Das Bild der Überwachungskamera ist Überkopf. Sie ist an einem Betonpfeiler angebracht und schwenkt langsam hin und her, manchmal blitzt ihr Objektiv matt. Wir beobachten die Kamera beim Überwachen. Das projizierte Video-Bild wackelt etwas. Sonst steht alles still. Thomas Demand führt die Wucht des Augenblicks vor, indem er die Zeit in die Warteschleife schickt. Seine Landschaften und Stillleben scheinen auf den ersten Blick banal, inhaltsleer, beliebig in sich kreisend, zum Beispiel die Installation "Embassy": Ein steriles Treppenhaus mit verschlossenen Türen, dann eine spaltbreit geöffnete Tür, weiter beliebige Blicke in ein eben verlassenes Büro voller Regale, Akten und Papiere, mit halb ausgetrunkener Kaffeetasse, Zigarettenschachtel.
All diese Bilder - insgesamt neun Großfotos auf Aluminium, hinter Acryl - saugen uns hinein in eine jener "simplen Stories", deren Schauplätze Thomas Demand scheinbar dokumentiert, in Wahrheit aber eins zu eins als Modell nachbaut. Das Ergebnis oft wochenlanger Arbeit mit Pappe, Kleber und farbigen Papieren wird dann - künstlich perfekt ausgeleuchtet - abfotografiert und als Blow-up in Original¬größe präsentiert. Dieses Verfahren wirft nicht nur das Problem auf, ob Demand eigentlich Skulpteur, Maler oder Fotograf sei. Die drängendere Frage ist die nach Wahrheit oder Lüge dergestalt verfertigter Bilder.
In der Installation "Embassy" geht es um die Botschaft von Niger in Rom. Dort wurden vor sieben Jahren Briefpapier und Hoheitszeichen gestohlen, Material für ein historisches Fake: ein Deal Saddam Husseins mit dem westafrikanischen Staat über die Lieferung von 500 Tonnen Uran für die irakische Bombe. Die plumpe Geheimdienst-Fälschung lieferte der Bush-Administration den Anlass zum Überfall auf Bagdad. Demand hat in diesem Fall den Schauplatz, die römische Original-Botschaft, nicht wie sonst exakt nachgebaut, sondern nach vor Ort heimlich gemachten Skizzen. Schaut man genau hin, enthalten die Fotos des Botschaftsmodells fragwürdige Details, an denen sich das Auge festhakt: Da eine brüchige Kante, dort eine falsche Glätte, hier ein tückisches Glanzlicht, da eine unglaubwürdige Vereinfachung von Struktur oder Form.
Demands Fotos sind - gerade weil sie so perfekt scheinen - skandalöse Fälschungen. Und dabei konfrontieren sie den Betrachter oft mit den Lügen der hohen Politik ebenso wie mit den Niederungen gemeinen kriminellen Alltags, etwa in der Bilderfolge "Klause". Hier geht es um den unappetitlichen Schauplatz einer Kinderschändung mit Todesfolge in der "Tosa-Klause" im Saarland. Auch hier kein Mensch nirgends. Die menschlichen Abgründe verbergen sich hinter spinatgrünem Efeulaub, blinden Butzenscheiben und einer mit rohem Holz verrammelten Pforte. Im Inneren der Klause eine Mischung aus Küche, Labor und Besenkammer, Gastronomie-Requisiten und Luftschlangen vom vergangenen Fasching: glasharte und zugleich rätselhafte Bilder.
Zur Tosa-Klause konnte sich Thomas Demand nachträglich Zugang verschaffen. Teile des Mobiliars einer Pizzeria, die dort eingezogen war und nach Bekanntwerden der grauenvollen Vorgänge Pleite ging, waren von den Fahndern wieder zurückgebaut worden, um den Zeugen ihre Erinnerung an den Tatort zu erleichtern. Das reizte Demand.
Was ist die Wahrheit eines Ortes, an den sich vor Ort niemand mehr erinnern möchte? Welcher Schicht der Realitäten bedient sich der Fotograf beim Fotografieren? Das Faszinierende an Demands Vorgehen ist, dass sich Realität und Wahrheit nie ganz decken, so detailgetreu er die Schauplätze auch aus Papier nachbaut, so perfekt er sie dann erneut auch ablichtet; die Geschichten gehen, wie bei einem gutem Krimi, nie restlos auf. Es blitzt immer wieder unheimlich, an den Sollbruchstellen der papiernen Präsenz dieser fiktionalen Bilderwelten. Immer sind es Räume und Szenarien, denen die Realität bereits durch ihre Verwurstung in Illustrierten oder im Fernsehen ausgetrieben wurde, sei es jener Tunnel, wo Lady Di starb oder jener Campingtisch, an dem die Entführer von Jan Philipp Reemtsma saßen.
Bleibt die Frage, ob Thomas Demand, der seine Tatort- und Stillleben-Modelle nach ihrer "zweiten" Fotografie immer zerstört, Bildhauer oder Dokumentarist sei? Er selbst sieht sich nicht als Fotokünstler, obwohl dies paradoxerweise sein Ausstellungs-Medium ist. Zu den Modellbauern ist er auch nicht zu rechnen, da man ja nur seine Fotos sieht. Man hat sich damit beholfen, ihn einen Medien-Reproduzenten oder Illusionisten zu nennen. Bezeichnend ist die Treue, mit der er an so altmodischen wie "armen" Materialien Papier, Pappe und Karton festhält, allesamt schnell vergängliche Kunst-Werkstoffe, deren Fragilität er so augenfällig wie fotografisch aufwendig ausstellt.
Insofern ist er ein Künstler von altem Schrot und Korn: Er reproduziert nicht Realität, er produziert Schein, auch die Überwachungskamera ist nur aus Pappe, ein Pappkamerad, ein Papiertiger allermodernster Sorte. Thomas Demand hält die Zeit an, um die Wucht des Augenblicks vorzuführen.
All diese Bilder - insgesamt neun Großfotos auf Aluminium, hinter Acryl - saugen uns hinein in eine jener "simplen Stories", deren Schauplätze Thomas Demand scheinbar dokumentiert, in Wahrheit aber eins zu eins als Modell nachbaut. Das Ergebnis oft wochenlanger Arbeit mit Pappe, Kleber und farbigen Papieren wird dann - künstlich perfekt ausgeleuchtet - abfotografiert und als Blow-up in Original¬größe präsentiert. Dieses Verfahren wirft nicht nur das Problem auf, ob Demand eigentlich Skulpteur, Maler oder Fotograf sei. Die drängendere Frage ist die nach Wahrheit oder Lüge dergestalt verfertigter Bilder.
In der Installation "Embassy" geht es um die Botschaft von Niger in Rom. Dort wurden vor sieben Jahren Briefpapier und Hoheitszeichen gestohlen, Material für ein historisches Fake: ein Deal Saddam Husseins mit dem westafrikanischen Staat über die Lieferung von 500 Tonnen Uran für die irakische Bombe. Die plumpe Geheimdienst-Fälschung lieferte der Bush-Administration den Anlass zum Überfall auf Bagdad. Demand hat in diesem Fall den Schauplatz, die römische Original-Botschaft, nicht wie sonst exakt nachgebaut, sondern nach vor Ort heimlich gemachten Skizzen. Schaut man genau hin, enthalten die Fotos des Botschaftsmodells fragwürdige Details, an denen sich das Auge festhakt: Da eine brüchige Kante, dort eine falsche Glätte, hier ein tückisches Glanzlicht, da eine unglaubwürdige Vereinfachung von Struktur oder Form.
Demands Fotos sind - gerade weil sie so perfekt scheinen - skandalöse Fälschungen. Und dabei konfrontieren sie den Betrachter oft mit den Lügen der hohen Politik ebenso wie mit den Niederungen gemeinen kriminellen Alltags, etwa in der Bilderfolge "Klause". Hier geht es um den unappetitlichen Schauplatz einer Kinderschändung mit Todesfolge in der "Tosa-Klause" im Saarland. Auch hier kein Mensch nirgends. Die menschlichen Abgründe verbergen sich hinter spinatgrünem Efeulaub, blinden Butzenscheiben und einer mit rohem Holz verrammelten Pforte. Im Inneren der Klause eine Mischung aus Küche, Labor und Besenkammer, Gastronomie-Requisiten und Luftschlangen vom vergangenen Fasching: glasharte und zugleich rätselhafte Bilder.
Zur Tosa-Klause konnte sich Thomas Demand nachträglich Zugang verschaffen. Teile des Mobiliars einer Pizzeria, die dort eingezogen war und nach Bekanntwerden der grauenvollen Vorgänge Pleite ging, waren von den Fahndern wieder zurückgebaut worden, um den Zeugen ihre Erinnerung an den Tatort zu erleichtern. Das reizte Demand.
Was ist die Wahrheit eines Ortes, an den sich vor Ort niemand mehr erinnern möchte? Welcher Schicht der Realitäten bedient sich der Fotograf beim Fotografieren? Das Faszinierende an Demands Vorgehen ist, dass sich Realität und Wahrheit nie ganz decken, so detailgetreu er die Schauplätze auch aus Papier nachbaut, so perfekt er sie dann erneut auch ablichtet; die Geschichten gehen, wie bei einem gutem Krimi, nie restlos auf. Es blitzt immer wieder unheimlich, an den Sollbruchstellen der papiernen Präsenz dieser fiktionalen Bilderwelten. Immer sind es Räume und Szenarien, denen die Realität bereits durch ihre Verwurstung in Illustrierten oder im Fernsehen ausgetrieben wurde, sei es jener Tunnel, wo Lady Di starb oder jener Campingtisch, an dem die Entführer von Jan Philipp Reemtsma saßen.
Bleibt die Frage, ob Thomas Demand, der seine Tatort- und Stillleben-Modelle nach ihrer "zweiten" Fotografie immer zerstört, Bildhauer oder Dokumentarist sei? Er selbst sieht sich nicht als Fotokünstler, obwohl dies paradoxerweise sein Ausstellungs-Medium ist. Zu den Modellbauern ist er auch nicht zu rechnen, da man ja nur seine Fotos sieht. Man hat sich damit beholfen, ihn einen Medien-Reproduzenten oder Illusionisten zu nennen. Bezeichnend ist die Treue, mit der er an so altmodischen wie "armen" Materialien Papier, Pappe und Karton festhält, allesamt schnell vergängliche Kunst-Werkstoffe, deren Fragilität er so augenfällig wie fotografisch aufwendig ausstellt.
Insofern ist er ein Künstler von altem Schrot und Korn: Er reproduziert nicht Realität, er produziert Schein, auch die Überwachungskamera ist nur aus Pappe, ein Pappkamerad, ein Papiertiger allermodernster Sorte. Thomas Demand hält die Zeit an, um die Wucht des Augenblicks vorzuführen.