"Auf dieser Straße wohnten die höheren Angestellten der amerikanischen Botschaft."
"Da, wo das zweite Gebäude steht, war früher ein Schwimmbad und ein Fitness-Center (...) und eine Kegelbahn und eine Snackbar. War alles da in diesem Haus drin, ist leider abgerissen worden. (...) Und dahinter ist der amerikanische Club."
Vor etwa 60 Jahren kam der amerikanische Journalist Don Jordon als Schüler mit seinen Diplomaten-Eltern nach Bonn. Damals hatte Deutschland gerade seinen Besatzungsstatus verloren. Kurz darauf, im Jahr 1949, wurde die Provinzstadt am Rhein auch Dienstsitz für den damaligen amerikanischen Hochkommissar John Mc Cloy und seinen umfangreichen diplomatischen Apparat. Die neuen Bewohner aus Übersee selbst beauftragten den deutschen Nachkriegsarchitekten Sep Ruf, für sie drei Bonner Siedlungen zu bauen. Der erste Spatenstich erfolgte 1951, nach nur neun Monaten konnten sie die ersten Wohnungen beziehen.
Ruf plante für die großzügigen, klaren Kuben-Bauten große Fensterfronten mit schmalen Profilen und leicht auskragenden Dächern mit klaren Blickachsen, die ins Grüne führten. Die Wohneinheiten und die eigens angelegten großzügigen Rasenflächen sollten durch niedrige Bebauung zu einer aufgelockerten Auenlandschaft verschmelzen. Vorbild war der klassische amerikanische Bungalow.
"Das war hier ein amerikanisches Biotop in all den Nachkriegsjahren bis in die 90er-Jahre hinein. Hier lebten ungefähr 450 amerikanische Familien. In dieser Siedlung haben historische Gespräche stattgefunden, und historische Beziehungen sind hier aufgebaut worden."
Seit dem Jahr 2000 unter Denkmalschutz
Der Marshallplan war genau hier, in der Amerikanischen Siedlung in Bonn-Plittersdorf, unterzeichnet worden. Zahlreiche US-Präsidenten haben die Wohnanlage besucht. Sep Ruf hatte sozusagen den Grundstein für die transatlantische Partnerschaft zwischen den USA und Deutschland gelegt. Die Plittersdorfer Siedlung ist die architekturhistorisch wertvollste der drei Wohnanlagen und galt damals sogar als Deutschlands größtes geschlossenes Bauvorhaben. Weil sich die Anlage direkt am Rhein befindet und Bonn zu den stark wachsenden Städten in Deutschland zählt, ist sie heute allerdings vor allem noch für Investoren attraktiv.
Nach dem Wegzug der amerikanischen Botschaft nach Berlin im Jahr 2000 wurde die komplette Siedlung, zu der unter anderem ein eigenes Postamt und ein Kino gehörten, unter Denkmalschutz gestellt. Die Amerikaner verkauften die Bauten an die deutsche Bundesregierung, diese dann an die Wohnungsbaugesellschaft Vebowag. Das Unternehmen plant schon seit längerem, die Siedlung "nachzuverdichten", wie es im Planerdeutsch heißt – also zusätzliche Gebäude zu errichten. Daraufhin formierte sich unter den Bewohnern Widerstand.
"Im April 2014 wurde bekannt, dass Pläne existierten, im Auftrag der Vebowag, hier überall in dieses Gelände sieben mehrstöckige Wohnhäuser mit Wohnungen zu bauen, hier mitten rein in diese Rasenfläche.Und diese Pläne wurden durch Akteneinsicht bei der Stadtverwaltung offen gelegt durch eine Wählergruppe. Und daraufhin haben wir unsere Bürgerinitiative gegründet."
Jochen Fischer, Vorsitzender der Bürgerinitiative und Eigentümer einer Wohnung in der Anlage. Die Vebowag äußert sich zu den "Nachverdichtungs"-Plänen momentan nicht, was Jochen Fischer zufolge jedoch nicht heißt, dass die Umbauvorhaben damit vom Tisch wären. Immerhin wurde schon vor sieben Jahren ein erheblicher Teil der Siedlung durch den Verkauf an einen Investor irreparabel zerstört und neu bebaut – trotz Denkmalschutz. Mit dem Kindergarten der Siedlung wurden schon Tatsachen geschaffen – er steht seit einigen Wochen leer. Pläne für den Abriss und einen kompletten mehrgeschossigen Neubau, gibt es schon; ein weiterer Verstoß gegen die eigentlich strengen Auflagen des Denkmalschutzes, der für dieses Gebäude nur eine ebenerdige Bebauung vorsieht. Ähnlich scheint man nun mit dem Amerikanischen Club zu verfahren, der ebenfalls zur umfassenden Versorgungs-Infrastruktur der Rufschen Siedlung gehörte. Im Laufe der Jahre ist der einst noble Versammlungsort zu einem hässlichen Schandfleck geworden. Zu morsch, um auf eine Instandsetzung weiterhin geduldig zu warten. Bonn steht dabei stellvertretend für unzählige ähnliche Probleme in ganz Deutschland.
"So ein Bau aus den 50er-Jahren erklärt sich nicht immer von selber. Und ich muss sagen, auch unsere Förderer sind eigentlich gewohnt, dass wir – ich sag mal – Dorfkirchen in Ostdeutschland und Herrenhäuser fördern, aber die Bauten der 50er- und 60er-Jahre sind auch für uns ein neues Thema", gesteht Holger Rescher, Abteilungsleiter im Bereich Denkmalkunde bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, deren Sitz sich übrigens in einem Bonner Verwaltungsgebäude von Sep Ruf befindet.
Die Stiftung investierte viel in seine behutsame Sanierung. Heute erstrahlt der Bau in neuem Glanz. Andere Nachkriegsbauten, von denen es in Bonn viele gibt, warten dagegen noch immer auf eine ähnliche umfassende Renovierung. Ganz zu schweigen von den anderen 50er-Jahre-Gebäuden, die überall in Deutschland peu à peu aus dem Stadtbild verschwinden. Wenn der Denkmalschutz für die unmittelbare Nachkriegszeit weiterhin nicht ernst genommen wird, bleibt auch der Abbau der Bonner Amerikanischen Siedlung nur eine Frage der Zeit.
"Dass man hier die Wohnanlagen auch noch den wirtschaftlichen Interessen unterordnen möchte, das geht zu weit. Irgendwo muss man doch ein bisschen Respekt vor der Geschichte haben und auch vor dem Gesetz."