lehrbuch, gründeten einen livischen Chor und organisierten ein livisches Sommerlager, das bis heute jedes Jahr stattfindet. Außerdem setzten sie durch, dass kostenlose Livisch-Kurse an der Volkshochschule angeboten werden. Baiba Damberga glaubt fest daran, dass sie und ihre Mitstreiter es schaffen werden, die Sprache wieder zu beleben. Auf dem Sommerlager wollen sie in diesem Jahr sogar ein livisches Theaterstück einüben, das erste der Geschichte.
"Die Aufschriften sind auf Lettisch, das ist die Hauptsache. Aber die Blätter sind hier natürlich fast alle auf Russisch. "
Jeden Tag sind Antons Kursitis und seine Mitarbeiter in der Stadt unterwegs und kontrollieren, ob die Waren und Hinweisschilder vorschriftsmäßig auf Lettisch gekennzeichnet sind. Außerdem fragt er stichprobenartig die Lettisch-Kenntnisse der Verkäufer ab.
"Unsere Hauptaufgabe ist es, die Interessen derjenigen zu schützen, die kein Russisch können. Sie haben in Lettland einen Anspruch darauf, die offizielle Amtssprache unseres Landes, Lettisch, sprechen zu dürfen und auch verstanden zu werden."
Und das ist bis heute vor allem in den Großstädten keine Selbstverständlichkeit: 60 Prozent der Einwohner Rigas sind Russen. Landesweit stellen sie rund ein Drittel der Bevölkerung. Für sie gab es bis zur Unabhängigkeit des Landes keinen Grund, Lettisch zu lernen. Russisch war zu Sowjetzeiten Amtssprache - und auch die meisten Letten beherrschten es nach dem Pflichtunterricht in der Schule fließend. Nach der Wende änderte sich daran wenig. Schließlich kommt man im Alltag noch immer bestens mit Russisch zu Recht. Deswegen fühlten sich heute vor allem jüngere Letten im eigenen Land diskriminiert, erklärt Antons Kursitis.
"Es ist wirklich tragisch: Unsere Kinder finden in Riga keine Arbeit, wenn sie nicht fließend Russisch können. Die wenigsten von ihnen haben es noch in der Schule gelernt, sie wollten lieber Englisch oder Deutsch lernen. Außerdem sind die meisten alten Russisch-Lehrer mittlerweile pensioniert, so dass die Sprache kaum noch angeboten wird. Doch leider ist es immer noch so, dass die meisten Arbeitgeber in der privaten Wirtschaft gute Russischkenntnisse verlangen. Schließlich sind 60 Prozent der Kunden Russen, die kein Lettisch können."
Deswegen wurde das Gesetz jetzt noch einmal verschärft und auf zahlreiche Branchen der privaten Wirtschaft ausgedehnt. Wer dagegen verstößt, zahlt umgerechnet 200 bis 400 Euro Strafe - eine beträchtliche Summe bei einem Durchschnittslohn von monatlich rund 600 Euro.
Antons Kursitis geht die Treppe hoch, betritt das Einkaufszentrum neben dem Bahnhof. Im Erdgeschoss, gleich neben dem Eingang, befindet sich eine Drogerie. Antons Kursitis spricht eine Verkäuferin an, bittet sie, die Geschäftsführerin zu holen. Die kommt sofort aus dem Büro gelaufen, schüttelt dem Sprachkontrolleur die Hand.
"Guten Tag. Ich bin der Leiter der Sprachkontrollbehörde und würde Sie gerne was fragen. Stellen Sie hier auch Verkäuferinnen ein, die kein Russisch können?"
"Ja, allerdings müssen sie es dann innerhalb eines Monats zumindest in Grundzügen gelernt haben. In unserer Branche müssen wir uns da nach den Kunden richten. Aber Lettisch müssen sie sowieso beherrschen. Deswegen sind für uns auch solche Kontrollen kein Problem."
Während Antons Kursitis seinen Kontrollgang fortsetzt, sitzt Baiba Damberga in einem Rigaer Straßencafé, das Handy am Ohr. Dass die Gäste am Nebentisch sie belauschen könnten, darüber braucht sich die Künstlerin keine Sorgen zu machen. Denn außer ihr und ihrer Tochter am anderen Ende der Leitung können nur 20 andere Menschen in ganz Lettland verstehen, was sie sagt. Baiba Damberga spricht Livisch, die vom Aussterben bedrohte Sprache der Liven, der Ureinwohner Lettlands. Sie ist mit dem Estnischen und Finnischen verwandt, nicht aber mit dem Lettischen.
"Meine Mutter ist Lettin, mein Vater Live. In der Familie wurde natürlich Lettisch gesprochen, wie das in den meisten gemischten Familien seit den 20er Jahren der Fall war. Sie waren der Meinung, dass ihre Kinder es leichter in der Schule haben, wenn sie Lettisch sprechen, weil das die Unterrichtssprache war und Livisch kam in den staatlichen Einrichtungen nicht vor."
Als Lettland seine Unabhängigkeit erklärte und eine breite Debatte über die eigene Sprache und Identität begann, beschlossen Baiba Damberga und einige Freunde, die livische Sprache zu retten. Sie schrieben ein Lehrbuch, gründeten einen livischen Chor und organisierten ein livisches Sommerlager, das bis heute jedes Jahr stattfindet. Außerdem setzten sie durch, dass kostenlose Livisch-Kurse an der Volkshochschule angeboten werden. Baiba Damberga glaubt fest daran, dass sie und ihre Mitstreiter es schaffen werden, die Sprache wieder zu beleben. Auf dem Sommerlager wollen sie in diesem Jahr sogar ein livisches Theaterstück einüben, das erste der Geschichte.