Das braune Terror-Trio und seine Taten: Zwei Männer, Uwe Mundlos und Uwe Bönhardt, gehörten dem sogenannten "Nationalsozialistischen Untergrund" – kurz NSU - an. Und eine Frau: Beate Zschäpe. Sie sitzt in Köln in Untersuchungshaft und schweigt beharrlich.
Kann sie – wie es im Haftbefehl vom 13. November 2011 heißt - wegen der Gründung und Mitgliedschaft in einer rechtsterroristischen Vereinigung angeklagt werden? Inwieweit muss die 37-Jährige Verantwortung übernehmen für die zehn Morde, die ihre toten Gesinnungsgenossen verübt haben? Wird die Bundesanwaltschaft sie wegen Beihilfe zu Mord anklagen? Vielleicht sogar wegen einer unmittelbaren Tatbeteiligung? Das alles muss bald geklärt werden. Denn seit über neun Monaten sitzt Beate Zschäpe in Untersuchungshaft. Ihre Beschwerde gegen den Haftbefehl, den ein Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs erließ, wurde verworfen. In einem 13-seitigen Beschluss des 3. Strafsenats am Bundesgerichtshof hieß es im Februar unter anderem:
"Auf eine bis zuletzt enge persönliche Verbindung der Beschuldigten mit Böhnhardt und Mundlos sowie auf ihre innere Übereinstimmung mit deren Überzeugungen lässt sich schon daraus schließen, dass sie am 8. November 2011 nach Belehrung in einem Gespräch mit den sie vernehmenden Polizeibeamten geäußert hat, man sei damals gemeinsam untergetaucht, die beiden seien fortan ihre Familie gewesen."
Am 18. Mai 2012 wurde Zschäpes Untersuchungshaft um weitere drei Monate verlängert. Und hunderte Ermittler einer Sonderkommission "Trio" arbeiten seit Monaten angestrengt an der Aufklärung der rechtsterroristischen Mordserie und auch daran, eine Beteiligung Zschäpes an den Morden nachweisen zu können. Termin einer erneuten Haftprüfung ist der 18. August, der kommende Samstag also. Dann muss entschieden werden, ob gegen Beate Zschäpe Anklage erhoben wird oder die mutmaßliche Rechtsterroristin aus der Untersuchungshaft entlassen werden muss. Die U-Haft kann aber auch noch ein Mal um weitere drei Monate verlängert werden. Doch bereits im Beschluss des 3. Strafsenats vom 18. Mai zur Verlängerung der Untersuchungshaft ermahnte der Bundesgerichtshof die Ermittler zur Eile:
"Die Anklage muss zügig erstellt werden. Die Arbeit ist auf das Wesentliche zu beschränken."
In verschiedenen Medienberichten wird Beate Zschäpe als Nazibraut, als gefährliche Mitläuferin, Geliebte, heißer Feger oder hörige Komplizin beschrieben. Das seien alles Begriffe, die einer politischen und gewalttätigen Frau nicht gerecht werden, kritisiert Rena Kenzo. Die Wissenschaftlerin ist Gründungsmitglied des bundesweiten "Forschungsnetzwerks Frauen und Rechtsextremismus". Seit Jahren hält sie Vorträge über "braune Schwestern" und deren Rolle in der rechten Szene und Gesellschaft. Zum Thema hat sie auch Bücher veröffentlicht. Doch warum sind diese Frauen so lange unterschätzt worden?
"Ein Grund ist auch, dass Frauen anders aktiv sind, sie sind heimlich aktiv gewesen in der Vergangenheit. Sie haben Wert darauf gelegt, nicht in die Öffentlichkeit zu kommen und haben auch mehr im familiären Bereich ihre Aktivitäten vollzogen oder indirekt geholfen, indem sie ihre Häuser für Treffen zur Verfügung gestellt haben. Und damit sind sie nicht immer so in den Fokus von irgendwelchen Medien gekommen."
Frauen, sagt Rena Kenzo, gab es zwar schon immer in der rechten Szene, aber sie wurden kaum wahrgenommen. Weil sie unauffälliger sind, also scheinbar ungefährlich, mieten diese Frauen Räume für Versammlungen und Konzerte an, sie eröffnen Konten und Postfachadressen-. Oder melden Aufmärsche an. Verfassungsschützer kannten lange Zeit kaum weibliche Akteure. Nach Polizeiangaben werden nur etwa fünf Prozent rechtsextremer Straftaten von Frauen verübt, aber auch hier steigt der Anteil deutlich.
"Es gab von 2005 bis 2011 6.000 weibliche Tatverdächtige, die sich im Bereich politisch motivierter rechtsextremer Straftaten bewegt haben und 2010 und 2011 über 1.000 Straftaten mit weiblicher Tatbeteiligung. Davon waren 109 Straftaten mit körperlicher Gewalt verbunden. Dazu muss man wissen, dass diese Definition von körperlicher Gewalt sehr eng gefasst ist, da fällt jetzt nicht "Kleinkram" rein, sondern körperliche vorsätzliche Angriffe."
Bei Propagandadelikten sind Frauen anteilsmäßig öfter an Volksverhetzungen beteiligt als Männer. Trotzdem mangelt es an öffentlichem Bewusstsein gegenüber der Rolle der rechtsextremen Frau - als Täterin. Eine kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Linken an die Bundesregierung vom Juni dieses Jahres ergab, dass keine Projekte gefördert werden, die sich mit der Rolle von Frauen im Rechtsextremismus auseinandersetzen. Dabei, so Kenzo, sind Frauen als Täterinnen kein neues Phänomen.
"Es gab auch schon immer rechtsextreme Terroristinnen. Also bei dem Münchner Oktoberfest 1980, wo es 13 Tote gab, da waren auch Frauen im Hintergrund aktiv – nicht als Haupttäter, aber im Hintergrund. Aber sie waren immer mit beteiligt."
Dennoch: Vor Gericht und in der Öffentlichkeit gelten Frauen meist nur als harmlose Mitläuferin. Aber sind sie das wirklich?
Erkundungen im Kernland der NPD, im sächsischen Strehla. Ein mittelalterliches Städtchen mit knapp 4.000 Einwohnern. Verabredung mit Ines Schreiber. Seit gut sechs Jahren lebt die gebürtige Vorpommerin mit ihrem Mann Peter in der Kleinstadt an der Elbe. Ihr Ehemann ist Mitarbeiter der sächsischen NPD-Fraktion. Zielstrebig läuft sie über den Marktplatz. In dunklem Walle-Rock und schwarzem Parka. Die dunkelblonden gewellten Haare uneitel strubbelig. Sie strahlt. Und plaudert sofort los.
"Ich hab jetzt Zeit bis 13:30 Uhr, da kommt mein Kleiner aus der Schule, und der Große kommt um 14:30 Uhr, von daher habe ich jetzt Zeit. Die Oma ist versorgt."
Sie stellt gleich klar, dass sie es überhaupt nicht gewohnt sei, Interviews zu geben. Und dass sie auf Nachsicht und auf Fairness hoffe, falls sie sich mal verhaspelt. Die 38-Jährige ist verblüffend offen. Fast schon distanzlos.
Sie spielt mit dem Autoschlüssel in ihrer Hand. "Klagt nicht – kämpft", ist auf dem Schlüsselanhänger eingestickt. Ein Fallschirmjägerruf aus dem Zweiten Weltkrieg. Dieser Ausruf schmückt viele Produkte aus dem sogenannten Nationalen Kaufhaus, dem Online-Shop der "Deutschen Stimme". Verkauft werden Bekleidung und Accessoires, Möbel, Bücher, Filme, Schmuck, CDs und noch viel mehr – alles mit entsprechender Symbolik und Naziparolen verziert. Die "Deutsche Stimme" ist das Presseorgan der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands.
"Ich bin eigentlich Hausfrau und Mutter und ... Guten Tag."
Während der knapp 50 Meter über den Platz grüßt Ines Schreiber freundlich nach links und rechts. Und sie wird zurückgegrüßt:
"Und wenn man möchte, dass die Kinder ordentlich was werden, kann ich die Energie da voll reinstecken. Und ich habe ja auch noch andere Verpflichtungen, meiner Schwiegermutter gegenüber, meiner eigenen Familie gegenüber... Hallo. Ich habe das große Glück, dass ich eine Familie habe – bei den meisten ist es ja so, dass die Beziehungen nicht lange von Dauer sind. Ich seh' das hier, gerade in Strehla, natürlich konzentriere ich mich gerade ein bisschen mehr auf Strehla."
Ines Schreiber entspricht zu 100 Prozent dem Frauenbild, das in der Grundsatzschrift der "Gemeinschaft deutscher Frauen" beschrieben wird. Dahinter steckt die größte Vereinigung national gesinnter Frauen. In einem Vorwort unter der Überschrift "Die Frau in der nationalen Bewegung" heißt es wörtlich:
"Es ist jedoch selbstverständlich, dass eine deutsche Frau einem deutschen Mann zur Seite gestellt ist - ihm also von Natur aus gleichgestellt ist. Die Forderung nach einem "natürlichen Frauenbild" beinhaltet jedoch auch die Verpflichtung der deutschen Frau, "für den Erhalt der eigenen Art" zu sorgen. Verweigert sie sich den "eigenen, naturgegebenen Pflichten, dann macht sie sich im schwersten Maße mitschuldig am Untergang des eigenen Volkes"."
Rechtsextremismus sei längst keine Sache mehr, die nur junge, orientierungslose Männer begeistert, beobachtet Anetta Kahane von der Amadeu-Antonio-Stiftung. Der Namensgeber der Stiftung wurde 1990 von rechten Jugendlichen im brandenburgischen Eberswalde zu Tode geprügelt, weil er eine schwarze Hautfarbe hatte. Seit 1998 setzt sich die Initiative konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus ein. Anetta Kahane sagt, ohne Frauen würde die rechtsextreme Szene gar nicht funktionieren.
"Da sind Frauen nun mal der Schlüssel. Sie können keine rechte Familienkultur aufbauen, wenn die Frauen da nicht mitmachen. Und das haben wir ja nun mal im Nationalsozialismus gesehen: Die Frauen haben bei der Erziehung der Kinder und bei der Herausbildung der Familienidee und überhaupt dieser Rollenklischeeidee, spielen die da eine ganz entscheidende Rolle. Wenn die da nicht mitmachen, bricht die rechte Szene auseinander."
Wie auch das Beispiel von Ines Schreiber aus Strehla zeigt. Die 38-Jährige verbringt ihre Zeit gerne draußen, sie geht auf die Menschen zu und grüßt jeden. Im Café im Einkaufszentrum hängt sie ihren Mantel auf.
"Hätte ich jetzt eigentlich noch sagen müssen: Ich hab jetzt mal mein Deckmäntelchen abgelegt (lacht), soviel zum Thema."
Dann erzählt Ines Schreiber ihre Geschichte. In Stralsund geboren, wegen Jobs nach Niedersachsen gezogen. Dort war sie bei den rechtsradikalen Republikanern aktiv und hat ihren Mann kennengelernt. Peter Schreiber. Ehemaliger Steuerfahnder. Jetzt Mitglied des Stadtrats und Mitarbeiter der NPD-Landtagsfraktion. Auch Ines Schreiber gehört der rechtsextremen Partei an. Bei der Kommunalwahl ist sie nur knapp gescheitert. Vorher war sie Mitglied in der Elternkonferenz und Schöffin am Amtsgericht in Riesa. Die Parteiführung jubelte damals: Seht her, die NPD ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Seit Kurzem ist Ines Schreiber auch Vorsitzende des Bundesschiedsgerichtes der Partei. Sie ist also nicht nur die Frau an der Seite eines NPD-Politikers - sie ist zu 100 Prozent von deren politischen Ansichten überzeugt. Im Programm der NPD heißt es: Du bist nichts, dein Volk ist alles. Politik ist Dienst am Volk, heißt es wörtlich, und Dienst am Volk heißt, für dessen biologischen Fortbestand zu sorgen, also viele Kinder zu gebären.
"Gutes tun für Deutschland heißt, dafür Sorge tragen, dass unser Volk nicht untergeht, dass wir nicht irgendwann aussterben. Ja, das ist eben das Ziel, dass unser Volk Bestand hat und dass wir überleben als Volk und vor allen Dingen, meine Vision ist, dass wieder eine Volksgemeinschaft entsteht."
Ines Schreiber lebt ihre politischen Ansichten: Sie ernährt sich saisonbedingt und bringt den Söhnen Siegfried und Heinrich bei, dass sie Müll von der Straße aufsammeln sollen, weil so die Stadt schöner werde und Umweltschutz auch Heimatschutz sei. In Zeitungsartikeln über sie steht, dass ihre Kinder zuhause auch Hakenkreuze zeichnen dürfen. Stimmt das? Sie lächelt - wie immer - freundlich. Sie antwortet nicht, ihr Lächeln aber ist vielsagend.
Es ist Markttag in Strehla. Das heißt: Zwei Bäcker, ein Fleischer und ein Obstbauer haben Stände aufgebaut - das war`s.
"Guten Tag, darf ich Sie mal was fragen.
- Ja
- Kennen Sie die Frau Schreiber?-
- Ja. Ich find' die ganz nett. So gut kenne ich sie nicht. Sehr freundlich, sieht man oft, eigentlich kann ich nichts Schlechtes sagen."
Nichts Schlechtes über Ines Schreiber sagt auch die Klassenlehrerin ihres Sohnes Siegfried. In einem Zeitungsartikel spricht sie von einer "engagierten" Mutti, die – Zitat - "sehr aktiv arbeitet und gute Ideen hat". Um Politik gehe es dabei nie. Die Verkäuferin im Drogeriemarkt sagt, es sei gut, dass es eine Opposition gebe, egal ob es nun die Piraten oder die NPD sei - und die Ines sei sehr nett. Egal, wen man in Stehla nach Ines Schreiber fragt: Man findet kaum Ablehnung, wenn überhaupt nur ein leichtes Unwohlsein. Die Genannte lächelt zufrieden.
"Uns wird diese Grundfreundlichkeit, der gesamten NPD, uns wird das ja abgesprochen. Da kann man hinstellen, wen man will, das ist falsch: Wir sind ja gar nicht freundlich, wir sind ja böse."
Von der sanften, immer freundlichen Ines Schreiber scheint man nichts Böses befürchten zu müssen. Warum auch, sagt sie. Ihr gehe es darum, dass es allen Menschen gut geht - allerdings jedem in seinem eigenen Land. Irgendwie kann man die stets lächelnde 38-Jährige nicht in Verbindung bringen mit Gewalttaten von Neonazis, schon gar nicht mit der rechtsterroristischen Mordserie der Zwickauer Zelle. Trotzdem wird erneut über ein Verbot der NPD diskutiert.
"Ich denke, dass wir die Sehnsüchte der Menschen erfassen und sie dabei auf dieser Ebene greifen können."
Gesellschaftliches Engagement heißt das eigentlich – aber für die NPD ist es Strategie. Bei Ines Schreiber in Strehla funktioniert es. Im Sommer setzt sie sich zu den jungen, alleinerziehenden Müttern auf die Bank am Spielplatz, im Winter lädt sie sie nach Hause zum Bastelnachmittag ein.
"Da brauch ich mich nur hinsetzen und zuhören, mehr brauche ich gar nicht machen."
Für Rena Kenzo vom "Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus" ist Ines Schreiber ein klassisches Beispiel für gelungene Frauenpolitik der rechtsextremen NPD.
"Sie haben natürlich auch ein Anliegen, dass sie als harmlos, nett und sympathisch rüberkommen, da wo ihre Kinder verkehren, also in den Kindergärten, in den Schulen, im Sportverein. Und sie versuchen eben nicht, durch Aggressionen auf den ersten Blick ihre Ideologie unterzubringen, sondern durch Sympathie, Liebe und das Ausschlussverfahren. Also, dass die weiße Rasse oder die Deutschen liebenswert sind, aber geschützt werden muss vor dem Einfluss fremder Ideologien und Kulturen vor allen Dingen."
Auch Beate Zschäpe wird als freundlich beschrieben. Sie habe gut gekocht, erinnert sich eine Nachbarin, Plätzchen gebacken, sich liebevoll um ihre beiden Katzen Lilly und Heidi gekümmert und mit dem Besitzer einer griechischen Taverne in der Nachbarschaft geplaudert. Auch die Mutter von Uwe Böhnhardt hatte die Hoffnung, so sagt sie in einem ARD-Interview, dass Uwes neue Freundin Beate ihn Ende der 90er-Jahre aus der rechten Szene rausholen und seiner kriminellen Karriere ein Ende setzen könnte.
Frau sein galt in der rechten Szene lange und gilt immer noch als Tarnung. Auch die Mutter von Böhnhardt hatte sich in Zschäpe wohl getäuscht. Bis sie sich Ende der 90er-Jahre dem gewaltbereiten Thüringer Heimatschutz anschloss, einer rechtsextremen Kameradschaft, die der NPD nahe steht. In einem Spiegel-Artikel ist zu lesen, dass sie, die linientreue Aktivistin, auch mal grob geworden sei. Zschäpe soll für ihre heftigen Übergriffe vor allem auf Frauen berüchtigt gewesen sein. Einer Kontrahentin soll sie einen Arm gebrochen haben. Überhaupt soll das Terror-Trio viel weibliche Unterstützung gehabt haben, behauptet jedenfalls Apabiz, ein antifaschistisches Pressearchiv in Berlin. Nach dessen Recherchen sollen mindestens 20 Prozent der NSU-Helfer Frauen gewesen sein. Auch Rena Kenzo sagt:
"Während ja die Männer ja auch festgenommen wurden oder ja auch Hausdurchsuchungen waren, wurden die Frauen dabei zwar auch mit entdeckt, aber ihre Rolle wurde wieder heruntergespielt, so wie jetzt bei Mandy Struck zum Beispiel, die ja immerhin Beate Zschäpe auch eine Identität gegeben hat, also Ausweisdokumente gegeben hat. Und auch Mandy Struck wurde als harmlose Friseurin dargestellt, die sich schon längst distanziert hat von der Szene offiziell, was einfach so nicht stimmt."
Die von Kenzo namentlich genannte Mandy Struck war genauso wie Beate Zschäpe lange Zeit Mitglied in der Hilfsgemeinschaft für nationale Gefangene. Eine rechte Frauenorganisation, die sich bis zu deren Verbot 2011 um rechtskräftig verurteilte Gesinnungsgenossen kümmerte. Im Ermittlungskomplex NSU sollen neben Mandy Struck noch 25 weitere Frauennamen auftauchen.
Ihre Rolle daher als "nachrangig" zu verharmlosen wäre fatal, warnt etwa "Apabiz", das antifaschistische Pressearchiv in Berlin. Denn Zschäpe soll, so behaupten es die Apabiz-Rechercheure, diejenige gewesen sein, die sich gegen eine Flucht des Trios ins Ausland gesperrt und damit den Boden als mordende Untergrundzelle erst bereitet habe. Aber, so schreibt Apabiz:
"Der NSU hätte wahrscheinlich nicht 13 Jahre unentdeckt im Untergrund morden können, ohne seine bürgerliche Fassade gegenüber Nachbarinnen und Bekannten so erfolgreich aufrecht zu erhalten. Dies ist vor allem der Frau im Trio zu verdanken."
Die Zeit drängt. Seit neun Monaten sitzt Beate Zschäpe in Untersuchungshaft. Das Gesetz sieht Untersuchungshaft über ein halbes Jahr hinaus aber nur in Ausnahmefällen vor. Nur "ein wichtiger Grund oder der besondere Umfang der Ermittlungen" können laut Paragraf 121 der Strafprozessordnung eine Inhaftierung über sechs Monate hinaus rechtfertigen. Und diese Begründung muss die Bundesanwaltschaft in dieser Woche, zum nächsten Haftprüfungstermin am 18. August, liefern.
Spekulationen, wonach die Bundesanwaltschaft die mutmaßliche Mitbegründerin der rechtsterroristischen NSU noch im Sommer anklagen wird, scheinen sich nicht zu bestätigen. Ein Sprecher der Behörde erklärte heute, man strebe den Abschluss der Ermittlungen gegen Beate Zschäpe bis Herbst an. Vorher kann keine Anklage erhoben werden. Inzwischen aber verdichten sich die Hinweise, dass die 37-Jährige mit einer Anklage wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und gefährlicher Brandstiftung nicht davonkommen wird. Mittäterschaft an der Ermordung von neun türkisch- oder griechischstämmigen Kleinunternehmern sowie der Tötung einer Polizistin könnten hinzukommen.
Kann sie – wie es im Haftbefehl vom 13. November 2011 heißt - wegen der Gründung und Mitgliedschaft in einer rechtsterroristischen Vereinigung angeklagt werden? Inwieweit muss die 37-Jährige Verantwortung übernehmen für die zehn Morde, die ihre toten Gesinnungsgenossen verübt haben? Wird die Bundesanwaltschaft sie wegen Beihilfe zu Mord anklagen? Vielleicht sogar wegen einer unmittelbaren Tatbeteiligung? Das alles muss bald geklärt werden. Denn seit über neun Monaten sitzt Beate Zschäpe in Untersuchungshaft. Ihre Beschwerde gegen den Haftbefehl, den ein Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs erließ, wurde verworfen. In einem 13-seitigen Beschluss des 3. Strafsenats am Bundesgerichtshof hieß es im Februar unter anderem:
"Auf eine bis zuletzt enge persönliche Verbindung der Beschuldigten mit Böhnhardt und Mundlos sowie auf ihre innere Übereinstimmung mit deren Überzeugungen lässt sich schon daraus schließen, dass sie am 8. November 2011 nach Belehrung in einem Gespräch mit den sie vernehmenden Polizeibeamten geäußert hat, man sei damals gemeinsam untergetaucht, die beiden seien fortan ihre Familie gewesen."
Am 18. Mai 2012 wurde Zschäpes Untersuchungshaft um weitere drei Monate verlängert. Und hunderte Ermittler einer Sonderkommission "Trio" arbeiten seit Monaten angestrengt an der Aufklärung der rechtsterroristischen Mordserie und auch daran, eine Beteiligung Zschäpes an den Morden nachweisen zu können. Termin einer erneuten Haftprüfung ist der 18. August, der kommende Samstag also. Dann muss entschieden werden, ob gegen Beate Zschäpe Anklage erhoben wird oder die mutmaßliche Rechtsterroristin aus der Untersuchungshaft entlassen werden muss. Die U-Haft kann aber auch noch ein Mal um weitere drei Monate verlängert werden. Doch bereits im Beschluss des 3. Strafsenats vom 18. Mai zur Verlängerung der Untersuchungshaft ermahnte der Bundesgerichtshof die Ermittler zur Eile:
"Die Anklage muss zügig erstellt werden. Die Arbeit ist auf das Wesentliche zu beschränken."
In verschiedenen Medienberichten wird Beate Zschäpe als Nazibraut, als gefährliche Mitläuferin, Geliebte, heißer Feger oder hörige Komplizin beschrieben. Das seien alles Begriffe, die einer politischen und gewalttätigen Frau nicht gerecht werden, kritisiert Rena Kenzo. Die Wissenschaftlerin ist Gründungsmitglied des bundesweiten "Forschungsnetzwerks Frauen und Rechtsextremismus". Seit Jahren hält sie Vorträge über "braune Schwestern" und deren Rolle in der rechten Szene und Gesellschaft. Zum Thema hat sie auch Bücher veröffentlicht. Doch warum sind diese Frauen so lange unterschätzt worden?
"Ein Grund ist auch, dass Frauen anders aktiv sind, sie sind heimlich aktiv gewesen in der Vergangenheit. Sie haben Wert darauf gelegt, nicht in die Öffentlichkeit zu kommen und haben auch mehr im familiären Bereich ihre Aktivitäten vollzogen oder indirekt geholfen, indem sie ihre Häuser für Treffen zur Verfügung gestellt haben. Und damit sind sie nicht immer so in den Fokus von irgendwelchen Medien gekommen."
Frauen, sagt Rena Kenzo, gab es zwar schon immer in der rechten Szene, aber sie wurden kaum wahrgenommen. Weil sie unauffälliger sind, also scheinbar ungefährlich, mieten diese Frauen Räume für Versammlungen und Konzerte an, sie eröffnen Konten und Postfachadressen-. Oder melden Aufmärsche an. Verfassungsschützer kannten lange Zeit kaum weibliche Akteure. Nach Polizeiangaben werden nur etwa fünf Prozent rechtsextremer Straftaten von Frauen verübt, aber auch hier steigt der Anteil deutlich.
"Es gab von 2005 bis 2011 6.000 weibliche Tatverdächtige, die sich im Bereich politisch motivierter rechtsextremer Straftaten bewegt haben und 2010 und 2011 über 1.000 Straftaten mit weiblicher Tatbeteiligung. Davon waren 109 Straftaten mit körperlicher Gewalt verbunden. Dazu muss man wissen, dass diese Definition von körperlicher Gewalt sehr eng gefasst ist, da fällt jetzt nicht "Kleinkram" rein, sondern körperliche vorsätzliche Angriffe."
Bei Propagandadelikten sind Frauen anteilsmäßig öfter an Volksverhetzungen beteiligt als Männer. Trotzdem mangelt es an öffentlichem Bewusstsein gegenüber der Rolle der rechtsextremen Frau - als Täterin. Eine kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Linken an die Bundesregierung vom Juni dieses Jahres ergab, dass keine Projekte gefördert werden, die sich mit der Rolle von Frauen im Rechtsextremismus auseinandersetzen. Dabei, so Kenzo, sind Frauen als Täterinnen kein neues Phänomen.
"Es gab auch schon immer rechtsextreme Terroristinnen. Also bei dem Münchner Oktoberfest 1980, wo es 13 Tote gab, da waren auch Frauen im Hintergrund aktiv – nicht als Haupttäter, aber im Hintergrund. Aber sie waren immer mit beteiligt."
Dennoch: Vor Gericht und in der Öffentlichkeit gelten Frauen meist nur als harmlose Mitläuferin. Aber sind sie das wirklich?
Erkundungen im Kernland der NPD, im sächsischen Strehla. Ein mittelalterliches Städtchen mit knapp 4.000 Einwohnern. Verabredung mit Ines Schreiber. Seit gut sechs Jahren lebt die gebürtige Vorpommerin mit ihrem Mann Peter in der Kleinstadt an der Elbe. Ihr Ehemann ist Mitarbeiter der sächsischen NPD-Fraktion. Zielstrebig läuft sie über den Marktplatz. In dunklem Walle-Rock und schwarzem Parka. Die dunkelblonden gewellten Haare uneitel strubbelig. Sie strahlt. Und plaudert sofort los.
"Ich hab jetzt Zeit bis 13:30 Uhr, da kommt mein Kleiner aus der Schule, und der Große kommt um 14:30 Uhr, von daher habe ich jetzt Zeit. Die Oma ist versorgt."
Sie stellt gleich klar, dass sie es überhaupt nicht gewohnt sei, Interviews zu geben. Und dass sie auf Nachsicht und auf Fairness hoffe, falls sie sich mal verhaspelt. Die 38-Jährige ist verblüffend offen. Fast schon distanzlos.
Sie spielt mit dem Autoschlüssel in ihrer Hand. "Klagt nicht – kämpft", ist auf dem Schlüsselanhänger eingestickt. Ein Fallschirmjägerruf aus dem Zweiten Weltkrieg. Dieser Ausruf schmückt viele Produkte aus dem sogenannten Nationalen Kaufhaus, dem Online-Shop der "Deutschen Stimme". Verkauft werden Bekleidung und Accessoires, Möbel, Bücher, Filme, Schmuck, CDs und noch viel mehr – alles mit entsprechender Symbolik und Naziparolen verziert. Die "Deutsche Stimme" ist das Presseorgan der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands.
"Ich bin eigentlich Hausfrau und Mutter und ... Guten Tag."
Während der knapp 50 Meter über den Platz grüßt Ines Schreiber freundlich nach links und rechts. Und sie wird zurückgegrüßt:
"Und wenn man möchte, dass die Kinder ordentlich was werden, kann ich die Energie da voll reinstecken. Und ich habe ja auch noch andere Verpflichtungen, meiner Schwiegermutter gegenüber, meiner eigenen Familie gegenüber... Hallo. Ich habe das große Glück, dass ich eine Familie habe – bei den meisten ist es ja so, dass die Beziehungen nicht lange von Dauer sind. Ich seh' das hier, gerade in Strehla, natürlich konzentriere ich mich gerade ein bisschen mehr auf Strehla."
Ines Schreiber entspricht zu 100 Prozent dem Frauenbild, das in der Grundsatzschrift der "Gemeinschaft deutscher Frauen" beschrieben wird. Dahinter steckt die größte Vereinigung national gesinnter Frauen. In einem Vorwort unter der Überschrift "Die Frau in der nationalen Bewegung" heißt es wörtlich:
"Es ist jedoch selbstverständlich, dass eine deutsche Frau einem deutschen Mann zur Seite gestellt ist - ihm also von Natur aus gleichgestellt ist. Die Forderung nach einem "natürlichen Frauenbild" beinhaltet jedoch auch die Verpflichtung der deutschen Frau, "für den Erhalt der eigenen Art" zu sorgen. Verweigert sie sich den "eigenen, naturgegebenen Pflichten, dann macht sie sich im schwersten Maße mitschuldig am Untergang des eigenen Volkes"."
Rechtsextremismus sei längst keine Sache mehr, die nur junge, orientierungslose Männer begeistert, beobachtet Anetta Kahane von der Amadeu-Antonio-Stiftung. Der Namensgeber der Stiftung wurde 1990 von rechten Jugendlichen im brandenburgischen Eberswalde zu Tode geprügelt, weil er eine schwarze Hautfarbe hatte. Seit 1998 setzt sich die Initiative konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus ein. Anetta Kahane sagt, ohne Frauen würde die rechtsextreme Szene gar nicht funktionieren.
"Da sind Frauen nun mal der Schlüssel. Sie können keine rechte Familienkultur aufbauen, wenn die Frauen da nicht mitmachen. Und das haben wir ja nun mal im Nationalsozialismus gesehen: Die Frauen haben bei der Erziehung der Kinder und bei der Herausbildung der Familienidee und überhaupt dieser Rollenklischeeidee, spielen die da eine ganz entscheidende Rolle. Wenn die da nicht mitmachen, bricht die rechte Szene auseinander."
Wie auch das Beispiel von Ines Schreiber aus Strehla zeigt. Die 38-Jährige verbringt ihre Zeit gerne draußen, sie geht auf die Menschen zu und grüßt jeden. Im Café im Einkaufszentrum hängt sie ihren Mantel auf.
"Hätte ich jetzt eigentlich noch sagen müssen: Ich hab jetzt mal mein Deckmäntelchen abgelegt (lacht), soviel zum Thema."
Dann erzählt Ines Schreiber ihre Geschichte. In Stralsund geboren, wegen Jobs nach Niedersachsen gezogen. Dort war sie bei den rechtsradikalen Republikanern aktiv und hat ihren Mann kennengelernt. Peter Schreiber. Ehemaliger Steuerfahnder. Jetzt Mitglied des Stadtrats und Mitarbeiter der NPD-Landtagsfraktion. Auch Ines Schreiber gehört der rechtsextremen Partei an. Bei der Kommunalwahl ist sie nur knapp gescheitert. Vorher war sie Mitglied in der Elternkonferenz und Schöffin am Amtsgericht in Riesa. Die Parteiführung jubelte damals: Seht her, die NPD ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Seit Kurzem ist Ines Schreiber auch Vorsitzende des Bundesschiedsgerichtes der Partei. Sie ist also nicht nur die Frau an der Seite eines NPD-Politikers - sie ist zu 100 Prozent von deren politischen Ansichten überzeugt. Im Programm der NPD heißt es: Du bist nichts, dein Volk ist alles. Politik ist Dienst am Volk, heißt es wörtlich, und Dienst am Volk heißt, für dessen biologischen Fortbestand zu sorgen, also viele Kinder zu gebären.
"Gutes tun für Deutschland heißt, dafür Sorge tragen, dass unser Volk nicht untergeht, dass wir nicht irgendwann aussterben. Ja, das ist eben das Ziel, dass unser Volk Bestand hat und dass wir überleben als Volk und vor allen Dingen, meine Vision ist, dass wieder eine Volksgemeinschaft entsteht."
Ines Schreiber lebt ihre politischen Ansichten: Sie ernährt sich saisonbedingt und bringt den Söhnen Siegfried und Heinrich bei, dass sie Müll von der Straße aufsammeln sollen, weil so die Stadt schöner werde und Umweltschutz auch Heimatschutz sei. In Zeitungsartikeln über sie steht, dass ihre Kinder zuhause auch Hakenkreuze zeichnen dürfen. Stimmt das? Sie lächelt - wie immer - freundlich. Sie antwortet nicht, ihr Lächeln aber ist vielsagend.
Es ist Markttag in Strehla. Das heißt: Zwei Bäcker, ein Fleischer und ein Obstbauer haben Stände aufgebaut - das war`s.
"Guten Tag, darf ich Sie mal was fragen.
- Ja
- Kennen Sie die Frau Schreiber?-
- Ja. Ich find' die ganz nett. So gut kenne ich sie nicht. Sehr freundlich, sieht man oft, eigentlich kann ich nichts Schlechtes sagen."
Nichts Schlechtes über Ines Schreiber sagt auch die Klassenlehrerin ihres Sohnes Siegfried. In einem Zeitungsartikel spricht sie von einer "engagierten" Mutti, die – Zitat - "sehr aktiv arbeitet und gute Ideen hat". Um Politik gehe es dabei nie. Die Verkäuferin im Drogeriemarkt sagt, es sei gut, dass es eine Opposition gebe, egal ob es nun die Piraten oder die NPD sei - und die Ines sei sehr nett. Egal, wen man in Stehla nach Ines Schreiber fragt: Man findet kaum Ablehnung, wenn überhaupt nur ein leichtes Unwohlsein. Die Genannte lächelt zufrieden.
"Uns wird diese Grundfreundlichkeit, der gesamten NPD, uns wird das ja abgesprochen. Da kann man hinstellen, wen man will, das ist falsch: Wir sind ja gar nicht freundlich, wir sind ja böse."
Von der sanften, immer freundlichen Ines Schreiber scheint man nichts Böses befürchten zu müssen. Warum auch, sagt sie. Ihr gehe es darum, dass es allen Menschen gut geht - allerdings jedem in seinem eigenen Land. Irgendwie kann man die stets lächelnde 38-Jährige nicht in Verbindung bringen mit Gewalttaten von Neonazis, schon gar nicht mit der rechtsterroristischen Mordserie der Zwickauer Zelle. Trotzdem wird erneut über ein Verbot der NPD diskutiert.
"Ich denke, dass wir die Sehnsüchte der Menschen erfassen und sie dabei auf dieser Ebene greifen können."
Gesellschaftliches Engagement heißt das eigentlich – aber für die NPD ist es Strategie. Bei Ines Schreiber in Strehla funktioniert es. Im Sommer setzt sie sich zu den jungen, alleinerziehenden Müttern auf die Bank am Spielplatz, im Winter lädt sie sie nach Hause zum Bastelnachmittag ein.
"Da brauch ich mich nur hinsetzen und zuhören, mehr brauche ich gar nicht machen."
Für Rena Kenzo vom "Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus" ist Ines Schreiber ein klassisches Beispiel für gelungene Frauenpolitik der rechtsextremen NPD.
"Sie haben natürlich auch ein Anliegen, dass sie als harmlos, nett und sympathisch rüberkommen, da wo ihre Kinder verkehren, also in den Kindergärten, in den Schulen, im Sportverein. Und sie versuchen eben nicht, durch Aggressionen auf den ersten Blick ihre Ideologie unterzubringen, sondern durch Sympathie, Liebe und das Ausschlussverfahren. Also, dass die weiße Rasse oder die Deutschen liebenswert sind, aber geschützt werden muss vor dem Einfluss fremder Ideologien und Kulturen vor allen Dingen."
Auch Beate Zschäpe wird als freundlich beschrieben. Sie habe gut gekocht, erinnert sich eine Nachbarin, Plätzchen gebacken, sich liebevoll um ihre beiden Katzen Lilly und Heidi gekümmert und mit dem Besitzer einer griechischen Taverne in der Nachbarschaft geplaudert. Auch die Mutter von Uwe Böhnhardt hatte die Hoffnung, so sagt sie in einem ARD-Interview, dass Uwes neue Freundin Beate ihn Ende der 90er-Jahre aus der rechten Szene rausholen und seiner kriminellen Karriere ein Ende setzen könnte.
Frau sein galt in der rechten Szene lange und gilt immer noch als Tarnung. Auch die Mutter von Böhnhardt hatte sich in Zschäpe wohl getäuscht. Bis sie sich Ende der 90er-Jahre dem gewaltbereiten Thüringer Heimatschutz anschloss, einer rechtsextremen Kameradschaft, die der NPD nahe steht. In einem Spiegel-Artikel ist zu lesen, dass sie, die linientreue Aktivistin, auch mal grob geworden sei. Zschäpe soll für ihre heftigen Übergriffe vor allem auf Frauen berüchtigt gewesen sein. Einer Kontrahentin soll sie einen Arm gebrochen haben. Überhaupt soll das Terror-Trio viel weibliche Unterstützung gehabt haben, behauptet jedenfalls Apabiz, ein antifaschistisches Pressearchiv in Berlin. Nach dessen Recherchen sollen mindestens 20 Prozent der NSU-Helfer Frauen gewesen sein. Auch Rena Kenzo sagt:
"Während ja die Männer ja auch festgenommen wurden oder ja auch Hausdurchsuchungen waren, wurden die Frauen dabei zwar auch mit entdeckt, aber ihre Rolle wurde wieder heruntergespielt, so wie jetzt bei Mandy Struck zum Beispiel, die ja immerhin Beate Zschäpe auch eine Identität gegeben hat, also Ausweisdokumente gegeben hat. Und auch Mandy Struck wurde als harmlose Friseurin dargestellt, die sich schon längst distanziert hat von der Szene offiziell, was einfach so nicht stimmt."
Die von Kenzo namentlich genannte Mandy Struck war genauso wie Beate Zschäpe lange Zeit Mitglied in der Hilfsgemeinschaft für nationale Gefangene. Eine rechte Frauenorganisation, die sich bis zu deren Verbot 2011 um rechtskräftig verurteilte Gesinnungsgenossen kümmerte. Im Ermittlungskomplex NSU sollen neben Mandy Struck noch 25 weitere Frauennamen auftauchen.
Ihre Rolle daher als "nachrangig" zu verharmlosen wäre fatal, warnt etwa "Apabiz", das antifaschistische Pressearchiv in Berlin. Denn Zschäpe soll, so behaupten es die Apabiz-Rechercheure, diejenige gewesen sein, die sich gegen eine Flucht des Trios ins Ausland gesperrt und damit den Boden als mordende Untergrundzelle erst bereitet habe. Aber, so schreibt Apabiz:
"Der NSU hätte wahrscheinlich nicht 13 Jahre unentdeckt im Untergrund morden können, ohne seine bürgerliche Fassade gegenüber Nachbarinnen und Bekannten so erfolgreich aufrecht zu erhalten. Dies ist vor allem der Frau im Trio zu verdanken."
Die Zeit drängt. Seit neun Monaten sitzt Beate Zschäpe in Untersuchungshaft. Das Gesetz sieht Untersuchungshaft über ein halbes Jahr hinaus aber nur in Ausnahmefällen vor. Nur "ein wichtiger Grund oder der besondere Umfang der Ermittlungen" können laut Paragraf 121 der Strafprozessordnung eine Inhaftierung über sechs Monate hinaus rechtfertigen. Und diese Begründung muss die Bundesanwaltschaft in dieser Woche, zum nächsten Haftprüfungstermin am 18. August, liefern.
Spekulationen, wonach die Bundesanwaltschaft die mutmaßliche Mitbegründerin der rechtsterroristischen NSU noch im Sommer anklagen wird, scheinen sich nicht zu bestätigen. Ein Sprecher der Behörde erklärte heute, man strebe den Abschluss der Ermittlungen gegen Beate Zschäpe bis Herbst an. Vorher kann keine Anklage erhoben werden. Inzwischen aber verdichten sich die Hinweise, dass die 37-Jährige mit einer Anklage wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und gefährlicher Brandstiftung nicht davonkommen wird. Mittäterschaft an der Ermordung von neun türkisch- oder griechischstämmigen Kleinunternehmern sowie der Tötung einer Polizistin könnten hinzukommen.