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Die Vermessung der Tiefsee
Autonome Tauchroboter kartieren den Meeresgrund

Die vollautomatische Kartierung der Tiefsee: Dieses Experiment starten Wissenschaftler vor der Küste Griechenlands im Rahmen eines globalen Forschungswettbewerbs. Ein Karlsruher Team schickt einen Schwarm autonomer Tauchroboter ins Rennen. Teamleiter Gunnar Brink erklärt, wie sie funktionieren.

Gunnar Brink im Gespräch mit Ralf Krauter |
    Unbemannte Katamarane - hier eine Konzeptstudie - setzen die Tiefsee-Drohnen im Meer aus
    Unbemannte Katamarane - hier eine Konzeptstudie - setzen die Tiefsee-Drohnen im Meer aus (IOSB)
    Vor der Küste Griechenlands beginnt morgen ein spannendes Experiment: Im Rahmen des mit sieben Millionen US-Dollar Siegerprämie dotierten Ocean-DiscoveryX-Prize-Wettbewerbs erproben Forscherteams dort Technologien zur vollautomatischen Kartierung der Tiefsee. Ihre Aufgabe: innerhalb von 24 Stunden ein 500 Quadratkilometer großes Areal am Meeresboden in 4.000 Metern Tiefe zu vermessen. Am Start ist auch ein Team des Fraunhofer Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung in Karlsruhe, das einen Schwarm autonomer Tauchroboter ins Rennen schickt. Im Gespräch mit Ralf Krauter erklärt Teamleiter Dr. Gunnar Brink, was für seine Leute die Triebfeder war, an dem Wettbewerb teilzunehmen.
    Gunnar Brink: Es ist ja so, dass wir den Mond, den Mars und die Venus mit deutlich besserer Auflösung kennen als 70 Prozent des eigenen Planeten. Unser Planet heißt ja der blaue Planet, weil er zu 70 Prozent mit Wasser bedeckt ist, über 60 Prozent sind Tiefsee und diese Tiefsee kennen wir eigentlich fast gar nicht. Das hat einen Grund, nämlich den, dass alles, was man bis jetzt an Erkundung macht, in der Regel von großen, teuren Vermessungs- und Forschungsschiffen aus gemacht wird. Deutschland hat zum Beispiel offiziell seine Forschungsflotte von fünf großen Schiffen und die haben Betriebskosten von mehreren zigtausend, teilweise über 100.000 Euro am Tag und können zurzeit in der Regel vielleicht 30, 40 Quadratkilometer pro Tag abdecken. Das zeugt eben dafür, dass bis jetzt relativ wenig gemacht wurde.
    Jetzt kann man einerseits fordern, dass man vielleicht für die eigene Tiefsee mal genauso viel Geld in die Hand sollte wie die Marsmission, und die andere Möglichkeit ist, die Technologien so preiswert zu machen und so auszugestalten, dass sie flächendeckend sind. Ziel ist, von diesen bemannten Schiffen wegzukommen, weil einfach das Unterbringen von Menschen auf dem Meer in diesen Schiffen riesige Kosten verursacht und stattdessen preiswerte, kleine, unbemannte Schiffe zu machen, die vielleicht dann auch leichter in Wind und Wellen, auch in Stürmen und sowas zurechtkommen.
    Ralf Krauter: Was Ihnen jetzt vorschwebt, was Sie entwickelt haben, ist eine Flotte aus fünf Tandems, also jeweils Katamaran plus Tauchroboter und das mal fünf, das wollen Sie in See stechen lassen.
    Fünf Tiefseedrohnen
    Fünf Tiefseedrohnen tauchen gleichzeitig zum Meeresgrund (Fraunhofer IOSB)
    Brink: Ganz genau. Wir arbeiten mit Unterwasserfahrzeugen, die autonom arbeiten, und pro Unterwasserfahrzeug gibt es auch ein unbemanntes Boot, was auf der Oberfläche fährt, was die Tauchroboter zum Einsatzgebiet fährt. Wir rechnen damit, dass es etwa 15 Seemeilen, fast 30 Kilometer von der Küste entfernt erst losgeht. Das spart Batterie und damit auch Größe des Wasserwiderstands des Fahrzeugs. Dann werden die ausgeklickt, tauchen ab zum Meeresgrund, beginnen ihre Mission, und nach den 24 Stunden Mission kommen die wieder zurück, werden wieder eingesammelt und zum Ufer zurückgebracht. In der Zwischenzeit, während der Mission, ist es ganz wichtig, dass das Oberflächenfahrzeug die GPS-Signale empfängt, und GPS ist ja unter Wasser nicht empfangbar. Also tun die Oberflächenfahrzeuge GPS empfangen, umrechnen in akustische Signale, die man unter Wasser relativ gut weitergeben kann, und senden dann quasi ein fortgesetztes GPS an die Unterwasserfahrzeuge akustisch weiter.
    Einzelne Aufnahmen, ein Gesamtbild
    Krauter: Das heißt, die fünf Tauchroboter sind dann quasi im Schwarm unterwegs, schwimmen wahrscheinlich auf einem vorgegebenen Kurs relativ dicht über dem Meeresboden, um Fotos zu schießen beziehungsweise die Oberfläche zu kartieren. Wie genau werden diese einzelnen Aufnahmen dann zu einem Gesamtbild nachher zusammengerechnet? Das ist ja wahrscheinlich nicht trivial.
    Brink: Ja, natürlich müssen wir mit einem gewissen Überlapp fahren. Also wir werden so 20, 30 Prozent Überlapp zwischen den Streifen haben. Die Fahrzeuge können nicht genau parallel fahren, weil das Sonar des einen in das Sonar des anderen hineinstören würde. Die fahren also mehrere hundert Meter bis zu einem Kilometer versetzt voneinander, etwa 85 Meter über dem Grund, und die Breite des Meeresgrundes, die auf einmal abgetastet wird, die liegt bei etwa 800 Meter, und wir werden 20 bis 30 Prozent Überlapp zwischen diesen Streifen haben.
    Krauter: Was war die größte Herausforderung bei der Entwicklung der Tauchroboter, die ja der Schlüssel zu dem Ganzen sind?
    Brink: Also da gibt es, glaube ich, zwei ganz verschiedene Dimensionen, die man betrachten muss. Es gab Aufgaben, die man nur mit Kreativität lösen konnte, zum Beispiel ein Verfahren zu entwickeln, wie man diese Tauchroboter von unbemannten Fahrzeugen wieder einfängt bei Wind und Wellen unter Umständen, wo man auch mit dem Auge des Menschen so ein Tauchfahrzeug gar nicht mehr sieht, oder die Lokalisierung, dass wir ein Verfahren gefunden haben, wie man mit verschiedenen Fahrzeugen von oben das GPS ins Wasser fortsetzen kann. Da war Kreativität gefragt.
    Das ist sozusagen die eine Dimension und die andere ist eben, in dieser sehr kurzen Zeit, wo man eigentlich nur anderthalb Jahre hat, von der Grundidee und von der Finanzierung bis zum fertigen Wettbewerb, dass man dann auch fünf einigermaßen gleich gute und gleich ausgestattete Unterwasserfahrzeuge, fünf gleiche Oberflächenfahrzeuge baut und die alle auch noch einigermaßen qualitätsgesichert fertig kriegt, damit die auch wirklich die 24 Stunden funktionieren. Das, denke ich, ist momentan angesichts des Zeitdrucks die noch größere Herausforderung.
    2,50 Meter lang, etwa 350 Kilo schwer
    Krauter: Ich habe Bilder der Tauchroboter gesehen, die Sie entwickelt haben, die sehen aus, wie einen Torpedo kann man sich das vorstellen. Wie groß sind die ungefähr, und wissen Sie schon, wo die dann in See stechen sollen?
    Eine Tauchdrohne im Wasser
    Eine Tauchdrohne im Wasser (Fraunhofer IOSB / Eduard Maydanik)
    Brink: Die Tauchroboter sind etwa 2,50 Meter lang, etwa 350 Kilo schwer. Das ist insofern schon ein großer Durchbruch. Wenn Sie mal Studien lesen, dann steht da immer drin, dass tiefseegeeignete Tauchfahrzeuge alle mindestens eine Tonne wiegen. Unsere sind jetzt nur ein Drittel davon, und wir haben sie trotzdem bereits in der Tiefsee getestet, und das werden wir jetzt auch im Wettbewerb noch mal tun. Der Wettbewerb wird in der südwestlichen Peloponnes ausgetragen, in Griechenland, weil es gibt ein Gebiet zwischen Sizilien und der Peloponnes, was bis zu 5.500 Meter tief ist, die sogenannte Calypsotiefe, und dort kann man diese Wettbewerbsbedingungen, dass man von der Küste aus innerhalb von einem Tag die Tiefsee kartieren und wieder zurückfahren kann, auch realisieren.
    Krauter: Welche der Aufgaben bereiten Ihnen denn am meisten Kopfzerbrechen? Also das Kartieren ist ja das eine, Sie sollen aber auch zusätzlich noch hochauflösende Fotos eines Zielobjekts liefern, wenn es klappt, dazu noch zehn Fotos von archäologischen, biologischen oder geologischen Besonderheiten am Meeresgrund. Was davon ist die größte Herausforderung?
    Brink: Also es gibt zwei große Blocks von Herausforderungen. Das eine sind die Minimumherausforderungen, die man überhaupt schaffen muss, um gewertet zu werden. Das bedeutet mindestens 250 Quadratkilometer, mindestens zehn Bilder, glaube ich, die man schießen muss, und das Finden dieses Zielobjekts in einem zehn Quadratkilometer großen Bereich. Es wird spannend sein, ob überhaupt eines der Teams diese Grundvoraussetzung schaffen wird. Da haben wir auch den Hauptaugenmerk drauf gelegt. Falls es mehr als ein Team oder mehr als zwei Teams sind, dann geht mindestens eins ja ganz ohne Preis leer aus, dann kommt zum Beispiel die Qualität der Fotos ins Spiel. Da müssen wir wirklich auch ein bisschen auf das Glück vertrauen. Wir haben die Möglichkeit, mit einem Fahrzeug mehrere tausend Bilder zu schießen, haben aber keine Möglichkeit, gezielt, wenn jetzt das Fahrzeug zum Beispiel etwas sehen würde, da noch mal genauer, näher ranzugehen. Wir müssen einfach hoffen, dass auf diesen 5.000 Bildern auch was Interessantes drauf ist.
    Für verschiedene Einsatzgebiete
    Krauter: Da drücken wir die Daumen. Mal angenommen, das klappt alles wie geplant, wo könnte denn so eine Technologie, wie Sie sie entwickelt haben, künftig mal zum Einsatz kommen? Wer interessiert sich für sowas?
    Brink: Mich als Wissenschaftler interessiert es generell, mehr zu wissen über den Meeresgrund unseres eigenen Planeten. Es gibt ganz grundsätzliche Fragestellungen, zum Beispiel, dass man ja heute immer noch nicht beim Klimawandel genau versteht, wie die Strömungen im Meer sind, wie rau die Oberfläche des Meeres an bestimmten Stellen ist, wo CO2 zum Beispiel gespeichert werden kann, wo Methanhydrate sind. Also die ganze Frage der Biologie und der Geologie und des Umweltschutzes sind natürlich für den Wissenschaftler erst mal interessante Fragestellungen.
    Der andere Teil ist natürlich, dass die Öl- und Gasindustrie immer mehr in die tiefen Gewässer vordringt, und natürlich ist es wünschenswert, dass die Technologien, die man für die Überwachung braucht, möglichst robust und preiswert sind. Dann ein weiteres wichtiges Feld ist die Kommunikation. Weit über 95 Prozent der internationalen Internetkommunikation findet über Tiefseekabel statt, und diese Kabel, die müssen alle paar Jahrzehnte ausgewechselt werden. Da muss man die gesamte Strecke auch kartieren und ausmessen, damit da keine Hindernisse sind, keine Gräben, keine Wracks oder ähnliches, über die die Kabel dann zerbrechen würden. Auch Stromkabel und Pipelines müssen natürlich auch inspiziert werden. Das sind so die verschiedenen wirtschaftlichen Anbindungen, die es auch für diese Art der Technologie gibt.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.