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Die Vizekönigin

NRW-Vizeministerpräsidentin Sylvia Löhrmann kann sich freuen: Seitdem ihre Partei an Rhein und Ruhr wieder mitregiert, läuft es gut für die grüne Spitzenfrau aus Solingen. Selbst in der Schulpolitik, traditionell ein rutschiges Parkett im Land, konnte die Schulministerin mit der Gemeinschaftsschule punkten.

Von Barbara Schmidt-Mattern |
    "Like Ice in the Sunshine" - dieses etwas angestaubte Lied aus der Eiswerbung wirkt wie aus der Zeit gefallen, hier, wo sie in der Turnhalle von Ascheberg gerade den Aufbruch in die Zukunft feiern: Die kleine Gemeinde im Münsterland eröffnet dieser Tage eine der ersten Gemeinschaftsschulen in Nordrhein-Westfalen - und natürlich ist aus Düsseldorf auch die Schulministerin angereist:

    Bürgermeister: "Sie haben ein Stündchen Zeit?"
    Löhrmann: "Ja, eine Stunde habe ich Zeit, aber dann muss ich eben nach Dortmund, weil ich bin heute sehr gefragt ..."

    Jahrzehntelang haben sich Christ- und Sozialdemokraten hier an der Schulpolitik die Zähne ausgebissen - Löhrmann hat gerade einmal zwölf Monate gebraucht, um gemeinsam mit dem Koalitionspartner und der Opposition Schulfrieden zu schließen - die neue Gemeinschaftsschule in Ascheberg ist dafür lebendiger Beweis. Gerührt tritt Löhrmann auf das kleine Podest in der Turnhalle:

    "Ich hab's mir gewünscht vor einem Jahr."

    Das längere, gemeinsame Lernen aller Kinder an einer Schule

    "Aber vielleicht hätte ich's mir nicht träumen lassen, dass wir das auch hinbekommen, und natürlich freue ich mich wirklich sehr darüber."

    Immer diese Harmonie, diese Konsenssoße, so mäkeln einige in der Partei - Löhrmann müsse auch mal Kante zeigen - offen sagen will das freilich niemand. Und den Schulfrieden habe sie auch gut hinbekommen, das räumen selbst ihre Kritiker ein. In Ascheberg sind sie ohnehin zufrieden mit ihr, und so bedankt sich Löhrmann mit warmen Worten:

    "Die Anstrengungen haben sich gelohnt, nicht für die Politik. Gewinner sind die Kinder, und darum machen wir das alles."

    Das ist dann doch ein wenig zu viel der Bescheidenheit, denn natürlich ist Löhrmanns Schulfrieden vor allem ein politischer Sieg - das findet auch Rita Süssmuth, die seit Langem für längeres gemeinsames Lernen wirbt und deshalb zur Eröffnung der neuen Gemeinschaftsschule in die münsterländische Provinz gereist ist. Die Christdemokratin Süssmuth vergibt an Löhrmann die Bestnote:

    "Eins! Sie hat sehr Gutes geleistet über Jahre. Ohne ihre Umsichtigkeit wäre dieses Ergebnis auch nicht zustande gekommen."

    Sylvia im Glück - seitdem ihre Partei an Rhein und Ruhr wieder mitregiert, läuft es gut für die grüne Spitzenfrau aus Solingen. Während Hannelore Kraft im ersten Regierungsjahr als Schuldenkönigin gebrandmarkt wurde, nahm die Grünen kaum jemand ins Visier. Überhaupt haben sie alle Krisen, die die Minderheitsregierung in Düsseldorf schon durchlebt hat, erstaunlich schadlos überstanden. Kompetenz ist der eine Grund, das Talent zur positiven Selbstdarstellung der andere. Sylvia Löhrmann mit einer Kostprobe:

    "Wir bleiben ja sehr, sehr bescheiden, und sehr ruhig und wissen auch um die Begrenztheit unserer Möglichkeiten. Wir sagen ja nicht, hurra, wo sind die%e, und dann wuppen wir das Ding schon, sondern wir gehen ja sehr planvoll, behutsam, aber eben nachhaltig und unumkehrbar die Dinge an. Verantwortlich, zukunftsbezogen, das sind die Maßstäbe."

    Was bei den Sozialdemokraten oft ein wenig altbacken klingt, verpacken die Grünen in attraktive Botschaften, die eigentlich niemand ablehnen kann, weil sie so vernünftig klingen:

    "Naja, wir haben unsere Themen, Kinder, Klima und Kommunen - sind ja meine drei Ks immer gewesen im Wahlkampf, und an denen arbeiten wir. Und da gibt's ja nicht einen Schalter, den man umlegt, sondern da gibt's nachhaltige Entwicklungsprozesse, die unumkehrbar sind."

    Lieber drückt sich Löhrmann mal einen Tick zu geschraubt aus, als dass sie mit einfachen Antworten daher kommt. Ein wenig lehrerhaft sei die Schulministerin manchmal schon, sagt ihr alter Freund Rainer Priggen, Grünen-Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag:

    "Bei der Zeichensetzung, ja, das muss man ehrlich sagen, die findet jedes fehlende Komma. Und die Bildungsleute haben ja auch einen eigenen Sprachgebrauch, den man manchmal übersetzen muss, damit ihn Normale verstehen. Aber sie kann auch über sich lachen, deswegen ist es immer wieder schön, mit ihr zu arbeiten."

    Zum Lachen findet Sylvia Löhrmann die Frage nach künftigen Koalitionen. Dass sie beim Schulfrieden jetzt die CDU - genauer den ebenfalls Schwarz-Grün gesinnten Landesvorsitzenden Norbert Röttgen, mit ins Boot geholt hat, das habe mit Machtoptionen nichts zu tun. Für Rüttgers wie für Röttgen gelte:

    "Ich will sie ja nicht heiraten, weder den einen noch den anderen."

    Während Hannelore Kraft gerne mal emotional wird und bekennt, sie könne mit ihrer grünen Stellvertreterin auch Spaß haben, zelebriert Sylvia Löhrmann fröhlich ihre Unabhängigkeit:

    "Und auch Frau Kraft will ich nicht heiraten, oder Herrn Römer. Das kann ich sehr gut trennen."

    Künftig einmal Ministerpräsidentin werden oder nach Berlin wechseln, all das beantwortet Löhrmann derzeit so:

    "Na, weil ich mit Leib und Seele Schule in NRW mache."

    Der selbstbewusste Wortwitz soll davon ablenken, dass Löhrmann direkten Fragen lieber ausweicht. Und dennoch sind Machtfragen ihr ganz und gar nicht fremd:

    "Wir haben jetzt über die Strecke Nordrhein-Westfalen, Bremen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg sozusagen den roten Teppich ausgerollt für 2013, um eben auch wieder Gestaltung und Verantwortung auf Bundesebene zu übernehmen. Und da spiele ich naturgemäß als stellvertretende Ministerpräsidentin eine Rolle - ich bin ein zupackender, aber trotzdem zurückhaltender Mensch und will, dass die Dinge immer vom Ende her bedacht werden."