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Die Verbrechen der Gebirgsjäger

"Blutiges Edelweiß" ist keine Jubelmonografie zum ehrenden Gedächtnis der Gebirgsjäger im Zweiten Weltkrieg, die sich auf die Kunst des Weglassens beschränkt. Hermann Frank Meyer hat penibel recherchiert und dokumentiert auf 800 Seiten die Gräueltaten der 1. Gebirgs-Division. Eine Rezension von Eberhard Rondholz.

    Bis vor kurzem verfügten Veteranen und Freunde der 1. Gebirgs-Division der Hitlerwehrmacht, neben der typischen Landsererinnerungsliteratur, nur über eine, quasi offiziöse, Divisions-Geschichte. Diese Jubelmonografie aus der Feder von Roland Kaltenegger trägt den Titel "Die Stammdivision der deutschen Gebirgstruppe, Weg und Kampf der 1. Gebirgsdivision 1935 bis 1945".

    Der Autor hat sie gewidmet den Toten der deutschen Gebirgstruppe zum ehrenden Gedächtnis und den überlebenden und heimgekehrten deutschen Gebirgsjägern zur Erinnerung. Der Verfasser bekannte sich ausdrücklich zur Kunst des Weglassens, angeblich, um den Umfang eines normalen Buches nicht zu überschreiten. Doch dieser Kunst des Weglassens fiel vor allem all das zum Opfer, was die Veteranen bei der Erinnerung an vergangene Heldentaten hätte stören können.

    Jetzt gibt es eine neue Divisionsgeschichte, und die wird dem Kameradenkreis der Gebirgsjäger wenig Freude machen. Enthält sie doch all das von Kaltenegger Weggelassene: die unzähligen Gräueltaten, die diese Einheit mit dem Edelweißabzeichen zur schlimmsten Truppe neben der Waffen-SS gemacht haben.

    Der Autor dieser anderen Divisionsgeschichte, Hermann Frank Meyer, Jahrgang 1940, ist kein gelernter Historiker, er ist gelernter Außenhandelskaufmann und erfolgreicher Unternehmer. Aber er hat diesen Beruf an den Nagel gehängt, um sich ganz der Erforschung der deutschen Kriegsverbrechen auf dem Balkan zu widmen. Vier Bücher zum Thema hat er bislang publiziert.

    Vorläufig letzte Frucht seiner peniblen Recherchen: das 800-Seiten-starke Werk "Blutiges Edelweiß, die 1. Gebirgs-Division im Zweiten Weltkrieg." Für dieses opus magnum hat der Autor zahlreiche Archive besucht, Zeitzeugen in vielen Ländern befragt. Wie er dazu kam, eines Tages seine Firma zu verkaufen und sich auf die Suche zu machen nach den blutigen Spuren der Wehrmacht auf dem Balkan?

    "Mein Vater war in der Wehrmacht, Nazi, 1943 wurde er von Partisanen gefangen genommen, in Mittelgriechenland, und für vermisst erklärt. Und ich bin nach 20 Jahren zum ersten Mal nach Griechenland gereist, um nach dem Vater zu forschen. Das hat sich über 25 Jahre hingezogen. Ich habe das Grab gefunden, seine Gebeine zurückgeführt, usw., und das hat mich regelrecht traumatisiert."

    Meyer hat schließlich auch den Mann gefunden, der seinen Vater erschossen hatte, und er hat ein erstes Buch geschrieben über die Vatersuche.

    "Das Buch kam auch auf Griechisch raus, und dann kamen natürlich viele Briefe aus Griechenland, in dem Ton: Tut mir leid, was da geschehen ist, aber komm mal in mein Dorf und schau mal nach, was hier geschehen ist. Und so kam dann Schritt auf Schritt: Ich habe dann Kommeno besucht, ein Büchlein über Kommeno geschrieben, mich mit dem Krieg auf der Peloponnes beschäftigt, und dann bin ich nochmal nach Epiros zurückgekommen, weil ich so viele Zuschriften bekommen hatte über Gräueltaten dieser Gebirgsjäger."

    Kommeno, Westgriechenland, erste Station von Meyers Recherche. Was dort am 15. August 1943 geschah, liest sich in der Kriegstagebucheintragung eines Leutnants Kurt Waldheim, später UNO-Generalsekretär, kurz und knapp so:

    "Im Bereich der 1. Geb.Div. Ort Kommeno (…) gegen heftigen Feindwiderstand genommen. Hierbei Feindverluste."

    Die "Feindverluste": 317 Zivilisten, vorwiegend Frauen und Kinder, einige Säuglinge darunter. Und in Wirklichkeit hatte es in dem Dorf nicht den geringsten Widerstand gegeben, der Überfall auf die ahnungslosen Bewohner war ein Racheakt für einen Partisanenüberfall, der Befehl: alles niedermachen. Aus dem Bericht eines Mittäters:

    "Die Ortsbewohner, die zu flüchten versuchten, wurden auf der Flucht erschossen. Ebenso jene Personen, die sich in den Häusern versteckten. Es wurden Handgranaten in die Häuser geworfen und durch die verschlossenen Türen mit Karabinern und Maschinenpistolen geschossen. Der Angriff hat mehrere Stunden gedauert. Viele Leichen sind in den Häusern verbrannt, was einen furchtbaren Gestank nach sich zog."

    Ein anderer Mitwirkender an dem Massaker, den Hermann Frank Meyer zum Reden gebracht hat, der Maschinengewehrschütze Anton Ziegler, damals 19 Jahre alt:

    "Auf die Frage, wie er sich unmittelbar nach dem Massaker gefühlt habe, gestikulierte Ziegler so, als wolle er mit der Sense Gras schneiden: 'Das ist wie Gras mähen. Das geht ganz schnell. Dann ist es still. Kein Schreien mehr, keine Unruhe. Dann ist man ruhig.’ Allerdings quälen ihn heute die Erinnerungen: 'Ich sehe immer noch das Bild vor mir, wie die Frauen und Kinder vor die Mauer getrieben werden, wie sie schreien und sich hinter den Kisten zu verstecken versuchen. Ich war so aufgeregt, auf Kinder und Frauen schießen zu müssen. Ich war vollkommen fertig. Ich schlafe nur wenig.’"

    Sein Regimentskamerad August Seitner hat bei einer Vernehmung im Jahr 1968 noch solche Details zu Protokoll gegeben:

    "Was mich furchtbar abgestoßen hat, das war, dass einige Angehörige der 12. Kompanie sich in schändlicher Art an den Leichen zu schaffen machten. So habe ich selbst gesehen, wie einige Soldaten den weiblichen Leichen Bierflaschen in den Geschlechtsteilen einführten. Ich glaube, ich habe auch Leichen gesehen, denen die Augen ausgestochen waren."

    Und zu dem Bericht des Lehrers Stefanos Pappas vor dem Nürnberger Militärtribunal, die Gebirgsjäger hätten Kindern mit Benzin getränkte Watte in den Mund gestopft und die dann angezündet, sagte Seitner aus:

    "’Wenn ich gefragt werde, ob es den Tatsachen entspricht, dass Kinder in der Weise verbrannt wurden, dass ihnen mit Benzin getränkte Watte in die Münder gestopft und die Watte dann angezündet worden ist, dann gebe ich an, dass ich tatsächlich Kinder gesehen habe (Leichen), die in der Gesichtsgegend um den Mund schreckliche Brandwunden aufwiesen. Ob diese Kinder lebend oder als Leichen so misshandelt worden sind, weiß ich nicht.’

    ‚Ich möchte noch ergänzend anführen, weil das vielleicht ein bezeichnendes Licht auf die ganze Sache wirft, nach dem Einsatz fand im Zeltlager ein Besäufnis statt. Es waren Wein und auch Lebensmittel erbeutet worden. Dieser Wein wurde ausgetrunken, und es ging bei einigen Kameraden hoch her.’"


    Kommeno, ein Ort von 315, die von den Edelweißlern auf dem Balkan dem Erdboden gleich gemacht und geplündert wurden, in Montenegro, Albanien und Griechenland. Viele der Schauplätze hat Meyer besucht, manchmal war er der erste deutsche Besucher seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Gebirgsdivision hatte vor ihrem Balkaneinsatz schon einiges angerichtet, war, unter anderem, an der Judenvernichtung im Osten beteiligt, ebenso an Erschießungen russischer Offiziere in Ausführung des so genannten Kommissarbefehls. Auf dem Balkan war ihr Auftrag ab 1943, die westlichen Küstengebiete für den Fall einer alliierten Landung von Partisanen zu säubern.

    Doch kamen sie mit diesem unsichtbaren Feind kaum in Gefechtsberührung, hatten, so eruierte Meyer, wenig Verluste zu beklagen - 35 Tote in zwei Jahren. In derselben Zeit brachten sie mehr als 3000 unbeteiligte Zivilisten um, führten Krieg gegen Frauen, Kinder und Greise. Und dann, von Meyer im Detail geschildert: der Massenmord an über 2000 nach der Kapitulation Italiens auf der Insel Kephalonia gefangengenommenen Soldaten der Division Acqui, eines der größten Massenverbrechen der Wehrmacht überhaupt, und eines, das in der Bundesrepublik nie strafrechtlich geahndet wurde.

    Doch was Meyer schlimmer findet: dass die Täter, als wäre nichts geschehen, in der Bundesrepublik die Gebirgstruppe wieder aufbauten, sich dieser Kontinuität unverhohlen rühmen, bis heute. Das tut auch der 1952 von dem in Nürnberg als Kriegsverbrecher verurteilten ehemaligen Divisionskommandeur Hubert Lanz mitgegründete Kameradenkreis der Gebirgstruppe, dem neben greisen Veteranen auch aktive Bundeswehrsoldaten und Reservisten angehören, der prominenteste: Edmund Stoiber.

    Die Kameraden versammeln sich alle Jahre wieder zum Heldengedenken in Mittenwald. Und Meyer zitiert den NATO-Kommandeur und Vier-Sterne-General Klaus Reinhardt, der zu Pfingsten 2000 am Mittenwalder Gebirgsjägerdenkmal erklärte, die Gebirgstruppe der Bundeswehr sei

    "(…) ’von Männern aufgebaut und geistig ausgerichtet worden (…), die als Kommandeure, als Kompaniechefs und Kompaniefeldwebel (…) uns die zeitlosen militärischen Werte wie Pflicht, Treue, Tapferkeit und Kameradschaft vorgelebt (haben).’ ‚Diese Männer waren unsere Vorbilder und sie repräsentieren eine ganze Generation von Wehrmachtssoldaten, (die) der nachfolgenden Generation das Koordinatensystem ihrer Werteordnung’ weitergegeben haben."


    Hermann Frank Meyer: Blutiges Edelweiß
    Die 1. Gebirgs-Division im Zweiten Weltkrieg
    Ch. Links Verlag, Berlin, 2008,
    798 Seiten, 34,90 Euro