"Eines tut dem Diskurs zum Rassismus nicht gut: Simplifikation", weiß der Philosoph und Sprachforscher Wolfgang Scheppe, der die Dresdner Ausstellung zur "Vermessung des Unmenschen" kuratiert hat. Eine aktuelle Ausstellung, zweifellos, geht es doch darum, die Argumentationsgrundlage von heutigen Rassisten einmal unter rein inhaltlichen Aspekten zu ergründen, nicht unter bloß moralischen. Denn, so Wolfgang Scheppe:
"Wir sind nach langem Studium der Auffassung, dass es sich beim Rassismus nicht um Gut und Böse handelt, sondern dass es um Richtig und Falsch zu tun ist."
"Richtig oder falsch": So verfolgt Scheppe mit zahlreichen historischen Beispielen die Leitbilder des Rassismus bis in die Zeit der Aufklärung hinein. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit - das galt in der Französischen Revolution zwar als Naturrecht des Menschen. Aber nicht für die Sklaven in den Kolonien oder in den amerikanischen Südstaaten. Gerechtfertigt wurde dies mit aus heutiger Sicht kruden, zugleich aber auch seltsam vertraut klingenden Argumenten. Demnach leite sich der Stammbaum der weißen Rasse angeblich vom biblischen Adam her. Die Linie der Abstammung von Dunkelhäutigen führe hingegen auf den Affen zurück, weshalb Dunkelhäutige auch nicht als Menschen bezeichnet und daher skrupellos ausgebeutet werden könnten.
Denkmuster spiegeln sich bis heute wider
Mit Rassenlehren, die den Apoll von Belvedere und den weißen Marmor antiker Skulpturen allgemein als Inbegriff von Schönheit darstellten, begründete sich eine Ästhetik des weißen Körpers und des Rassismus, die sich auf verschlungenen Wegen bis heute in den Denkmustern rassistischer Populisten widerspiegelt: Nicht zuletzt auch in Zitaten des AfD-Mannes Björn Höcke, der nach den Ereignissen in der Silvesternacht von Köln von einem "Kulturbruch vor dem Kölner Dom" sprach.
"Das ist die gültige gesellschaftliche Metapher für die Ängste, die sich in Köln jüngst beispielsweise ereignet haben. Das ist die Fassung der Angst vor der Rasseunreinheit und ist also das Beispiel für den Schwarzen, der über die deutschen Frauen herfällt in großer Zahl und seine Libido nicht kontrollieren kann."
Penibel vergleicht Anfang des 20. Jahrhunderts der Dresdner Ethnologe und Anthropologe Bernhard Struck Haare, Hauttönungen, Augenfarben, Knochen- und Gesichtsmaße. Sein so gewonnenes Menschenbild diente der Konstruktion völkischer Identität. Die Skulptur eines frauenraubenden Gorillas des französischen Bildhauers Emmanuel Fréminet aus dem 19. Jahrhundert markiert die fließenden Übergänge zur Kunst und schließlich auch zur Pop-Kultur des 20. Jahrhunderts.
Die fremde Gestalt als Monster
"Das war natürlich dann vor allem King Kong und alles, was folgte. Alles, was folgte, heißt: Jedes Monster des Monsterfilms ist das Fremde, das gewöhnlich dunkel ist und andersartig aussieht, es ist aus Metall, es ist ein Roboter, ‚The Monster of the Black Lagoon‘, halt irgendeine fremde Gestalt, die meistens noch ein tierisches Element hat."
Unweigerlich schwankt der Besucher zwischen Faszination und Erschütterung, wenn er durch die Exponate aus dem über 20.000 Objekte umfassenden Archiv des Bernhard Struck geht. Zu ihm gehören auch Sammlungen von Holzskulpturen, die zu den frühesten und seltensten aus dem tropischen Afrika gehören. Minimalistisch aufgereiht in den oberen Etagen der Kunsthalle im Lipsius-Bau, bilden die sogenannten "Seelenfiguren" der Bidyogo ein Ensemble von auratischer Strenge, dessen Schönheit im krassen Gegensatz zu ihrer Funktion für den Dresdner Rassenforscher steht: Als Anschauungsmaterial seiner Ideologie des Unmenschen.