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Die Unterschiede zwischen Sozialisten und Sozialdemokraten

Die SPD in Paris lud pünktlich zum 150. Parteigeburtstag französische Sozialisten und deutsche Sozialdemokraten zur Diskussion über Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Europapolitik - zum Beispiel, warum die Franzosen sich mit einer europäischen Wirtschaftsregierung schwertun.

Von Ursula Welter |
    In der Parteizentrale der Sozialisten auf dem linken Seine-Ufer geht es an diesem Abend um Europa. Der Abgeordnete Jo Leinen ist angereist. Der kleine, aber rege Ortsverein der SPD in Paris hat eingeladen. Die deutschen Genossen dürfen die Räume der französischen Sozialisten nutzen, Europa ist auch deshalb keine leere Worthülse.

    Der deutsche Gast aus dem Straßburger Parlament sagt im Saal in der Rue Solferino, was Frankreichs Staatspräsident Hollande kaum 24 Stunden später vor der Weltpresse auch sagen wird: "Europa muss den nächsten Schritt gehen."

    "Vertiefung", "politische Union", "Wirtschaftsregierung für die Eurozone", die Stichworte für diese nächste Etappe werden allesamt benannt. Vorne im gut gefüllten Saal sitzen Studenten der Politikwissenschaften, deutsche und französische. Weiter hinten, am langen Tisch, Alfred Großer, der sich als Vermittler zwischen diesen beiden Welten einmischen möchte, denn er glaubt nicht, dass Frankreich bereit sein wird, mehr Souveränität nach Brüssel abzugeben.

    Charles de Gaulle habe einst Jean Monnet den Rang abgelaufen, seither triumphiere in Europa das Intergouvernementale. Die Gemeinschaftsmethode habe das Nachsehen und deshalb glaube er nicht eine Sekunde daran, dass eine französische Regierung eine europäische Wirtschaftsregierung akzeptieren werde.

    Dass 24 Stunden später der französische Staatspräsident genau dies vorschlagen würde, konnte Alfred Großer da noch nicht wissen, aber seine Skepsis dürfte auch das kaum mindern. Denn wie die Wirtschaftsregierung à la Hollande im Detail am Ende aussehen wird, ist offen. Und auch, ob Frankreich tatsächlich mehr Macht mit Brüssel teilen will.

    Denn Frankreichs Sozialisten wird in dieser Europadebatte scharfer Wind entgegenwehen, im eigenen, äußersten linken Lager aber natürlich auch von rechts außen. Etwa so:

    "Je mehr Europa es gibt, desto weniger funktioniert das", sagt etwa die Chefin des radikalen Front National. Aber Madame Le Pen ist weit an diesem Abend, es ist eine Europadebatte, die die Linke unter sich führt. Und hier geht es um etwas anderes. Nämlich um die Frage, ob Sozialisten und Sozialdemokraten dieselbe Sprache sprechen, dieselben Dinge meinen, wenn sie von Europa reden? Auch an diesem Punkt legt Alfred Großer den Finger in die Wunde:

    "Das Wort "sozialdemokratisch" ist eine Beleidigung in Frankreich."

    Tatsächlich wird Francois Hollande mit kritischem Unterton als "Sozialdemokrat" bezeichnet immer dann, wenn ihm die äußerste Linke vorwirft, er gehe zu weit mit seinem Reformeifer à la Schröder oder der Sparpolitik à la Merkel.

    Dennoch werden Frankreichs Sozialisten ab heute mit der SPD feiern. Der Parteichef Harlem Désir und viele mit ihm werden nach Leipzig fahren, heute Abend mit den Genossen aus Deutschland die "Alliance Progressiste" als Alternative zur "Sozialistischen Internationale" im Ringcafé von Leipzig aus der Taufe heben und sie werden, zweifellos, über Europa reden und darüber, dass Staatspräsident Hollande nun doch nicht die Wahlen in Deutschland abgewartet hat, um eine Initiative für mehr Europa zu starten.

    In seinem Umfeld hatte es lange geheißen, der Präsident setze auf einen Wahlsieg in Deutschland, um dann die Politik in Europa neu zu justieren. Aber offenbar hat sich bis in den Elysée-Palast herumgesprochen, was Alfred Großer den Genossen an der Seine schon lange sagt: SPD und CDU lägen im Wahlprogramm gar nicht so weit auseinander, wie man in Paris häufig denke.

    "Es wäre ein Fehler, zu glauben, an der deutschen Politik würde sich sehr viel ändern, würde die SPD gewinnen."

    So will Francois Hollande die Monate bis zur Bundestagswahl nicht nutzlos verstreichen lassen, hat seinen Vorstoß mit Angela Merkel abgestimmt, wie es in Paris heißt, und fordert nun also auch, wie diese zuvor schon, eine Wirtschaftsregierung für Europa. Die Zeichen stehen auf Harmonie, jedenfalls vorerst, sodass die SPD mit konservativer Bundeskanzlerin aus Berlin und sozialistischem Präsidenten aus Paris in einem Saal feiern kann:

    "Ich fahre zum Geburtstags-Kongress der SPD nach Leipzig, halte dort die Grundsatzrede. Aber mische ich mich in die Innenpolitik Deutschlands ein? Ganz und gar nicht!"