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Die Wichtigkeit der Musik in einem Land mit dauerhaftem Konflikt

Auf der Suche nach den "Sounds Of Israel" findet seit dem Wochenende das gleichnamige Festival in Hamburg statt, das nicht nur Musiker von Klassik bis Pop eingeladen hat, sondern auch noch ein Symposium anbietet.

Von Dirk Schneider |
    "Sounds Of Besatzung" stand auf dem Transparent, das ein kleines Grüppchen Demonstranten am Eröffnungsabend vor der Theaterfabrik Kampnagel präsentierte. Ein kurzer Blick in das Programmheft des Festivals "Sounds Of Israel" hätte genügt, um zu bemerken, dass man falscher nicht liegen kann: Im Klavierduo "Amal", arabisch für "Hoffnung", spielt ein palästinensischstämmiger Pianist gemeinsam mit einem Israeli. Die jüdisch-arabische Musikgruppe Shesh Besh wurde mehrfach für ihren Einsatz im israelisch-arabischen Dialog ausgezeichnet. Und die Sängerin Noa, die am Samstag das Festival eröffnete, ist eine der bedeutendsten Friedensbotschafterinnen Israels.

    "Es ist vielleicht nicht schwerer, in Israel Musiker zu sein, als irgendwo anders. Aber ein israelischer Musiker im Ausland zu sein ist sehr schwierig. Die Stereotypen und das Schwarzweißdenken sind der Kommunikation sehr abträglich. Sie erschweren eine veränderte Wahrnehmung und jeden Fortschritt. Wir haben damit die ganze Zeit zu tun."

    Noa begegnet dem mit großer Geduld - und natürlich mit ihrer Musik. Die 1969 geborene Sängerin ist nicht nur in Israel ein Star. Sie hat mit Größen wie Sting, Stevie Wonder oder Al Di Meola gesungen. Und sie stand am 4. November 1995 auf der Bühne, auf der kurz danach der israelische Premier Jitzchak Rabin erschossen wurde. Ihr jüngstes Album nennt sich "The Israeli Songbook". Darauf greift sie mit ihrem musikalischen Partner Gil Dor hebräische Volkslieder aus der Gründungszeit des Staates Israel auf - Lieder, die viele Israelis mitsingen können, und die den "Sound Of Israel" geprägt haben:

    "Viele der Komponisten, die aus Osteuropa kamen, aus Russland, aber viele auch aus Deutschland sind das erste Mal auf Menschen aus Nordafrika oder den arabischen Staaten getroffen. Dort sind wirklich Kulturen aufeinandergestoßen, und so etwas setzt immer eine Menge Kreativität frei."

    Bis heute vereint die israelische Musik die Einflüsse unterschiedlichster Traditionen. Das ist in der Kunstmusik, beim Festival vertreten etwa durch das Ensemble Meitar, genauso zu hören wie im Jazz des Trios um den Bassisten Avishai Cohen, der am Sonntag ein umjubeltes Konzert gegeben hat.

    Auf die Spitze treibt es das Idan Raichel Project, auf dessen Debütalbum 70 Musiker aus einem wilden Sprachen- und Stilmix einen Sound kreieren. 2002 erschienen, ist es bis heute das meistverkaufte israelische Album aller Zeiten. Der 34-jährige Idan Raichel glaubt daran, dass in der Musik die verschiedenen Ethnien zu einer Identität gelangen können:

    "Ich glaube, dass das Idan Raichel Projekt einen israelischen Soundtrack repräsentiert. Wir sind alle Immigranten, wir sind ein Schmelztiegel, im Studio und auf der Bühne."

    Das Idan Raichel Project hatte auch Hits im israelischen Mainstreamradio, deren Texte nicht hebräisch oder englisch waren, sondern zum Beispiel auf Amharisch, der Sprache der äthiopischen Einwanderer.

    Fast alle Musiker nehmen im Rahmen des Festivals "Sounds Of Israel" auch an Workshops und Begegnungen mit Hamburger Schülern teil, und auch in den Konzerten ist zu spüren, dass die Musiker eine Botschaft haben: Sie möchten von ihren Erfahrungen und ihren Wurzeln berichten. So auch die Mitglieder des Idan Raichel Projects:

    "Im Mittleren Osten und in der ganzen Welt haben wir das Problem von Rassismus und Diskriminierung. Und das liegt doch daran, dass wir unseren Nachbarn nicht kennen und die Schönheit seiner Kultur. Wir glauben nur, etwas zu wissen."

    Musik, das ist ihre Botschaft, ist das beste Mittel der Kommunikation. So erzählt "Sounds Of Israel" nicht nur von der facettenreichen Musik des Landes, es zeigt auch, wie eminent wichtig Musik sein kann in einer Gesellschaft, die unter einem jahrzehntelangen Konflikt fast zu zerreißen droht.

    Und die Hamburger lässt das Festival, das unter dem Markennamen "Elbphilharmonie" läuft, wieder einmal erleben, dass auch ohne einen Prachtbau am Hafen musikalisch Großes möglich ist.