Britta Fecke: In den letzten Stunden wurde die Region um die Reaktorruine Fukushima erneut von schweren Erdbeben erschüttert. Die Arbeiten wurden ausgesetzt und die Stromversorgung war teilweise unterbrochen. Unabhängig von den neuen Erdstößen hat die japanische Atomsicherheitsbehörde die Reaktorkatastrophe von Fukushima ebenso schwer eingestuft wie den Gau von Tschernobyl. Damit rangiert Fukushima auf der internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse nicht mehr auf Platz fünf, sondern auf der höchsten Stufe sieben. Dennoch ist diese Sieben nicht dieselbe wie in Tschernobyl. – Zu mir ins Studio gekommen ist mein Kollege Arndt Reuning aus der Deutschlandfunk-Wissenschaftsredaktion. Herr Reuning, was unterscheidet die sieben von Fukushima von der in Tschernobyl?
Arndt Reuning: In Japan, in Fukushima, ist ungefähr nur ein Zehntel der Menge an radioaktiver Substanz freigesetzt worden, verglichen mit Tschernobyl. Das ist allerdings für die Bewertung auf dieser INES-Skala nicht ausschlaggebend. Stufe sieben bedeutet einfach nur, der Unfall hat Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt in einem weiten Umfeld, und das ist sicher sowohl der Fall in Fukushima als auch in Tschernobyl. Besonders nachdem gestern nun die Evakuierungszone ausgeweitet worden ist auf eine bestimmte ausgewählte Region, ist diese Hochstufung durchaus folgerichtig. Aber die INES-Skala kann eben nicht weiter differenzieren. Es gibt keine höhere Stufe als sieben. Beide Unfälle haben den Anschlagspunkt erreicht, sind aber nicht gleich schlimm, zumindest noch nicht.
Fecke: Das heißt, diese Skalierung sagt nichts Konkretes aus über die Gefahren für Umwelt und menschliche Gesundheit?
Reuning: Doch. Dafür ist sie ja eigentlich ins Leben gerufen worden. INES, diese internationale Bewertungsskala, wurde nach Tschernobyl eben zur Bewertung von diesen Unfällen gegründet, und sie soll einfach kommunizieren, wie sehr denn diese Auswirkungen auf die Umwelt und auch auf den Reaktor selbst ins Gewicht fallen werden, ohne zu sehr in die technischen Details gehen zu müssen. Die Einordnung geschieht nach einem Katalog von Kriterien, den die Internationale Atomenergiebehörde IAEA veröffentlicht hat. Ganz grob: Was bedeutet das Ereignis in der Anlage für die Sicherheitssysteme dort, ist in der Anlage Radioaktivität freigesetzt worden, oder ist sie sogar wie in diesem Fall nach außen gedrungen und in welchem Radius.
Es gibt sieben dieser Stufen, ganzzahlige Stufen. 5,5 zum Beispiel gibt es nicht. Manche Vorfälle ordnet man sogar auf der Stufe null ein, wenn sie keine Auswirkungen haben. Unter der Stufe vier spricht man von einem Störfall, ab der Stufe vier von einem Unfall. Bisher hatte es weltweit nur einen Unfall der Stufe sieben gegeben, eben Tschernobyl.
Fecke: Wie hoch wurde denn der bisher stärkste Störfall in Deutschland eingestuft?
Reuning: Die höchste INES-Stufe, die in Deutschland erreicht worden ist, ist Stufe zwei. 2001 war es zu zwei Vorfällen im Kernkraftwerk Philippsburg gekommen. Stufe zwei eben ein Störfall. Damals hatte es Probleme mit Flutbehältern gegeben; das sind Vorratsbehälter, in denen Wasser und Borsäure stehen. Da hat etwas mit der Füllhöhe und mit der Bor-Konzentration nicht gestimmt.
Fecke: Welche Auswirkungen haben die neuen Beben der Stärke sieben und jetzt jüngst der Stärke sechs auf die Arbeiten an der AKW-Ruine?
Reuning: Das jüngste Beben von heute Nacht hat in Fukushima wenig Schaden angerichtet. Die Stromversorgung ist nicht unterbrochen worden, so wie gestern das der Fall war. Aber jedes Mal, wenn die Arbeiter evakuiert werden müssen, verlassen sie die Notstrom-Aggregate und die Spezialfahrzeuge, welche die Anlage mit Energie versorgen, und dabei kann es eben geschehen, dass diese Stromquellen zusammenbrechen. Das zeigt einfach, wie verletzlich diese Anlage jetzt in so einer Situation ist, die niemand vorhergesehen hat, oder vielleicht nicht vorhersehen wollte, eine Situation, die in den Notfall-Handbüchern einfach nicht vorgesehen war. Solche Nachbeben wird es wahrscheinlich auch weiterhin geben, das ist eine ständige Gefahr. Nicht nur Stärke sechs-Komma-irgendwas, sondern auch Siebener-Beben sind möglich, eventuell sogar Beben der Stärke acht, und das kann natürlich eine potenzielle Gefahr sein auch für die Stabilität, die mechanische Stabilität dieser Reaktor-Schutzgefäße, denn die sind ja mittlerweile stark durch diese Kühlversuche in Mitleidenschaft gezogen worden.
Fecke: Vielen Dank für die Einschätzung der neuen Situation in Fukushima an meinen Kollegen Arndt Reuning aus der Wissenschafts-Redaktion.
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Arndt Reuning: In Japan, in Fukushima, ist ungefähr nur ein Zehntel der Menge an radioaktiver Substanz freigesetzt worden, verglichen mit Tschernobyl. Das ist allerdings für die Bewertung auf dieser INES-Skala nicht ausschlaggebend. Stufe sieben bedeutet einfach nur, der Unfall hat Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt in einem weiten Umfeld, und das ist sicher sowohl der Fall in Fukushima als auch in Tschernobyl. Besonders nachdem gestern nun die Evakuierungszone ausgeweitet worden ist auf eine bestimmte ausgewählte Region, ist diese Hochstufung durchaus folgerichtig. Aber die INES-Skala kann eben nicht weiter differenzieren. Es gibt keine höhere Stufe als sieben. Beide Unfälle haben den Anschlagspunkt erreicht, sind aber nicht gleich schlimm, zumindest noch nicht.
Fecke: Das heißt, diese Skalierung sagt nichts Konkretes aus über die Gefahren für Umwelt und menschliche Gesundheit?
Reuning: Doch. Dafür ist sie ja eigentlich ins Leben gerufen worden. INES, diese internationale Bewertungsskala, wurde nach Tschernobyl eben zur Bewertung von diesen Unfällen gegründet, und sie soll einfach kommunizieren, wie sehr denn diese Auswirkungen auf die Umwelt und auch auf den Reaktor selbst ins Gewicht fallen werden, ohne zu sehr in die technischen Details gehen zu müssen. Die Einordnung geschieht nach einem Katalog von Kriterien, den die Internationale Atomenergiebehörde IAEA veröffentlicht hat. Ganz grob: Was bedeutet das Ereignis in der Anlage für die Sicherheitssysteme dort, ist in der Anlage Radioaktivität freigesetzt worden, oder ist sie sogar wie in diesem Fall nach außen gedrungen und in welchem Radius.
Es gibt sieben dieser Stufen, ganzzahlige Stufen. 5,5 zum Beispiel gibt es nicht. Manche Vorfälle ordnet man sogar auf der Stufe null ein, wenn sie keine Auswirkungen haben. Unter der Stufe vier spricht man von einem Störfall, ab der Stufe vier von einem Unfall. Bisher hatte es weltweit nur einen Unfall der Stufe sieben gegeben, eben Tschernobyl.
Fecke: Wie hoch wurde denn der bisher stärkste Störfall in Deutschland eingestuft?
Reuning: Die höchste INES-Stufe, die in Deutschland erreicht worden ist, ist Stufe zwei. 2001 war es zu zwei Vorfällen im Kernkraftwerk Philippsburg gekommen. Stufe zwei eben ein Störfall. Damals hatte es Probleme mit Flutbehältern gegeben; das sind Vorratsbehälter, in denen Wasser und Borsäure stehen. Da hat etwas mit der Füllhöhe und mit der Bor-Konzentration nicht gestimmt.
Fecke: Welche Auswirkungen haben die neuen Beben der Stärke sieben und jetzt jüngst der Stärke sechs auf die Arbeiten an der AKW-Ruine?
Reuning: Das jüngste Beben von heute Nacht hat in Fukushima wenig Schaden angerichtet. Die Stromversorgung ist nicht unterbrochen worden, so wie gestern das der Fall war. Aber jedes Mal, wenn die Arbeiter evakuiert werden müssen, verlassen sie die Notstrom-Aggregate und die Spezialfahrzeuge, welche die Anlage mit Energie versorgen, und dabei kann es eben geschehen, dass diese Stromquellen zusammenbrechen. Das zeigt einfach, wie verletzlich diese Anlage jetzt in so einer Situation ist, die niemand vorhergesehen hat, oder vielleicht nicht vorhersehen wollte, eine Situation, die in den Notfall-Handbüchern einfach nicht vorgesehen war. Solche Nachbeben wird es wahrscheinlich auch weiterhin geben, das ist eine ständige Gefahr. Nicht nur Stärke sechs-Komma-irgendwas, sondern auch Siebener-Beben sind möglich, eventuell sogar Beben der Stärke acht, und das kann natürlich eine potenzielle Gefahr sein auch für die Stabilität, die mechanische Stabilität dieser Reaktor-Schutzgefäße, denn die sind ja mittlerweile stark durch diese Kühlversuche in Mitleidenschaft gezogen worden.
Fecke: Vielen Dank für die Einschätzung der neuen Situation in Fukushima an meinen Kollegen Arndt Reuning aus der Wissenschafts-Redaktion.
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