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"Die Universitäten nicht ins Unermessliche wachsen lassen"

Zwei Drittel aller Hochschulen in Deutschland haben neuerdings eine Zulassungsbeschränkung für ihr Studienangebot eingeführt. Wer sich in ganz Deutschland umschaue, könne dennoch einen Studienplatz finden, sagt Horst Hippler, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz.

Horst Hippler im Gespräch mit Ulrike Burgwinkel |
    Ulrike Burgwinkel: Auf Kante sei das alles genäht - ein Urteil aus berufenem Munde von der Hochschulrektorenkonferenz. Zu knapp gefasst, sodass die Naht jederzeit reißen könnte: Das sind auf der einen Seite die Studierwilligen – sehr viele –, und auf der anderen die Studienplätze – zu wenige. Das ist jetzt keine neue Erkenntnis. Neu ist aber, dass nunmehr zwei Drittel aller Hochschulen für ihr Studienangebot eine Zulassungsbeschränkung eingeführt haben. Professor Horst Hippler ist der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz. Guten Tag nach Karlsruhe!

    Horst Hippler: Ja, schönen guten Tag!

    Burgwinkel: Herr Hippler, habe ich mich mal gefragt: Dürfen die das eigentlich, so einfach die Schotten dicht machen?

    Hippler: Ja, das dürfen die, weil natürlich die Studienplätze berechnet werden nach einer Kapazität, und das Land stellt durch die Ausstattung eine gewisse Kapazität zur Verfügung. Und wenn die Kapazität ausgeschöpft ist, dann dürfen sie das natürlich tun.

    Burgwinkel: Sehen Sie das als so eine Art Selbstverteidigungsmaßnahme?

    Hippler: Ich denke mal, da die Ausstattung der Universitäten oder der Hochschulen allgemein nicht gewachsen ist und nicht nachhaltig gewachsen ist, ist das eigentlich eine ganz normale Konsequenz.

    Burgwinkel: Welche Möglichkeiten sehen Sie denn für Studierwillige? Sehen Sie Ausweichstrategien für solche Leute, die keinen Platz kriegen?

    Hippler: Also ich denke mal, die Möglichkeiten, einen Studienplatz zu bekommen, sind nicht so schlecht, wie man tatsächlich denkt. Natürlich ist die Nachfrage an den beliebtesten Orten relativ hoch, aber die Studierenden haben ja auch eine Strategie entwickelt und bewerben sich an vielen Hochschulen gleichzeitig. Das führt natürlich dazu, dass der Überblick nicht so ganz einfach ist. Und insofern, denke ich mal, ist auch möglich, tatsächlich einen Studienplatz zu bekommen. Vielleicht nicht unbedingt in dem Wunschfach, besonders nicht unbedingt an dem Wunschort, aber Deutschland ist ja groß.

    Burgwinkel: Na, aber ob man eine Art Vernunftehe eingehen soll und ein Fach studieren, das man eigentlich gar nicht möchte - das scheint doch zum Scheitern verurteilt?

    Hippler: Da bin ich nicht so sicher, weil man ja gar nicht weiß, was man wirklich möchte. Denn das Studium hat ja mit einer Schule wirklich nicht viel zu tun, und genau zu wissen, was man natürlich möchte, ist nicht so ganz einfach festzustellen. Insofern ist die Situation in Deutschland ein bisschen schwierig, weil man sich natürlich sehr, sehr früh für einen Studiengang entscheiden muss und man keine echte Orientierungsphase hat, welcher Studiengang tatsächlich für einen geeignet ist. Denn kein Studienfach ist identisch mit dem, was an der Schule tatsächlich passiert. Und viele Studienfächer existieren ja an der Schule gar nicht.

    Burgwinkel: Jetzt haben wir gerade über Ausweichmöglichkeiten für Studierwillige gesprochen. Wie sieht das denn mit den Hochschulen aus? Welche anderen Lösungen würden Sie da vorschlagen? Ich meine, eine Hochschule möchte doch gerne möglichst viele Studierwillige zu sich holen und die da auch vernünftig ausbilden.

    Hippler: Ja, aber das muss natürlich alles passen in die Kapazität einer Hochschule. Es muss passen in die Räume, die dort sind. Es muss passen in die Anzahl der Dozenten, die dort sind. Und man darf natürlich nicht davon ausgehen, dass man sagt, man macht alles zu. Wir haben ja diese Nachfrage nach einigen Studiengängen schon lange, wo die Ausstattung und die Studienplätze nicht hinreichend sind. Also besonders natürlich die Fächer wie Medizin oder Psychologie oder eben auch Wirtschaftswissenschaften, da ist ja die Nachfrage immer sehr, sehr groß gewesen. Ich denke, da ist auch nicht viel Neues passiert. Und die Zahl der NC-Fächer hat sich ja nicht verändert in diesem Jahr.

    Burgwinkel: Letztlich ist es doch wieder, Herr Hippler, eigentlich eine Frage der Finanzierung.

    Hippler: Das ist natürlich immer eine Frage der Finanzierung. Aber Sie müssen schon ein bisschen aufpassen, dass Sie die Universitäten nicht ins Unermessliche wachsen lassen. Es gibt natürlich nachgefragte Orte, an denen man gerne studieren möchte, aber es macht ja keinen Sinn, eine Universität wie zum Beispiel eine der größten Universitäten Deutschlands, die Universität von Köln, jetzt sozusagen in der Anfängerzahl zu verdoppeln, nur um der Nachfrage nach Köln gerecht zu werden. Das macht ja keinen Sinn.

    Burgwinkel: Ja, Nordrhein-Westfalen ist in diesem Jahr wohl besonders betroffen, also es ist das bevölkerungsreichste Bundesland und dann haben die auch noch den doppelten Abiturjahrgang. Vielleicht müssten die Leute mal in den Osten gucken.

    Hippler: Ich denke, da ist was dran, und es gibt sehr, sehr gute Studienbedingungen in den östlicheren Bundesländern oder auch in den nördlichen Bundesländern, da muss man wirklich mal hinschauen. Und ich denke mal, für einen Studenten gibt es eigentlich nichts Besseres, als sozusagen das Hotel Mama mal zu verlassen.

    Burgwinkel: Nun sind die Engpässe, Herr Hippler, nicht nur bei den Bachelor Studies, sondern eben auch wesentlich später gibt es einen weiteren Engpass, den Zugang zum Master. Wie sehen Sie da eine Lösungsmöglichkeit?

    Hippler: Also da sehe ich ein gewisses Problem deutschlandweit, weil der Hochschulpakt, der geschlossen wurde, wo Bund und Länder neue Studienplätze geschaffen haben, aber nur für den Bachelor-Bereich, dass die Nachfrage nach Masterstudienplätzen in der Zukunft steigen wird und diese Nachfrage dann eben auch nicht befriedigt werden kann. Da ist wirklich Nachholbedarf.

    Burgwinkel: Wie könnte der aussehen?

    Hippler: Indem man den Hochschulpakt erweitert, um neue Studienplätze tatsächlich zu schaffen und sie auch sozusagen zu finanzieren. Das Spannende an der ganzen Geschichte ist eigentlich, dass wir im Moment kein nachhaltiges Instrument haben, sondern immer nur Projekte. Und das führt dazu, dass die Hochschulen nicht in der Lage sind, auch tatsächlich Personal einzustellen, welches dann nachhaltig diese Nachfrage dann auch befriedigen kann, sondern eben nur auf Zeitverträgen.

    Burgwinkel: Ist letztlich dann doch wieder die Aufhebung des Kooperationsverbotes in Rede?

    Hippler: Ich denke, das ist eine ganz, ganz wichtige Frage. Die Bundesländer können dieser großen Nachfrage gar nicht mehr nachkommen, der Finanzierung von Studienplätzen. Man muss sich aber auch mal klarmachen, dass wir heutzutage in einer ganz, ganz anderen Situation sind, wo 50 Prozent eines Jahrganges tatsächlich an die Hochschulen streben. Und da ist es sowohl Aufgabe des Bundes als auch der Länder, diese Nachfrage zu befriedigen.

    Burgwinkel: Eine letzte Sache fand ich noch ganz spannend, hätte ich gerne Ihre Einschätzung zu gehört: Nach der HIS-Studie, die gestern veröffentlicht worden ist, fühlen sich 73 Prozent aller Studis recht gut an ihrer Hochschule und sind zufrieden. Das ist doch erstaunlich!

    Hippler: Das ist überhaupt nicht erstaunlich. Da sehen Sie sozusagen die Qualität der Hochschulen, dass sie sich große Mühe geben, sozusagen den Studierenden tatsächlich entgegenzukommen und denen ein sehr, sehr gutes Lehrangebot zu bieten.

    Burgwinkel: Dann hängt das mit dem Numerus Clausus zusammen, also dass nicht so viele rein dürfen wie rein wollen?

    Hippler: Es hängt damit zusammen, dass man versucht, die Hochschulen so zu gestalten, dass sie nicht überlaufen werden. Teilweise sind ja Fächer doch überlaufen, aber trotzdem gibt man sich große Mühe, die Studierenden anständig zu betreuen. Ein weiteres Wachstum ist dann sehr, sehr schwer möglich.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.