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"Die Vorschläge von Herrn Barroso halte ich für schlicht unverantwortlich"

"Wenn aber nur erst zehn Prozent eines Rettungsschirms ausgeschöpft sind und man dann daraus den Schluss zieht, dass man den Rettungsschirm ausweiten muss, dann passt das nicht mehr zusammen" - Volker Wissing warnt vor einer Transferunion.

    Gerwald Herter: 750 Milliarden Euro, so groß ist der Rettungsschirm, mit dem überschuldete Länder aus der Euro-Zone aufgefangen werden sollen. Bisher ist das Volumen nur zu zehn Prozent ausgeschöpft, denn einzig Irland hat sich unter den Schirm begeben. Aus Sicht der EU-Kommission reicht das nicht. Darüber haben die Finanzminister der Euro-Staaten bis in die Nacht hinein gesprochen.
    Jetzt bin ich mit dem Vorsitzenden des Finanzausschusses im Bundestag, mit dem FDP-Politiker Volker Wissing verbunden. Guten Morgen, Herr Wissing.

    Volker Wissing: Guten Morgen, ich grüße Sie.

    Herter: Portugal und Spanien haben in der vergangenen Woche erfolgreich Anleihen platziert, um ihre Schulden zu finanzieren. Soll die Politik deshalb jetzt einfach mal gar nichts tun und abwarten?

    Wissing: Gar nichts tun und abwarten hat sich in dieser Staatsverschuldungskrise, die ja längst eine Währungskrise geworden ist, nicht als klug erwiesen, sondern man muss immer die Oberhand behalten. Das heißt, die Politik muss frühzeitig reagieren, damit es nicht wieder zu irgendwelchen Notmaßnahmen kommt wie zu Beginn des vergangenen Jahres.

    Herter: Und brauchen wir deswegen einen Ausbau des Euro-Rettungsschirms?

    Wissing: Die Vorschläge von Herrn Barroso halte ich für schlicht unverantwortlich. Ich glaube, eine Ausweitung des Rettungsschirms, so wie er es vorgeschlagen hat, ist erstens nicht notwendig und zweitens gibt es dafür keine Mehrheiten in den europäischen Parlamenten.

    Herter: Warum ist das nicht notwendig? Portugal zahlt zum Beispiel 6,7 Prozent Zinsen für zehn-jährige Anleihen, auf Dauer kann das nicht gut gehen.

    Wissing: Nein. Wenn aber nur erst zehn Prozent eines Rettungsschirms ausgeschöpft sind und man dann daraus den Schluss zieht, dass man den Rettungsschirm ausweiten muss, dann passt das nicht mehr zusammen und die Vorschläge, die da von europäischer Seite gekommen sind, sind weder hilfreich noch in sich schlüssig und sie werden auch nicht kommen, weil es keine Mehrheiten dafür gibt. Der Deutsche Bundestag wird so etwas nicht mittragen.

    Herter: Werden Sie dem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble die harte Kante zeigen im Bundestag, wenn es dazu kommt?

    Wissing: Was der Bundesfinanzminister vorgeschlagen hat, ist etwas anderes. Er möchte die Garantiesummen ausweiten, damit der vorhandene Euro-Rettungsschirm voll genutzt werden kann. Es ist etwas anderes, ob ich den vorhandenen Schirm voll nutzbar mache, oder ob ich den vorhandenen Schirm noch ausweite. Es sind Irritationen darüber entstanden an den internationalen Finanzmärkten, wie hoch denn nun tatsächlich der Schirm ist, und ich halte es für sinnvoll, dass man darüber diskutiert, hier Klarheit zu schaffen. Das will der Bundesfinanzminister und dieser Diskussion stellen wir uns.

    Herter: Stellen Sie eine Bedingung, dass zum Beispiel nicht alleine die Triple-A-Länder, also die, die als sicher gelten, so wie Deutschland, diesen Ausbau des Rettungsschirms finanzieren sollten?

    Wissing: Für uns ist eines wichtig: Wir sind bereit, zur Stabilisierung der Währung schwachen Ländern, die ins Straucheln geraten sind, zu helfen. Diese Hilfe muss aber immer eine Hilfe zur Selbsthilfe sein, deswegen strenge Auflagen, und es muss bei der Schuldenselbstverantwortung der Länder bleiben. Es darf nicht dazu kommen, dass dauerhaft die starken Länder für die schwachen Länder aufkommen. Das wäre eine Transferunion und die ist mit der FDP nicht zu machen. Wir wollen Hilfe zur Selbsthilfe leisten über einen beschränkten Zeitraum hinweg, und dann muss jedes Land so wettbewerbsfähig sein, dass es aus eigener Kraft seine Ausgaben finanzieren kann. Es kann keine dauerhaften Transfermechanismen innerhalb der Euro-Zone geben. Dazu sagen wir nein.

    Herter: Sie hören die "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk, der Vorsitzende des Bundestagsfinanzausschusses Volker Wissing (FDP) zur Stabilisierung des Euro. – Herr Wissing, fühlen Sie sich von Bundesfinanzminister Schäuble in Brüssel gut vertreten?

    Wissing: Ich glaube, er hat einen klaren Blick auf das, was im Interesse der Bundesrepublik Deutschland in der Euro-Zone verändert werden muss. Wir haben aber sicherlich unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie die Euro-Zone weiterentwickelt werden muss. Das muss man ausdiskutieren. Für die FDP ist immer klar gewesen, Schuldenselbstverantwortung muss gelten, auch in Zukunft keine Transferunion. Deswegen haben wir ja auch mit großer Vehemenz europäische Staatsanleihen abgelehnt. Keine Euro-Bonds war immer die Aussage und dabei sind wir geblieben.

    Herter: Und Schäuble tut auch alles, um neue Belastungen für den deutschen Steuerzahler zu vermeiden?

    Wissing: Er wird am Ende für alles, was er auf europäischer Ebene verhandelt, eine Mehrheit im Deutschen Bundestag haben müssen, das weiß er sehr genau, und deswegen stimmt er sich mit seinem Koalitionspartner auch eng ab. Da ist er gut beraten.

    Herter: Schäuble ist zur Belastung für die Koalition geworden. Das sagt ein Kollege von Ihnen, Frank Schäffler in einem Interview, deswegen, weil er sich Steuervereinfachungen entgegenstellt. Sind Sie auch dieser Meinung?

    Wissing: Ich bin ein selbstbewusster Parlamentarier und ich weiß, wie die Mehrheitsverhältnisse in den Koalitionsfraktionen sind. Deswegen bin ich zuversichtlich, dass es dazu kommen wird, dass die Steuervereinfachungen für das Jahr 2011 voll nutzbar werden. Jeder Arbeitnehmer wird den erhöhten Pauschbetrag für das Jahr 2011 voll in Anspruch nehmen können, das ist die Haltung der beiden Koalitionsfraktionen, und der Bundesfinanzminister wird zur Kenntnis nehmen müssen, dass nicht die Regierung, sondern das Parlament Gesetze verabschiedet.

    Herter: Sie drohen also nicht mit einem Koalitionsbruch? Das ist heute die Schlagzeile in der "Süddeutschen Zeitung".

    Wissing: Das macht ja insofern keinen Sinn, weil die CDU erklärt hat, dass sie sich genauso wie die FDP für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einsetzt. Die CDU hat genauso wie wir auch erklärt, dass es zu einer rückwirkenden Nutzung des erhöhten Arbeitnehmerpauschbetrages von 1.000 Euro kommen wird, und damit steht die Koalition in dieser Frage zusammen. Wenn der Bundesfinanzminister anderer Auffassung ist, respektieren wir das, aber ins Bundesgesetzblatt kommt das, was das Parlament will.

    Herter: Das gilt. Und was passiert, wenn in das Bundesgesetzblatt das doch nicht reingeschrieben wird?

    Wissing: Der Bundesfinanzminister braucht ja zunächst einmal einen Kabinettsbeschluss und im Kabinett sitzen auch liberale Minister, die werden die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genauso wahren wie die liberale Bundestagsfraktion.

    Herter: Und Sie hoffen, dass die Bundeskanzlerin da ein offenes Ohr hat?

    Wissing: Ich bin sehr zuversichtlich. Ich glaube im Übrigen, dass sich dieses Thema gar nicht eignet, um einen Streit hochzustilisieren. Wir haben unsere Position ganz klar gemacht. Wir verstehen, dass der Bundesfinanzminister – und da unterstützen wir ihn auch – Haushaltskonsolidierung als ganz großes Ziel vor Augen hat. Wir haben dabei auch schon viel erreicht. Wir konnten nicht viel machen im Bereich der Steuervereinfachung, nicht so viel jedenfalls, wie die FDP sich vorgestellt hat, aber das, was jetzt vereinbart worden ist, muss kommen und es muss so schnell wie möglich kommen. Es kann nicht sein, dass an anderer Stelle immer schnell gehandelt wird und wenn es um eine Verbesserung des Steuersystems für die Bürger geht, dann nimmt man sich unendlich viel Zeit. Das geht mit der FDP jetzt definitiv nicht mehr und das wird der Bundesfinanzminister respektieren und akzeptieren müssen. Deswegen: ich sehe es sehr gelassen. Wir werden uns an der Stelle aber durchsetzen.

    Herter: Das war Volker Wissing (FDP). Er ist der Vorsitzende des Bundestagsfinanzausschusses. Herr Wissing, schönen Tag und vielen Dank für das Gespräch.

    Wissing: Ich danke Ihnen.

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