Was tut man, wenn man dieses Buch auf die Bühne bringt? Welche Geschichte will man erzählen? Eine von Flucht und Exil? Eine über den Preis der Freiheit? Eine philosophische Heil-Reise, eine umgekehrte Peer-Gynt-Geschichte, die Rückkehr eines Verlorenen zu sich selbst? Die überbordenden Tiraden eines osteuropäischen Spieler-Königs? Oder eine über das Spielen selbst - was auf dem Theater nahe läge?
Der Roman ist die Welt, die bekanntlich groß ist. Auf der Bühne wird daraus oft nicht mehr als ein überzeugend bebildertes Stationendrama, dem die Sprache fehlt und das Drama. So auch hier: Die Bühne von Florian Lösche bietet zwar einige starke Bilder, aber darin findet kein Stück statt, sondern vielfältig perspektivisch gebrochene erzählte Zeit. Das ist im Roman Vielstimmigkeit und hier Konzept; der multiple Griff in die Trickkiste des zeitgenössischen Theaterkunsthandwerks wirkt paradoxerweise aber doch sehr brav.
Im ersten Teil dominiert ein Maisfeld die Szene. Zwischen den strammstehenden Pflanzen finden die Exerzitien des sozialistischen Alltags statt und die Vorbereitung der Flucht Janas und Vaskos mit ihrem kleinen Sohn Alexander aus der bulgarischen Tristesse nach Italien. Zwei Musiker am Bühnenrand sorgen für balkanische Musik und die Stimmenflut im Flüchtlingslager, die jetzt aus den Stümpfen der abgeräumten Maispflanzen dringt. Jette Steckel, die für ihre psychologisch und räumlich perfekt abgezirkelten Spielanordnungen bekannt geworden ist, hat hier die perspektivische Vielfalt übersetzt. Die Schauspieler sind auch Erzähler ihrer eigenen Geschichte oder Moderatoren einer anderen, einmal sogar Musiker. Der große Spielmacher aber ist Bruno Cathomas in verschiedenen Rollen, er ist der alte Backgammon-König Bai Dan, der allwissende Erzähler, der Conférencier beim Asylanten-Quiz. Als Übersetzer Bogdan im Flüchtlingslager ist er ein aufgedrehter Spaßvogel, als Besucher und Retter des nach dem Tod seiner Eltern depressiv herumhängenden 26-jährigen Alex die Animierdame, auf dem Feld des Spiels der weise Philosoph. Der Powerplayer Cathomas ist hier in seinem Element, zur Seite hat er mit Jörg Pohl als Alexander, mit Mirco Kreibich als Vater Jasco und mit Lisa Hagmeister als Mutter Jana drei junge Schauspieler, die den Härten und Reizen der neuen Welt, die nur eine andere, keine bessere ist, sensibel, mit naiver Frische, plötzlichem inneren Erstrahlen oder trauriger Duldsamkeit begegnen.
"Wie lange kann man den Wolken am Himmel zu sehen, bevor es dem Kummer zu eng wird?"
Nach der Pause findet eine zweite Reise statt, in umgekehrter Richtung. Die Eltern hatten ihre Heimat verlassen, um im Westen, in Freiheit, nach vielen Jahren der Armut eine Zweizimmerwohnung und ein Auto zu besitzen. Alexander, anfangs in eine Matratze eingeschnürt, hat sich selbst jeder Freiheit beraubt, bis er selbst, geführt von Bai Dan und mithilfe des Spiels sein seelisches Gefängnis verlassen kann. Jetzt kehrt das Maisfeld in Form eines riesigen Popcorn-Berges wieder, aus dem sich Bai Dan und Alexander zu ihrer gemeinsamen Tandem-Fahrt durch die Welt befreien müssen.
Hier im zweiten Teil des Stücks steht das Spiel-Handeln im Mittelpunkt, das Was-wäre-wenn und die Fantasie. Der Bergpass, den die beiden als Tandem erobern, ist eine schräge Tür, die der eine erklettert, während der andere sie stützt. Kurz zuvor zwang Alexanders fortgeschrittene Oblomowitis - er möchte einfach nicht mitspielen! - Bruno Cathomas zu einer clownesken Spiel-im-Spiel-Szene über das Improvisieren auf dem Theater.
Mancher Regieeinfall wirkt dabei aufgesetzt, viele Szenen unverbunden, holprig. Das imaginäre Hütchenspiel mit dem Publikum oder eine Szene mit einem echten Mitglied der örtlichen Feuerwehr über illegales Glücksspiel geraten arg gewollt. So musikalisch intelligent die Aufführung daher kommt, so unrhythmisch heruntererzählt wirkt sie in vielen Teilen. Und last, but not least: Die unaufdringliche Philosophie des Textes kann auf der Bühne nur plakativ wirken. Anregend ist sie trotzdem: Kann man den Wurf berechnen, den das Leben für einen bereithält? Ist Fantasie, das Imaginierte, das Unregulierte wirklich das Elixier nicht nur jeden Spiels, sondern eines gelungenen Lebens? Wenn Bühne Handeln auf Probe ist, was haben wir dann hier gesehen?
Fazit: Die Welt ist groß und Rettung lauert überall, nur in diesem Fall wohl eher nicht auf dem Theater. Aber: Ist die Welt nicht so groß, dass das Theater wieder eigene Geschichten erfinden könnte?
Der Roman ist die Welt, die bekanntlich groß ist. Auf der Bühne wird daraus oft nicht mehr als ein überzeugend bebildertes Stationendrama, dem die Sprache fehlt und das Drama. So auch hier: Die Bühne von Florian Lösche bietet zwar einige starke Bilder, aber darin findet kein Stück statt, sondern vielfältig perspektivisch gebrochene erzählte Zeit. Das ist im Roman Vielstimmigkeit und hier Konzept; der multiple Griff in die Trickkiste des zeitgenössischen Theaterkunsthandwerks wirkt paradoxerweise aber doch sehr brav.
Im ersten Teil dominiert ein Maisfeld die Szene. Zwischen den strammstehenden Pflanzen finden die Exerzitien des sozialistischen Alltags statt und die Vorbereitung der Flucht Janas und Vaskos mit ihrem kleinen Sohn Alexander aus der bulgarischen Tristesse nach Italien. Zwei Musiker am Bühnenrand sorgen für balkanische Musik und die Stimmenflut im Flüchtlingslager, die jetzt aus den Stümpfen der abgeräumten Maispflanzen dringt. Jette Steckel, die für ihre psychologisch und räumlich perfekt abgezirkelten Spielanordnungen bekannt geworden ist, hat hier die perspektivische Vielfalt übersetzt. Die Schauspieler sind auch Erzähler ihrer eigenen Geschichte oder Moderatoren einer anderen, einmal sogar Musiker. Der große Spielmacher aber ist Bruno Cathomas in verschiedenen Rollen, er ist der alte Backgammon-König Bai Dan, der allwissende Erzähler, der Conférencier beim Asylanten-Quiz. Als Übersetzer Bogdan im Flüchtlingslager ist er ein aufgedrehter Spaßvogel, als Besucher und Retter des nach dem Tod seiner Eltern depressiv herumhängenden 26-jährigen Alex die Animierdame, auf dem Feld des Spiels der weise Philosoph. Der Powerplayer Cathomas ist hier in seinem Element, zur Seite hat er mit Jörg Pohl als Alexander, mit Mirco Kreibich als Vater Jasco und mit Lisa Hagmeister als Mutter Jana drei junge Schauspieler, die den Härten und Reizen der neuen Welt, die nur eine andere, keine bessere ist, sensibel, mit naiver Frische, plötzlichem inneren Erstrahlen oder trauriger Duldsamkeit begegnen.
"Wie lange kann man den Wolken am Himmel zu sehen, bevor es dem Kummer zu eng wird?"
Nach der Pause findet eine zweite Reise statt, in umgekehrter Richtung. Die Eltern hatten ihre Heimat verlassen, um im Westen, in Freiheit, nach vielen Jahren der Armut eine Zweizimmerwohnung und ein Auto zu besitzen. Alexander, anfangs in eine Matratze eingeschnürt, hat sich selbst jeder Freiheit beraubt, bis er selbst, geführt von Bai Dan und mithilfe des Spiels sein seelisches Gefängnis verlassen kann. Jetzt kehrt das Maisfeld in Form eines riesigen Popcorn-Berges wieder, aus dem sich Bai Dan und Alexander zu ihrer gemeinsamen Tandem-Fahrt durch die Welt befreien müssen.
Hier im zweiten Teil des Stücks steht das Spiel-Handeln im Mittelpunkt, das Was-wäre-wenn und die Fantasie. Der Bergpass, den die beiden als Tandem erobern, ist eine schräge Tür, die der eine erklettert, während der andere sie stützt. Kurz zuvor zwang Alexanders fortgeschrittene Oblomowitis - er möchte einfach nicht mitspielen! - Bruno Cathomas zu einer clownesken Spiel-im-Spiel-Szene über das Improvisieren auf dem Theater.
Mancher Regieeinfall wirkt dabei aufgesetzt, viele Szenen unverbunden, holprig. Das imaginäre Hütchenspiel mit dem Publikum oder eine Szene mit einem echten Mitglied der örtlichen Feuerwehr über illegales Glücksspiel geraten arg gewollt. So musikalisch intelligent die Aufführung daher kommt, so unrhythmisch heruntererzählt wirkt sie in vielen Teilen. Und last, but not least: Die unaufdringliche Philosophie des Textes kann auf der Bühne nur plakativ wirken. Anregend ist sie trotzdem: Kann man den Wurf berechnen, den das Leben für einen bereithält? Ist Fantasie, das Imaginierte, das Unregulierte wirklich das Elixier nicht nur jeden Spiels, sondern eines gelungenen Lebens? Wenn Bühne Handeln auf Probe ist, was haben wir dann hier gesehen?
Fazit: Die Welt ist groß und Rettung lauert überall, nur in diesem Fall wohl eher nicht auf dem Theater. Aber: Ist die Welt nicht so groß, dass das Theater wieder eigene Geschichten erfinden könnte?