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Die Wahl in Berlin
Ausgang offen

Lange Schlangen vor den Wahllokalen in Berlin deuteten am Sonntag darauf hin, dass das Interesse an der Wahl groß ist. Wer aber danach mit wem regieren kann, ist noch völlig offen. Groß ist auch die Spannung bei den kleineren Parteien, die um den Einzug ins Abgeordnetenhaus bangen müssen.

Von Frederik Rother |
    Wähler sitzen am 18.09.2016 bei der Abgeordnetenhauswahl in Berlin in einem Wahllokal in der Wahlkabine.
    Wähler sitzen bei der Abgeordnetenhauswahl in Berlin in einem Wahllokal in der Wahlkabine. (dpa / picture alliance / Klaus-Dietmar Gabbert)
    Vor einigen Wahllokalen bildeten sich schon am Vormittag lange Schlangen. Bei sonnigem Wetter warteten etwa die Menschen in den Berliner Stadtteilen Pankow, Kreuzberg und Prenzlauer Berg darauf, ihre Stimme abgeben zu können. Auch für diese Frau ist klar, dass sie wählen geht: "Das ist für meine Begriffe die größte Bürgerbeteiligung, die es gibt. Das ist eine Wahl. Und nicht eine Interessenvertretung für einen Fahrradweg."
    Radwege waren nur ein Nebenthema im Wahlkampf. Die Hauptthemen waren andere: hohe Mieten, fehlende Wohnungen, der marode Zustand vieler Schulen und die innere Sicherheit. Vor allem Letzteres hatte sich die CDU um ihren Spitzenkandidaten und Innensenator Frank Henkel auf die Fahnen geschrieben. Henkel hatte mehrmals ein Burkaverbot gefordert und wurde dafür von Regierungschef Michael Müller scharf angegriffen: "Wer unter jedem Kopftuch, und hinter jeder Burka und unter jedem Bart ein Sicherheitsrisiko vermutet, der will keine Integration. Herr Henkel spielt den Roland Koch für Arme."
    Auch für Rot-grün wird es nicht reichen
    Dass die SPD nicht mehr mit den Christdemokraten koalieren will, ist kein Geheimnis. Müller hat sich mehrmals für die Grünen als Koalitionspartner ausgesprochen. Deren Spitzenkandidatin Ramona Pop kann sich ein Bündnis mit den Sozialdemokraten zwar vorstellen, warnt jedoch vor allzu viel Optimismus: "Vor jeder Wahl entdeckt die SPD ihre Liebe zur Rot-grün und nach jeder Wahl hat sie andere Koalitionspartner sich ausgesucht. Insofern frage ich mich, Herrn Müller auch gerne zurück, wie ernst meint er das denn."
    Nach der letzten Wahl scheiterten rot-grüne Koalitionsverhandlungen und der damalige Bürgermeister Klaus Wowereit regierte dann zusammen mit der CDU. Für Rot-grün wird es diesmal wohl auch nicht reichen. Als dritter Koalitionspartner steht die Linke bereit, die im Wahlkampf mit Spitzenkandidat Klaus Lederer auch die Schattenseiten der Metropole ansprach. Die Armut zum Beispiel: "Wir müssen über die andere Seite der Realität reden, für die offenbar Michael Müller, die SPD, die CDU längst jeden Realitätscheck verweigern."
    Spannung bei Liberalen und Piraten
    Eine großes Thema war auch die AfD, die wahrscheinlich in das zehnte Landesparlament in Folge einziehen wird. Alle Parteien im Abgeordnetenhaus kritisierten die Alternative für Deutschland. Müller sprach erst vor wenigen Tagen im Hinblick auf einen Wahlerfolg der AfD von einem "Wiederaufstieg der Rechten und Nazis". Und auch Innensenator Frank Henkel bezog beim Wahlkampfabschluss klar Stellung. Er könne keine Partei ertragen, die "offensichtlich in ihrem Spitzenpersonal überhaupt kein Problem hat bei dem Gedanken, an der Grenze auf Kinder und Frauen zu schießen. Pfui deifel kann ich nur sagen."
    Georg Pazderski, Spitzenkandidat der AfD, sieht das gelassen: "So wie es derzeit aussieht, wird wahrscheinlich am 19.9. Herr Henkel Geschichte sein, weil er ein derart schlechtes Ergebnis für die CDU einfährt, dass er wahrscheinlich auch nicht mehr für die Partei tragbar ist."
    Spannend wird auch, ob die FDP den Wiedereinzug ins Abgeordnetenhaus schafft. Die Liberalen sind vor fünf Jahren mit 1,8 Prozent aus dem Parlament geflogen. Die Piratenpartei, die damals mit 8,9 Prozent in den Landtag gewählt worden war, wird den Einzug wahrscheinlich verpassen.