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Die US-Demokraten vor ihrem "Parteitag"
Nicht nur online vereint gegen Trump

Wegen der Corona-Pandemie findet der Nominierungsparteitag der US-Demokraten ausschließlich online statt. Störungen wird es also wohl kaum geben. Aber großer Zwist ist auch nicht mehr zu befürchten, denn auch die Parteilinke unter Bernie Sanders unterstützt inzwischen Joe Biden als Spitzenkandidaten.

Von Thilo Kößler |
Joe Biden und Kamala Harris, Präsidentschafts- und Vizepräsidentschaftsbewerber in den USA
Joe Biden und Kamala Harris, Präsidentschafts- und Vizepräsidentschaftsbewerber in den USA (imago images / UPI Photo)
Kein Fahnenmeer, keine Menschenmassen, keine Jubelstürme in einer riesigen Tagungsarena – alles abgesagt. Die Corona-Pandemie hat auch den Nominierungsparteitag der Demokraten fest im Griff. Er wird vier Tage dauern – und ausschließlich online stattfinden. Die großen Fernsehanstalten werden das Programm täglich zwischen 21 und 23 Uhr Ortszeit übertragen, also zwischen drei und fünf Uhr morgens mitteleuropäischer Sommerzeit. Es wird aus zumeist vorproduzierten Reden und aus persönlichen Videobotschaften bestehen, die aus dem ganzen Land kommen und zu einem Panoptikum des politischen Aufbruchs werden sollen. Die Korrespondentin von NPR, dem nationalen Rundfunk, kann sich noch gar nicht vorstellen, wie diese Convention klingen wird – das wird eine sehr ungewohnte, eine sehr leise Veranstaltung werden, sagt die Radioreporterin Asma Khalid.
Störungsfreie Parteitagschoreographie
Die Parteitagsregie wird strikt über die Einhaltung der Übertragungszeiten und damit auch der Redezeiten wachen. Ob da wirklich Begeisterung aufkommen wird, bleibt abzuwarten und hängt nicht zuletzt von der Technik ab. Doch David Axelrod, Obamas ehemaliger Chefstratege im Weißen Haus, sieht auch Vorteile: Die Parteitagschoreographie könne störungsfrei gesteuert und kontrolliert werden.
Kamala Harris und Joe Biden treten mit Corona-bedingten Abstand zueinander gemeinsam auf einer Bühne auf. Harris steht am Redepult während Biden ihr zuhört.
Joe Biden nominiert Kamala Harris - Die geballte Antithese zu Donald Trump
Kamala Harris sei die perfekte Kandidatin für den Posten der Vizepräsidentin, kommentiert Thilo Kößler. Nun fange der Wahlkampf richtig an.
Mit Buhrufen oder Protestaktionen ist also nicht zu rechnen – eine Wiederholung der dramatischen Szenen vom Nominierungsparteitag der Demokraten 2016 wird es nicht geben: Damals kam es zu einer Kampfabstimmung zwischen dem linken Parteiflügel unter Bernie Sanders und den Anhängern Hillary Clintons. Das liegt indes nicht nur an der virtuellen Form der Convention: Die Partei hat die Reihen tatsächlich fest hinter ihrem designierten Spitzenkandidaten Joe Biden geschlossen – die Rede ist von einem Burgfrieden zwischen den Parteiflügeln. Bernie Sanders erklärte in einem CNN-Interview, er werde alles tun, um Donald Trump zu schlagen und Joe Biden zu wählen.
Kamala Harris gibt sich kämpferisch
Bernie Sanders hat sich viel Einfluss auf die Inhalte des Wahlprogramms gesichert. Zwei Arbeitsgruppen – eine von Joe Biden und eine von Bernie Sanders – haben die gemeinsame Plattform konzipiert. Wenn Joe Biden die Wahl gewinne und die Demokraten in beiden Häusern des Kongresses die Mehrheit hätten, werde er für die Umsetzung der progressiven Inhalte sorgen, sagte Sanders.
Donald Trump hat den Kampfgeist und den Siegeswillen der Demokraten in den letzten Tagen noch befeuert: Seine Angriffe auf die staatliche Post, die darauf abzielen, die Briefwahl zu behindern, sind auf Empörung gestoßen – Trump befürchtet Nachteile für sich, wenn die Wahlbeteiligung durch massenhafte Briefwahl steigt. Desweiteren hat er Kamala Harris, die Kandidatin für die Vizepräsidentschaft, heftig angegriffen und in vagen Andeutungen Zweifel geschürt, ob sie ihr Amt überhaupt antreten dürfte, weil ihre Eltern Einwandererstatus hatten, als sie in den USA geboren wurde. In einem Videointerview sagte Kamala Harris, sie sei auf einen äußerst schmutzigen Wahlkampf vorbereitet.
Erste schwarze Frau für Amt der Vizepräsidentin
Viele Demokraten sehen in dem Tandem Joe Biden und Kamala Harris das perfekte Team, um gegen Donald Trump anzutreten. Kamala Harris wird am Mittwoch ihre Parteitagsrede halten, Joe Biden am Donnerstag, dem Tag seiner Krönung als demokratischer Präsidentschaftskandidat. Biden sieht sich selbst als ein Kandidat des Übergangs, der für eine Rückkehr zur politischen Normalität sorgen und für die Einheit des Landes arbeiten will. Kamala Harris wird als eine starke und kämpferische Politikerin gesehen, die Joe Biden wichtige Wählergruppen in einer breiten Koalition aus Minderheiten, Frauen und jungen Wählern sichern soll. Als erste schwarze Frau im Amt der Vizepräsidentin gilt Kamala Harris schon jetzt als eine aussichtsreiche Bewerberin für die Nachfolge Joe Bidens im Jahr 2024: Biden wäre dann 82 Jahre alt und stünde vermutlich nicht mehr für eine zweite Amtszeit zur Verfügung.