Eine kriminelle Bande folgt nach der Definition im Strafrecht festen Regeln: Mindestens drei Mitglieder soll sie haben, wenn auch nicht unbedingt am selben Ort, mit dem gemeinsamen Willen, eine Reihe an Verbrechen zu begehen. Ulrike B. und ihren angeblichen Komplizen haben die Strafverfolgungsbehörden zugetraut, dass sie diese Kriterien erfüllen.
Schlagzeilen von April 2018: "Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist offenbar von einem weitreichenden Skandal betroffen. – Ein Skandal hält die Republik in Atem. Im Zentrum: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Außenstelle Bremen. - Mindestens 1.200 Mal soll in Bremen unrechtmäßig eine positive Entscheidung gefallen sein…"
Ulrike B. steht damals unter einem schweren Verdacht. Die Juristin und Beamtin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, kurz BAMF, soll als Leiterin der Bremer Außenstelle, so der Vorwurf, unrechtmäßig Asylbewerber anerkannt haben, die eigentlich nicht anerkannt gehörten - und zwar tausendfach, gegen viel Geld, wird gemutmaßt. Ihre angeblichen Mittäter: Asylanwälte, die ihr ganze Busladungen an Bewerbern für di e Anerkennungen zuschieben. Es gibt Hausdurchsuchungen, die Medien berichten auf Hochtouren über den angeblichen BAMF-Skandal.
Und ohne, dass es stichhaltige Beweise gegeben hätte, bestätigt der parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer, CSU, das angebliche kriminelle Treiben zur besten Sendezeit im deutschen Fernsehen: "Die Vorfälle in Bremen waren natürlich auch deshalb möglich, weil hochkriminell, kollusiv und bandenmäßig mehrere Mitarbeiter mit einigen Rechtsanwälten zusammengearbeitet haben."
Das Bremer Verwaltungsgericht untersagt dem Politiker später, diese Behauptungen zu wiederholen.
Von den Vorwürfen ist so gut wie nichts übriggeblieben
Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer, ebenfalls CSU, lässt den Verdacht wie eine Tatsache klingen. Die obersten Dienstherren stellen sich nicht vor ihre Untergebene im BAMF, bis die Sache geklärt ist. Sie verurteilen sie in aller Öffentlichkeit, ohne dass es bis dahin auch nur eine Anklage gegeben hätte.
Horst Seehofer: "Ich habe erfahren, dass da ein handfester Skandal in Bremen vorliegt, dass über Jahre hinweg Recht offensichtlich nicht beachtet wurde."
Heute ist klar: Von den Vorwürfen ist so gut wie nichts übriggeblieben. Nicht eine einzige ausländer-, asyl- oder aufenthaltsrechtliche Straftat wurde auch nur zur Anklage gebracht. Auf den Tag genau drei Jahre nach den ersten Presseberichten über die vermeintliche BAMF-Affäre stellte das Bremer Landgericht den Prozess gegen die Hauptbeschuldigte am 20. April 2021 ein, kaum dass er begonnen hatte - gegen eine Geldauflage von 10.000 Euro. Vielen Medien, die für die Anschuldigungen einst Titelseiten frei geräumt hatten, war das gerade noch eine Meldung wert.
Vierteilige Feature-Serie: "Seehofers 69" - Was aus den abgeschobenen Afghanen wurde
Es war ein Abschiebeflug wie jeder andere, bis Horst Seehofer scherzte: "Ausgerechnet an meinem 69. Geburtstag sind 69 – das war von mir nicht so bestellt – Personen nach Afghanistan zurückgeführt worden." Das war am 4. Juli 2018. Drei Jahre später finden die Autoren Armin Ghassim und Annette Kammerer einige der betroffenen Afghanen wieder.
Der Skandal war verpufft. Zuvor hatte er allerdings den Betroffenen erheblich geschadet, eine Behörde wie auch das gesamte Asylsystem in Misskredit gebracht und rechten Demagogen Aufwind gegeben.
Kritik am Vorgehen des Bundesinnenministeriums
Eines habe wesentlich dazu beigetragen, dass es so weit kam, sagt Carsten Momsen, Strafrechtsprofessor an der Freien Universität Berlin: die frühe Einmischung der Politik: "Aus meiner Sicht ist der Beginn der Ermittlungen der Neutralitätsverpflichtung entsprechend erfolgt. Dann ist aber sehr schnell politische Einflussnahme erfolgt in der Weise, dass sich bis hin zum Staatssekretär dahingehend geäußert wurde, dass es ein unglaublich umfangreicher Vorgang ist."
Auch aus der Opposition gibt es Kritik am Vorgehen des Bundesinnenministeriums. Mögliche Unregelmäßigkeiten in der Bremer BAMF-Außenstelle seien aufgebauscht worden, sagt Luise Amtsberg, flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag: "Wenn das Vertrauen verloren geht ins BAMF, dann werden Entscheidungen, auch positive Bescheide der Behörde, möglicherweise nicht mehr richtig respektiert. Diese Gefahr war da. Und da hat das Innenministerium entschieden, es trotzdem zu einem Skandal zu machen."
Auf Nachfrage beim Bundesinnenministerium, warum den Ermittlungen in dieser Form vorgegriffen wurde, gibt es keine direkte Antwort. Eine Sprecherin sagte, das Ministerium habe sich: "von Anfang an für eine umfassende und transparente Aufklärungsarbeit eingesetzt". Es liege in der Natur ergebnisoffener Überprüfungen, dass sich Verdachtsfälle auch nicht bestätigen können.
CSU-Innenexperte Michael Kuffer verteidigte das Verhalten der Bundesregierung: "Natürlich muss und musste die Politik damals derartig massive Vorwürfe ernst nehmen. Und sie muss auch zumindest dem Parlament gegenüber die im Raum stehenden Vorwürfe transparent machen. Ich will mir nicht vorstellen, was wir sonst von der Opposition hätten zu hören bekommen, von der Vertuschung, Verdunkelung und so weiter."
Hier aber sieht Strafrechtsexperte Carsten Momsen ein Problem. Durch den Druck von außen hätten die Ermittler womöglich gar nicht erst in Betracht gezogen, dass der Anfangsverdacht auch falsch gewesen sein könnte. Denn dadurch sei Druck entstanden, die Ermittlungen mit besonderem Aufwand zu betreiben.
Richter: Einige Vorwürfe der Ermittler "von vornherein denklogisch ausgeschlossen"
Mehr als 40 Beamte gingen dem Fall zu Spitzenzeiten in der Ermittlungsgruppe "Antrag" nach. Das waren mehr als je zuvor bei einem Ermittlungsverfahren in Bremen.
Carsten Momsen: "Ich glaube, da fängt genau das Problem an, dass man einerseits von der Politik Signale erhält, dass es hier um einen wichtigen, um einen großformatigen Vorgang geht, den man aufklären muss. Dafür werden erhebliche Mittel eingesetzt und die müssen sich eben irgendwie rechnen. Und am Ende ist es eben kein Erfolgserlebnis, wenn man sagt, wir stellen die ganze Geschichte wieder ein."
Von den anfangs angeblich tausenden Verdachtsfällen blieb nach Überprüfung nur ein Bruchteil übrig. 121 Anklagepunkte brachte die Staatsanwaltschaft schließlich zusammen, von denen das Bremer Landgericht im Herbst 2020 nach ausführlicher Prüfung allerdings die meisten gar nicht erst zur Verhandlung zuließ.
"Gänzlich fernliegend" oder "von vornherein denklogisch ausgeschlossen" nannten die Richter damals einige der Vorwürfe der Ermittler. Was blieb, waren einige Anklagepunkte wegen Verstößen gegen das Dienstgeheimnis, Dokumentenfälschung und Vorteilsnahme. Spätestens zu dem Zeitpunkt war offensichtlich, dass das groß angelegte und von Politik wie Medien flankierte Ermittlungsverfahren weitgehend in sich zusammengefallen war.
"Im Oktober 2020 haben wir dann eine Entscheidung des Landgerichts Bremen bekommen, in der die gesamten ausländer-, asyl-, und aufenthaltsrechtlichen Vorwürfe der Staatsanwaltschaft nicht zugelassen wurden. Mit anderen Worten, ausführlich begründet, hat das Landgericht der Staatsanwaltschaft geschrieben, dass die Anklage insgesamt falsch war - und zum Teil abwegig falsch. Ich habe das rechtsbeugerisch genannt", sagt Johannes Eisenberg, Rechtsanwalt der beschuldigten ehemaligen BAMF-Außenstellenleiterin.
Entlastende Dokumente ignoriert? Informant erhebt Vorwürfe
Aus der Behörde hieß es, Gericht und Ermittler hätten eben unterschiedliche Rechtsauffassungen vertreten.
"Man merkt ab einem gewissen Zeitpunkt, dass der tatsächliche Sachverhalt diesen Erwartungen eben nicht mehr entspricht und versucht rechtlich, Sachverhalte zu interpretieren in einer Weise, dass sie dann unter bestimmte Anklagepunkte passen, um zumindest die Anklage zustande zu bringen. Und damit die Einstellung des Verfahrens vielleicht eher auf die Schultern des Landgerichts abzuwälzen", sagt Strafrechtsprofessor Carsten Momsen.
Dafür spricht, was ein anonymer Hinweisgeber behauptete, der sich im Sommer 2020 Berichten zufolge ans Landgericht in Bremen gewandt hatte. Der Informant schrieb demnach, er sei Teil des Ermittlerteams gewesen. Er habe mitbekommen, wie entlastende Dokumente ignoriert worden seien, um die Anklage nicht zu gefährden. Zudem hätten die Ermittler sich gezielt auf türkischstämmige Anwälte konzentriert.
"Hier bleibt das Gefühl und der Eindruck übrig, dass die Staatsanwaltschaft irgendwann begonnen hat, sich als Partei zu begreifen und ein eigenes dezidiertes Ermittlungs- und Verurteilungsinteresse zu verfolgen", sagt Strafrechtsexperte Momsen.
Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft weist den Vorwurf auf Nachfrage zurück. Die Staatsanwaltschaft begreife sich nicht als Partei, sondern als objektive Behörde, die im Ermittlungsverfahren sämtliche für und gegen den jeweiligen Beschuldigten sprechenden Umstände ermittelt. Das habe zur Anklageerhebung gegen zwei beschuldigte Rechtsanwälte und die ehemalige Leiterin der BAMF-Außenstelle geführt.
Staatsanwaltschaft selbst Ziel von Ermittlungen
Mittlerweile aber ist die Staatsanwaltschaft selbst Ziel von Ermittlungen. Der Grund: Ein Hintergrundgespräch, das Ermittler im März 2019 "Zeit online" gewährt haben. Darin unterstellten sie der freigestellten Behördenleiterin, aus unerfüllter Zuneigung zu einem Mitbeschuldigten gehandelt zu haben. Zudem stellten sie der Beschuldigten hohe Strafen in Aussicht.
Der Verteidiger von Ulrike B., Johannes Eisenberg, erinnert sich an den daraus folgenden Medienartikel: "Nicht namentlich genannte Ermittler würden sagen, es sei gar nicht um Korruption gegangen, sondern um eine emotionale Bindung der Mandantin an einen der Anwälte. Sie habe das sozusagen aus dieser emotionalen oder libidinösen Bindung heraus gemacht. Das sei ganz schlimm und da sei sicherlich eine Kriminalstrafe zu erwarten, und nach Auffassung dieser anonymen Ermittler auch keine, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Es hat mich total überrascht, dass jemand so etwas redet."
Eisenberg klagte vorm Verwaltungsgericht Bremen und erhielt Recht. Die Äußerungen überschritten "die Grenzen staatsanwaltlicher Äußerungsbefugnisse gegenüber der Presse", so die Entscheidung des Gerichts. Nun ermittelt die Generalstaatsanwältin, ob von den Beteiligten jemand für diese Grenzüberschreitung belangt werden kann. Zum Stand der Ermittlungen wollen weder sie noch die Staatsanwaltschaft Auskunft geben.
Ermittler: "Motivlage im zwischenmenschlichen, emotionalen Bereich"
Nachdem das Gerichtsverfahren gegen die beschuldigte Behördenleiterin Ulrike B. eingestellt worden war, kam heraus, wer den Journalisten die angebliche Liebesgeschichte und die zu erwartende Strafe gesteckt hatte: Der Leiter der Bremer Staatsanwaltschaft Janhenning Kuhn, eine Oberstaatsanwältin, der Dezernent, der die Anklageschrift im BAMF-Verfahren federführend verfasst hatte, sowie der Sprecher der Ermittlungsbehörde, Frank Passade. Dieser sprach über das mutmaßliche emotionale Motiv Ende März 2019 auch noch einmal vor der Kamera: "Ich kann nur sagen, dass im Hinblick auf die Beweislage sich der Eindruck hier verstärkt, dass die Motivlage im zwischenmenschlichen, im emotionalen Bereich, aber eher einseitigen Bereich zu suchen ist."
Das fragwürdige Gespräch mit dem "Zeit"-Journalisten war Höhepunkt einer Reihe an mutmaßlichen Indiskretionen. Immer wieder zitierten Medien aus Behörden-E-Mails oder Akten und unterfütterten damit das Bild einer korrupten Beamtin, die sich Flüchtlingsanwälten gegenüber wahlweise für Geld, aus ihrer Ideologie heraus oder aus Zuneigung erkenntlich gezeigt hat - zum Ärger ihres Verteidigers Johannes Eisenberg: "Der große Impact und der biografische Schaden für diese - man muss fast sagen - überkorrekte Beamtin ist gar nicht von der Staatsanwaltschaft, von der Ermittlung ausgelöst worden, sondern durch die mediale Begleitung, durch die ständigen Durchstechereien aus den Ermittlungsakten."
Ungeprüft hätten Journalisten die Anschuldigungen gegen die ehemalige Behördenleiterin und die bezichtigten Anwälte wiedergegeben.
Chronologie der Berichterstattung
Was war also passiert? Am 20. April 2018 berichtete ein Rechercheverband aus NDR, Süddeutscher Zeitung und Radio Bremen zum ersten Mal über einen möglichen Skandal in der BAMF-Außenstelle. Die Staatsanwaltschaft ermittelte. Es habe Hausdurchsuchungen gegeben. 1.200 oder gar 2.000 Asyl-Anträge sollen positiv beschieden worden sein, obwohl die rechtlichen Voraussetzungen dafür nicht vorlagen. Der Bericht machte bundesweit Schlagzeilen.
Der Strafrechtsprofessor Henning Müller von der Universität Regensburg war einer der ersten, die Kritik übten an der Berichterstattung. Die Zahlen machten ihn stutzig: Zunächst hieß es 1.200 Fälle seien es womöglich. Und noch am selben Tag wurde es korrigiert auf 2000 Fälle. Da habe ich gedacht: Wie kommt es dazu, dass erst gesagt wird 1.200 Fälle und dann 2.000 Fälle und wer ist dafür eigentlich die Quelle, das wurde nicht angegeben. Das hat mich ein bisschen irritiert. Und dieses 1.200 Fälle oder gar 2.000 Fälle, das ist auch in den kommenden Wochen immer mal wieder aufgeploppt. Und da habe ich gedacht, so ein richtiges Rechercheergebnis scheint das nicht zu sein."
Schon vor Bekanntwerden des vermeintlichen Skandals war Ulrike B. als Behördenchefin abgesetzt worden. Bereits seit 2014 hatte es Vorwürfe gegen die Bremer BAMF-Leiterin gegeben. Sie soll sich in Fälle eingemischt haben, für die sie nicht zuständig war.
Nachdem sie im Juli 2016 eine Abschiebung von Jesiden aus Hannover nach Bulgarien verhindert hatte, wurde sie als Außenstellenleiterin abgesetzt. Es gab ein Disziplinarverfahren. Später bestätigte ein Gericht ihre Entscheidung. Ein gefälschter Asylbescheid tauchte auf. Die Behörde lenkte den Verdacht auf die eigene Mitarbeiterin. Die Staatsanwaltschaft ermittelte.
Wie die BAMF-Außenbehörde in den Medien zur "Chaosbehörde"wurde
Anfang 2018 übernahm Josefa Schmid die Bremer Außenstelle, eine BAMF-Beamtin aus dem bayerischen Deggendorf. Sie schickte Berichte an die BAMF-Zentrale in Nürnberg und ans Bundesinnenministerium, in denen sie angeblich unrechtmäßige Asylentscheide ihrer Vorgängerin Ulrike B. aufzählte. Mitte April folgten die Durchsuchungen bei Ulrike B. und zwei beschuldigten Anwälten durch die Staatsanwaltschaft.
"Wir hatten tatsächlich eine gar nicht so schwache Quellenlage, weil: der Bericht einer Amtsleiterin, plus die Bestätigung des Innenministeriums, plus der Bericht der inneren Revision des BAMF, plus die Staatsanwaltschaft nimmt Ermittlungen auf, plus was die Staatsanwaltschaft in dem unsäglichen Hintergrundgespräch mit der ‚Zeit‘ rausgelassen hat, das war ja auch nicht nichts", sagt Jochen Grabler, Leiter der Rechercheredaktion bei Radio Bremen.
Darüber hinaus sei es kaum möglich gewesen, die Vorwürfe gegen die Beschuldigten zu überprüfen. In vielen Medienberichten klangen die Anschuldigungen schon bald nicht mehr wie ein Verdacht, sondern wie eine Tatsache.
Aus der BAMF-Außenstelle wurde in Überschriften ein "Amt für Durchwinken", eine "Chaosbehörde". Die Interims-Leiterin der BAMF-Außenstelle, Josefa Schmid, wurde teils unhinterfragt als Aufklärerin gefeiert - obwohl sich ihre Anschuldigungen später als weit überzogen herausstellen sollten.
Kritik an der Berichterstattung kann Grabler nachvollziehen: "Für mich bleibt übrig, dass es vielen Kollegen nicht gelungen ist, ein bisschen auf die sprachliche Bremse zu treten. Da sind mir in der Rückschau, ja, privilegierte Quelle, aber noch nicht final bestätigte Mutmaßungen als Tatsachenbehauptungen über die Rampe gekommen. Und das war definitiv ein Fehler, da haben sich viele Kolleginnen und Kollegen - ich nehme uns, mein Haus, da gar nicht aus - wegschwemmen lassen von der allgemeinen Rhetorik, die unterwegs war, sowohl im politischen Raum, als auch im medialen Raum."
Ehemalige Außenstellen-Leiterin nach wie vor freigestellt
Das hauptsächliche Versagen aber bei den Medien zu suchen, hält Grabler für unangebracht. Einen ersten Knacks bekam die Geschichte, als Grabler und seine Kollegen einen internen Revisionsbericht des BAMF überprüften, der die Vorwürfe gegen Ulrike B. und die Anwälte zu bestätigen schien. "Wenn sich dann herausstellt, dass die Abteilung Innere Revision von der eigenen Erlasslage keine Ahnung hat. Das kann man sich wirklich schwer vorstellen."
Die Revision hatte zunächst bestätigt, dass die Beschuldigten hunderte Fälle ohne Zuständigkeit entschieden hätten. Auf Nachfrage musste das BAMF allerdings einräumen, dass Bremen zeitweise doch für Antragsteller aus anderen Bereichen zuständig gewesen sei. Und ein Vier-Augen-Prinzip, das damals bei Asylentscheidungen angeblich verletzt worden sei, hatte es zu dem Zeitpunkt noch gar nicht gegeben.
Die Busse, mit denen die Beschuldigten angeblich Flüchtlinge nach Bremen schafften, hatte das BAMF geordert, um Antragsteller - ganz regulär - aus anderen Landesteilen nach Bremen zu holen.
Die Fraktionsvorsitzende der Linken in der Bremischen Bürgerschaft, Sofia Leonidakis, fordert, die Reputation der beschuldigten BAMF-Leiterin wiederherzustellen: "Aus meiner Sicht wäre der erste Schritt der Politik und der Staatsanwaltschaft, zu sagen: Wir haben uns geirrt, es tut uns leid. Also eine politische Rehabilitation der Beschuldigten. Drei Jahre durchs Dorf getrieben werden, drei Jahre medialer Druck, drei Jahre massive Anschuldigungen, massivste öffentliche Vorverurteilungen bis hin zu sexistischen Unterstellungen, sie hätte amouröse Interessen gehabt, sich dafür zu entschuldigen, halte ich für absolut angebracht und erforderlich."
Auf die Frage, ob der Bundesinnenminister oder sein Staatssekretär sich bei der früheren BAMF-Leiterin entschuldigen wollten, antwortete eine Sprecherin des Innenministeriums schmallippig: Zu personenbezogenen Angelegenheiten werde nicht Stellung genommen.
Ulrike B. ist nach wie vor freigestellt. Zu ihrem Dienstherrn hat sie keinen Kontakt. Beim BAMF ist noch ein Disziplinarverfahren anhängig, das während des Strafverfahrens ruhte.
Ihre Geldauflage von 10.000 Euro hat sie noch nicht bezahlt. Wenn es soweit ist, muss sie die Summe allerdings auch nicht selbst tragen. Unterstützer haben die Summe für sie durch eine Crowdfunding-Aktion eingetrieben.