Kratzen auf blankem Stein, mit dem bloßen Wohnungsschlüssel oder anderen spitzen Gegenständen. Eine chiffrierte Nachricht in die Fassade geritzt: Scratching.
"A + C = Liebe, Herzchen. Oder Freundschaftsbekundungen. Aber auch eher so ins Abstrakte gehende Zeichnungen, die dann gar nicht mehr so klar entschlüsselbar sind."
Betonmischer und Lastenkran, eine Schippe Sand: Die Kakofonie der Baustelle, die Klangkulisse der Veränderung im urbanen Raum - man hört sie nicht, man sieht sie nur in den Fotoarbeiten der Künstlerin Stefanie Pluta.
"Nicht entzifferbar"
In ihrer winzigen Parterrewohnung in Köln-Nippes wird aus dokumentierten Beobachtungen dokumentarische Kunst. Ihre Diplomarbeit hat sie als Fotobuch veröffentlicht: Schwarz-Weiß-Bilder von Scratchings an den Fassaden des Kölner Doms. Stefanie Pluta sagt:
"Also zum Beispiel hier sieht man ja schon: Es ist nicht entzifferbar, es hat eher so eine zeichnerische Qualität."
Die Ästhetik des Vandalismus: Im Kontext der Kunst von Stefanie Pluta werden Brüche im gewohnten Stadtbild sichtbar. Es interessiert sie der Wandel urbaner Räume. So wurde auch die Baustelle eines ihrer künstlerischen Forschungsobjekte.
"Das war, als ich so ein bisschen recherchiert habe für meine Diplomarbeit, da war ich auf der Domplatte unterwegs und hab ein paar Baustellen entdeckt, die ich irgendwie interessant fand. Zum Beispiel ein Bauzaun, der sich so eine Treppe hinaufschlängelt, was irgendwie so ein komisches Moment hatte."
Komisch, im Sinne von seltsam - aber auch humorvoll. Die Vereisungsanlage auf der Baustelle des eingestürzten Kölner Stadtarchivs: Ein dampfender Drache? Der an einer Stelle geöffnete Windschutz an einem Baugerüst: Hereinspaziert! Humor hat die Künstlerin Stefanie Pluta - auch ihrer noch kurzen Vita und prekären Lebenssituation begegnet sie mit einem Lachen.
Melancholischer Blick auf das Kaputte
Geboren 1980 in Bobingen - in der Nähe von Augsburg -, bis 2011 Studium an der Folkwang Universität Essen, ein Jahr Schule für visuelle Kunst in New York, danach Kunsthochschule für Medien in Köln. In den letzten Jahren hatte sie erste Einzelausstellungen. Nun präsentiert Stefanie Pluta bis Ende Januar eine Art Remix ihrer aktuellsten Arbeiten - mit der Ausstellung "Time Capsule / Urban Peep Show".
"Die basiert auf zwei Ausstellungen, die ich in Essen gemacht habe. Die eine hieß 'Time Capsule', da habe ich eigentlich eher versucht, Fragmente aus eigenen Arbeiten zusammenzubringen, die irgendwie so ein bisschen eine zeitliche Dimension beinhalten. Und die andere Ausstellung heißt 'Urban Peep Show', da habe ich mich so ein bisschen fokussiert auf Fotos von Baustellen und Orte im Übergang oder Orte der Veränderung, aber auch auf Abrisse von Werbeplakaten."
"Es geht um das Hinschauen"
In einem Souterrain in der Kölner Nordstadt hängen die Arbeiten von Stefanie Pluta an der Wand, in den Räumen des Kunstbuch-Verlags von Carmen Strzelecki. Sie sagt:
"Mich fasziniert dieser melancholische Blick auf das, was eigentlich kaputt ist, oder was kaputtgemacht wird, oder was fehlt, oder was man eigentlich nicht sieht."
Das zentrale Motiv der Ausstellung ist dann auch ein Auge: Es ist ein Fetzen Werbeplakat, das Stefanie Pluta aus einem Altpapiercontainer gefischt hat.
"Es geht irgendwie auch um den Blick, um das Hinschauen. Also vielleicht so eine Vorstufe zur Erotik."
Es ist dieses detailverliebte Hinschauen, dieser hinwendungsvolle Blick auf scheinbar Beiläufiges im Stadtbild, das die Kunst von Stefanie Pluta so eindringlich macht. Ihre Fotografien, Videos und Installationen sind stille Zeugen einer lauten Urbanität: Sie sensibilisieren den Betrachter wie die Künstlerin selbst für die Schönheit des Fehlerhaften.
Stefanie Pluta: Time Capsule / Urban Peep Show
Verlag: Strzeleckibooks, 52 Seiten, mit zahlreichen farbigen Abbildungen und Texten von Kathrin Barutzki und Konstantin Butz, kartoniert
Verlag: Strzeleckibooks, 52 Seiten, mit zahlreichen farbigen Abbildungen und Texten von Kathrin Barutzki und Konstantin Butz, kartoniert