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Die Verbrechen der Vergangenheit

Eine Expertenkommission hat für das rumänische Parlament einen Bericht über die Verbrechen des kommunistischen Regimes zwischen 1948 und 1989 verfasst. Für viele Bürgerrechtler ist das der Schritt zu einer offiziellen Vergangenheitsbewältigung - ein Schritt, der lange verhindert wurde, wohl auch, weil in Rumänien die politischen und wirtschaftlichen Schlüsselpositionen so stark von denen dominiert werden, die schon vor 1989 eine bedeutende Rolle spielten. Grit Friedrich berichtet aus Bukarest.

    Im Sommer 2005 erschien in der Bukarester Wochenzeitung "22" ein langes Interview mit Traian Basescu. Die Chefredakteurin Rodica Palade hatte den rumänischen Präsidenten darin aufgefordert endlich Stellung zu nehmen und das kommunistische Regime im Parlament zu verurteilen. Basescu nahm die Idee auf und schuf nach dem Vorbild der Kommission zur Erforschung des Holocaust ein ähnliches Expertengremium. Eine verspätete Debatte, meint nicht nur der Historiker Marius Oprea.

    "praktisch auf offizieller Ebene nicht über die kommunistische Zeit gesprochen. Es gab dazu keinen politischen Willen. Solange wie Rumänien mehr als zehn Jahre von einem ehemaligen Mitglied des Zentralkomitees, einem Sekretär für Propaganda der Partei, also vom Präsidenten Ion Illiescu, geführt wurde, konnte man darüber nicht reden. Jeder Versuch, den Kommunismus und die Securitate zu erforschen, wurde als politischer Angriff gewertet."

    Marius Oprea hat seit Beginn der 90er Jahre viel zum rumänischen Geheimdienst vor 1989 geforscht. Sein brisantes Buch über die Erben der Securitate in Politik und Wirtschaft erschien vor zwei Jahren beim Bukarester Humanitasverlag. Seitdem reißen die Drohungen gegen ihn und seine Familie nicht ab. Doch Oprea ging in die Offensive, seit einem Jahr leitet der Historiker das vom liberalen Premierminister Tariceanu ins Leben gerufene Institut zur Erforschung der Verbrechen des Kommunismus.

    " Es gibt hier eine Redewendung, wer etwas begraben oder verbergen will, dann bilde eine Kommission. Mir gefallen solche Sachen nicht, ich ziehe ein viel konstruktiveres und kohärenteres Vorgehen vor, das praktisch zur Umbewertung der gesamten kommunistischen Vergangenheit führt."

    Zwar verfasste Marius Oprea im Bericht der Expertenkommission das Kapitel über die Verbrechen der Securitate, doch sein Augenmerk liegt auf einer langfristigen Vergangenheitsaufarbeitung, unabhängig kurzfristiger politischer Interessen. Marius Oprea und seine Kollegen legten dann auch am 5. Dezember einen umfangreichen Jahresbericht des Instituts zur Erforschung der Verbrechen des Kommunismus vor.

    "Alle, die Verbrechen begangen haben, müssen dafür zur Verantwortung gezogen werden. Wir haben eine erste Anklage gegen 14 Securitate-Offiziere erhoben, die vor 1989 Minderjährige als Informanten verpflichtet haben. Der jüngste Informant war gerade mal neun Jahre alt. Das ist ein Missbrauch und verstößt auch gegen die Gesetze, die damals gültig waren."

    Oprea befürchtet, dass dem heute veröffentlichten Bericht keine konkreten Schritte folgen werden und dass sich am Ende alles auf den Bau eines Museums im Gefängnis von Jilava bei Bukarest beschränken wird. Wie die meisten Historiker ist er an einem ungehinderten Zugang zu allen relevanten Archiven im Land interessiert und steht mit dieser Forderung auch an der Seite von Armand Gosu. Der stellvertretende Chefredakteur der Wochenzeitung "22" hofft, dass dem Bericht endlich ein zeitgemäßes Gesetz über die Archive folgen wird.

    "Die politische Klasse hier ist mehr noch als in Tschechien, Polen oder Ungarn mit der alten politischen Klasse, der alten Nomenklatura und den alten Geheimdiensten verbunden. Und das kann man 17 Jahre nach der Revolution nicht tolerieren. Als Journalist finde ich es darum besonders wichtig, dass das Archivgesetz geändert wird: Bisher konnten wir keine Dokumente vor 1989 einsehen."

    In dieser Woche widmet die Zeitschrift "22" eine ganze Ausgabe dem Bericht der Expertenkommission unter der Leitung des Politologen Vladimir Tismaneanu. Eine Verurteilung des kommunistischen Regimes in Rumänien fordern die Journalisten um Rodica Palade und Armand Gosu seit 17 Jahren. Mit dem heutigen Tag haben sie einen wichtigen Teilerfolg errungen.

    "Ich denke, dass dieser Bericht und seine Veröffentlichung nur der Anfang eines jahrelangen Prozesses sein wird. Es geht auch um eine moralische Wiedergutmachung. Denn es wäre sehr schwerwiegend, wenn die Dinge auf dem Stand von Dezember 2006 stehen bleiben würden."