Hartwig Tegeler: Andreas Kieling, was bringt ja einen Tierfilmer dazu, der ja qua definitionem Bilder von Tieren auf Fotos oder auf einen Film bannt, ein Hörbuch zu machen? Das liegt ja nicht so unbedingt auf der Hand.
Andreas Kieling: Na, das will ich so nicht sagen. Als ich ein kleiner Junge war, bin ich sozusagen als Radioreporter, als Hörbuchbegeisterter - wobei es das ja noch gar nicht gab -, durch den Wald gegangen. Und ich habe Geräusche gehört. Vogelstimmen, röhrende Hirsche, grunzende Wildschweine. Und ich wollte diesen Geräuschen immer auf die Spur kommen und wollte immer sehen, wer steckt hinter dem Geräusch. Als Kind habe ich immer schon versucht, das Objekt zum Geräusch. Und insofern ist ein Hörbuch für mich jetzt eigentlich eine sehr, sehr spannende Sache.
Tegeler:Ich hatte auch so den Eindruck, als ich das Hörbuch gehört habe, dass Sie, was man in Norddeutschland so sagen würde: Sie sind auch ein unheimlicher ´Schnaker´...
Kieling: Das war schon immer so. In der Schule hat man mich zum Teil dafür verspottet, dass ich ohne Punkte und Komma über das Liebesleben der Moorfrösche oder der Feuersalamander oder der Sumpfschildkröten ellenlange Vorträge konnte. Auch in Mathe oder Physik, wenn es sein muss. Einige fanden es gut damals, die meisten nicht so toll.
Tegeler: Statt der Binomischen Formeln.
Kieling: Statt der. Die haben mich nie so interessiert, die fand ich einfach zu trocken.
Tegeler: Gibt es eigentlich eine Hierarchie in Ihrer Neugierde? Würden Sie also den indischen Elefanten unterscheiden vom Grizzly am Yokon oder dem Hirsch in der Eifel in der Darstellung? Wir kommen jetzt mal wieder zum Tierfilmer. Gibt es da für Sie einen unterschiedlichen Reiz?
Kieling: Ich werde ganz oft gefragt: Was ist Ihr Lieblingstier? Und dann kann ich eigentlich nur sagen, ich habe eigentlich kein Lieblingstier.
Tegeler: Woher kommt diese Lust, die Tiere nicht nur anzuschauen, sondern sie auch zu filmen? Außer der Tatsache, dass man damit einen Job hat.
Kieling: Das kann ich selber gar nicht sagen. Es gibt keine Biologen, keine Förster oder Naturkundler in unserer Familie. Ich kann wirklich ... Meine Söhne zum Beispiel, die haben das in abgeschwächter Form. Aber nicht, das ist jetzt schon erkennbar, nicht mit dieser Leidenschaft, wie ich das habe.
Tegeler: Andreas Kieling, seit 2005, 2006, sind Sie Tierfilmer. Wie hat sich, wenn man mal die Leidenschaft des Filmens von Tieren als eine Seite sieht, wie hat sich in der Zeit die Arbeit verändert? Wie hat sich das Anforderungsprofil an den Tierfilmer verändert? Natürlich auch aufgrund einer veränderten Erwartungshaltung der Zuschauer. Also: Wir haben heute die Superzeitlupe, wir haben Filme, in denen beispielsweise das Schlüpfen der Adlerküken quasi fast aus dem Ei heraus mit einer Minikamera beobachtet werden kann. Wie hat sich für Sie die Arbeit auch technisch verändert?
Kieling: Ich habe das große Glück, dass ich Geschichten erzählen darf in meinen Dokumentationen, die eigentlich davon leben, dass sie ehrliche, authentische Geschichten sind, die in Regionen der Erde spielen, wo die meisten Menschen nie hinkommen werden. So ist es mir selber auch gegangen. Also nehmen wir diese klassischen Jack-London-Geschichten, ja, das war ja jahrelang mein Tummelplatz. Es gibt auf der einen Seite, glaube ich, den High-End- oder den High-Tech-Film, an dem ich mich nicht beteilige. Also, ich lehne das aber auch nicht ab. Ich habe schon Super-Slomos, also Super-Zeitlupen vor 20 Jahren gedreht mit einer ARI-Highspeed. Aber, ich bin jetzt nicht derjenige, der groß rumbastelt und mit einer enormen Technik Perspektiven zeigt oder Situationen zeigt, die so noch nie gezeigt wurden. Das ist eine Art, das ist eine moderne Art des Naturfilms. Ich selber …
Tegeler: Aber kommt der Druck bei Ihnen nicht auch an?
Kieling: Nein, der kommt bei mir nicht an. Also, ich habe das große Glück ...
Tegeler: Weil Sie ihr eigenes Format gefunden haben?
Kieling: Genau. Weil auch, glaube ich, viele Zuschauer das auch sehr mögen. Sie merken das ja auch an meiner Sprache. Meine Sprache ist sehr einfach. Und im Film ist das so, dass ich, ja, immer ehrliche, authentische Geschichten erzähle ...
Tegeler: Es gab einen Miniskandal um Ihre Wolfs-Dokumentation, wo einfach gesagt wurde, der Kieling hat keine richtigen Wölfe gefilmt, der hat Hybrid-Wölfe gefilmt. Das ist ja letztendlich Ausdruck von: Auf der einen Seite wollen wir immer als Zuschauer das authentische Bild haben ...
Kieling: Also, in dem Falle ging es darum: Mir war völlig klar, dass jeder nur halbe Experte sieht, dass das keine Lausitzer Wölfe sein können. Weil, wer sich mal mit der Situation der Wölfe in Deutschland ein bisschen beschäftigt, der weiß, die sind überwiegend dämmerungs- und nachtaktiv. Die treten kaum in Erscheinung. Und wir wollten ein möglichst positives Bild vom Wolf zeigen, und dafür haben wir - sage ich mal - zu diesem Stilmittel gegriffen ...
Tegeler: Ohne es auszuweisen!
Kieling: Das war mein großer Fehler. Die BBC macht das seit 20, 30 Jahren. Glauben Sie nicht, wenn in irgendeinem BBC-Film - es sei denn, er spielt in Nordkanada oder in Alaska oder woanders - Wölfe auftauchen, dass das keine trainierten Tiere sind. Aber das ist keine Entschuldigung. Letztendlich muss man sagen: Tierfilm ist eigentlich ... also, die Wirklichkeit ist nie die Wahrheit. Weil, das was in 45 Minuten in einer Naturdokumentation über den Sender läuft, das ist eine Arbeit von anderthalb oder zwei Jahren oder mehr.
Tegeler: Andreas Kieling, haben Tiere eine Seele?
Kieling: Tiere sind in erster Linie instinktgesteuerte Wesen. Ich habe Tiere trauern gesehen, in der Tat. Ich erinnere mich an ein Berggorilla-Weibchen, der das Junge gestorben ist. Sie hat das Junge mehrere Tage sich herumgetragen. Die Haare sind schon abgefallen. Es sah also wirklich nicht mehr schön aus, aber sie konnte sich einfach nicht lösen davon. Ein Biologe würde sagen, das ist ein völlig normaler Mutterinstinkt, das hat nichts mit Seele zu tun. Das ist einfach wie ein Brutinstinkt oder ein Paarungstrieb, der auch da ist, das ist hormonell gesteuert. Und, und, und. Ich glaube schon, dass es Tiere gibt, die eine Seele haben.
Tegeler: Letztens saß ich neben einer Frau beim Essen im Restaurant, einem nicht sehr gehobenen Restaurant, die sich vollkommen zu Recht darüber aufregte, wie schlecht es den Hunden in Südeuropa auf den Straßen geht. Während sie das tat, mümmelte sie ihr Fleisch, was kein Biofleisch war, sondern was definitiv aus der sogenannten Quälzucht stammte. Also, wir haben auf der einen Seite, die Tiere, die wir fasziniert anschauen in Dokumentationen im Kino, im Fernsehen, in Ihren Dokumentationen, auf der anderen Seite haben wir all die Tiere, die in den versteckten Fleischproduktionsanlagen ihr Dasein fristen. Sind wir Zuschauer, frage ich den Tierfilmer Andreas Kieling, sind wir Zuschauer nicht in der Tendenz in unserer Wahrnehmung und in unserer Empfindung auch nicht immer ein wenig schizophren?
Kieling: Zweifellos ist das so. Also, in dem Moment, wo ich ja sage, ich liebe Tiere und ich liebe meinen Hund über alles. Also Cleo zum Beispiel ist meine, glaube ich, beste Freundin. Die weiß mehr über mich als meine eigene Frau. Wir haben eine engere Beziehung. Also, das ist extreme enge, dichte, auch emotionale Beziehung zwischen einem Hund und einem Menschen. Und ich bin ganz bestimmt ein großer Tierfreund, und trotzdem kaufe ich Cleo mal hin und wieder eine Dose Hundefutter, mache die auf, und weiß genau, dass in dieser Hose natürlich Fleisch verarbeitet wurde, was ganz bestimmt nicht biologisch erzeugt wurde, sondern dass es ziemlich arme Kreaturen in dieser Dose waren. Oder sind. Dieser Widersprüchlichkeit kann ich mich auch nicht entziehen.
Tegeler: Wenn Sie sich vorstellen, Sie sehen in einer großen Präsentation Ihrer Filme oder Ihrer Fotos diese großen Augen der faszinierten Menschen und wissen, dass die genau in dem Widerspruch, über den wir jetzt geredet haben, leben, quält Sie das? Wie geht man damit um, wenn man sich so sehr den Tieren in seiner professionellen Arbeit auch gewidmet hat wie Sie?
Kieling: Meine Botschaft ist eigentlich viel simpler: Geht mal wieder raus, beschäftigt euch mit der Natur real, also, jetzt nicht nur virtuell, nehmt sie wieder wahr, schaltet mal die Telefone ab und setzt euch vielleicht einfach mal eine Stunde in unseren deutschen Wald oder in die Heide oder irgendwo in die Natur und lauscht in diese Natur hinein. Und da denke ich, ist schon viel gewonnen. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Tegeler: Und Sie hoffen, wenn ich Sie richtig verstehe in Ihrer Botschaft, dass das zur Bewusstseinserweiterung führt?
Kieling: Ich bin kein Mensch, der den Zeigefinger hebt. Oder in einer gewissen selbstgerechten Weise darüber spricht. Ich glaube, wenn ich selber begeistert bin oder betroffen bin oder emotional berührt, und das dem Zuschauer, dem Zuhörer vermitteln kann, erreiche ich viel, viel mehr.
Das Hörbuch "Andreas Kieling - Auf Spurensuche" (2 CDs - 150 Minuten) ist bei G-Records/rough trade erschienen
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Andreas Kieling: Na, das will ich so nicht sagen. Als ich ein kleiner Junge war, bin ich sozusagen als Radioreporter, als Hörbuchbegeisterter - wobei es das ja noch gar nicht gab -, durch den Wald gegangen. Und ich habe Geräusche gehört. Vogelstimmen, röhrende Hirsche, grunzende Wildschweine. Und ich wollte diesen Geräuschen immer auf die Spur kommen und wollte immer sehen, wer steckt hinter dem Geräusch. Als Kind habe ich immer schon versucht, das Objekt zum Geräusch. Und insofern ist ein Hörbuch für mich jetzt eigentlich eine sehr, sehr spannende Sache.
Tegeler:Ich hatte auch so den Eindruck, als ich das Hörbuch gehört habe, dass Sie, was man in Norddeutschland so sagen würde: Sie sind auch ein unheimlicher ´Schnaker´...
Kieling: Das war schon immer so. In der Schule hat man mich zum Teil dafür verspottet, dass ich ohne Punkte und Komma über das Liebesleben der Moorfrösche oder der Feuersalamander oder der Sumpfschildkröten ellenlange Vorträge konnte. Auch in Mathe oder Physik, wenn es sein muss. Einige fanden es gut damals, die meisten nicht so toll.
Tegeler: Statt der Binomischen Formeln.
Kieling: Statt der. Die haben mich nie so interessiert, die fand ich einfach zu trocken.
Tegeler: Gibt es eigentlich eine Hierarchie in Ihrer Neugierde? Würden Sie also den indischen Elefanten unterscheiden vom Grizzly am Yokon oder dem Hirsch in der Eifel in der Darstellung? Wir kommen jetzt mal wieder zum Tierfilmer. Gibt es da für Sie einen unterschiedlichen Reiz?
Kieling: Ich werde ganz oft gefragt: Was ist Ihr Lieblingstier? Und dann kann ich eigentlich nur sagen, ich habe eigentlich kein Lieblingstier.
Tegeler: Woher kommt diese Lust, die Tiere nicht nur anzuschauen, sondern sie auch zu filmen? Außer der Tatsache, dass man damit einen Job hat.
Kieling: Das kann ich selber gar nicht sagen. Es gibt keine Biologen, keine Förster oder Naturkundler in unserer Familie. Ich kann wirklich ... Meine Söhne zum Beispiel, die haben das in abgeschwächter Form. Aber nicht, das ist jetzt schon erkennbar, nicht mit dieser Leidenschaft, wie ich das habe.
Tegeler: Andreas Kieling, seit 2005, 2006, sind Sie Tierfilmer. Wie hat sich, wenn man mal die Leidenschaft des Filmens von Tieren als eine Seite sieht, wie hat sich in der Zeit die Arbeit verändert? Wie hat sich das Anforderungsprofil an den Tierfilmer verändert? Natürlich auch aufgrund einer veränderten Erwartungshaltung der Zuschauer. Also: Wir haben heute die Superzeitlupe, wir haben Filme, in denen beispielsweise das Schlüpfen der Adlerküken quasi fast aus dem Ei heraus mit einer Minikamera beobachtet werden kann. Wie hat sich für Sie die Arbeit auch technisch verändert?
Kieling: Ich habe das große Glück, dass ich Geschichten erzählen darf in meinen Dokumentationen, die eigentlich davon leben, dass sie ehrliche, authentische Geschichten sind, die in Regionen der Erde spielen, wo die meisten Menschen nie hinkommen werden. So ist es mir selber auch gegangen. Also nehmen wir diese klassischen Jack-London-Geschichten, ja, das war ja jahrelang mein Tummelplatz. Es gibt auf der einen Seite, glaube ich, den High-End- oder den High-Tech-Film, an dem ich mich nicht beteilige. Also, ich lehne das aber auch nicht ab. Ich habe schon Super-Slomos, also Super-Zeitlupen vor 20 Jahren gedreht mit einer ARI-Highspeed. Aber, ich bin jetzt nicht derjenige, der groß rumbastelt und mit einer enormen Technik Perspektiven zeigt oder Situationen zeigt, die so noch nie gezeigt wurden. Das ist eine Art, das ist eine moderne Art des Naturfilms. Ich selber …
Tegeler: Aber kommt der Druck bei Ihnen nicht auch an?
Kieling: Nein, der kommt bei mir nicht an. Also, ich habe das große Glück ...
Tegeler: Weil Sie ihr eigenes Format gefunden haben?
Kieling: Genau. Weil auch, glaube ich, viele Zuschauer das auch sehr mögen. Sie merken das ja auch an meiner Sprache. Meine Sprache ist sehr einfach. Und im Film ist das so, dass ich, ja, immer ehrliche, authentische Geschichten erzähle ...
Tegeler: Es gab einen Miniskandal um Ihre Wolfs-Dokumentation, wo einfach gesagt wurde, der Kieling hat keine richtigen Wölfe gefilmt, der hat Hybrid-Wölfe gefilmt. Das ist ja letztendlich Ausdruck von: Auf der einen Seite wollen wir immer als Zuschauer das authentische Bild haben ...
Kieling: Also, in dem Falle ging es darum: Mir war völlig klar, dass jeder nur halbe Experte sieht, dass das keine Lausitzer Wölfe sein können. Weil, wer sich mal mit der Situation der Wölfe in Deutschland ein bisschen beschäftigt, der weiß, die sind überwiegend dämmerungs- und nachtaktiv. Die treten kaum in Erscheinung. Und wir wollten ein möglichst positives Bild vom Wolf zeigen, und dafür haben wir - sage ich mal - zu diesem Stilmittel gegriffen ...
Tegeler: Ohne es auszuweisen!
Kieling: Das war mein großer Fehler. Die BBC macht das seit 20, 30 Jahren. Glauben Sie nicht, wenn in irgendeinem BBC-Film - es sei denn, er spielt in Nordkanada oder in Alaska oder woanders - Wölfe auftauchen, dass das keine trainierten Tiere sind. Aber das ist keine Entschuldigung. Letztendlich muss man sagen: Tierfilm ist eigentlich ... also, die Wirklichkeit ist nie die Wahrheit. Weil, das was in 45 Minuten in einer Naturdokumentation über den Sender läuft, das ist eine Arbeit von anderthalb oder zwei Jahren oder mehr.
Tegeler: Andreas Kieling, haben Tiere eine Seele?
Kieling: Tiere sind in erster Linie instinktgesteuerte Wesen. Ich habe Tiere trauern gesehen, in der Tat. Ich erinnere mich an ein Berggorilla-Weibchen, der das Junge gestorben ist. Sie hat das Junge mehrere Tage sich herumgetragen. Die Haare sind schon abgefallen. Es sah also wirklich nicht mehr schön aus, aber sie konnte sich einfach nicht lösen davon. Ein Biologe würde sagen, das ist ein völlig normaler Mutterinstinkt, das hat nichts mit Seele zu tun. Das ist einfach wie ein Brutinstinkt oder ein Paarungstrieb, der auch da ist, das ist hormonell gesteuert. Und, und, und. Ich glaube schon, dass es Tiere gibt, die eine Seele haben.
Tegeler: Letztens saß ich neben einer Frau beim Essen im Restaurant, einem nicht sehr gehobenen Restaurant, die sich vollkommen zu Recht darüber aufregte, wie schlecht es den Hunden in Südeuropa auf den Straßen geht. Während sie das tat, mümmelte sie ihr Fleisch, was kein Biofleisch war, sondern was definitiv aus der sogenannten Quälzucht stammte. Also, wir haben auf der einen Seite, die Tiere, die wir fasziniert anschauen in Dokumentationen im Kino, im Fernsehen, in Ihren Dokumentationen, auf der anderen Seite haben wir all die Tiere, die in den versteckten Fleischproduktionsanlagen ihr Dasein fristen. Sind wir Zuschauer, frage ich den Tierfilmer Andreas Kieling, sind wir Zuschauer nicht in der Tendenz in unserer Wahrnehmung und in unserer Empfindung auch nicht immer ein wenig schizophren?
Kieling: Zweifellos ist das so. Also, in dem Moment, wo ich ja sage, ich liebe Tiere und ich liebe meinen Hund über alles. Also Cleo zum Beispiel ist meine, glaube ich, beste Freundin. Die weiß mehr über mich als meine eigene Frau. Wir haben eine engere Beziehung. Also, das ist extreme enge, dichte, auch emotionale Beziehung zwischen einem Hund und einem Menschen. Und ich bin ganz bestimmt ein großer Tierfreund, und trotzdem kaufe ich Cleo mal hin und wieder eine Dose Hundefutter, mache die auf, und weiß genau, dass in dieser Hose natürlich Fleisch verarbeitet wurde, was ganz bestimmt nicht biologisch erzeugt wurde, sondern dass es ziemlich arme Kreaturen in dieser Dose waren. Oder sind. Dieser Widersprüchlichkeit kann ich mich auch nicht entziehen.
Tegeler: Wenn Sie sich vorstellen, Sie sehen in einer großen Präsentation Ihrer Filme oder Ihrer Fotos diese großen Augen der faszinierten Menschen und wissen, dass die genau in dem Widerspruch, über den wir jetzt geredet haben, leben, quält Sie das? Wie geht man damit um, wenn man sich so sehr den Tieren in seiner professionellen Arbeit auch gewidmet hat wie Sie?
Kieling: Meine Botschaft ist eigentlich viel simpler: Geht mal wieder raus, beschäftigt euch mit der Natur real, also, jetzt nicht nur virtuell, nehmt sie wieder wahr, schaltet mal die Telefone ab und setzt euch vielleicht einfach mal eine Stunde in unseren deutschen Wald oder in die Heide oder irgendwo in die Natur und lauscht in diese Natur hinein. Und da denke ich, ist schon viel gewonnen. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Tegeler: Und Sie hoffen, wenn ich Sie richtig verstehe in Ihrer Botschaft, dass das zur Bewusstseinserweiterung führt?
Kieling: Ich bin kein Mensch, der den Zeigefinger hebt. Oder in einer gewissen selbstgerechten Weise darüber spricht. Ich glaube, wenn ich selber begeistert bin oder betroffen bin oder emotional berührt, und das dem Zuschauer, dem Zuhörer vermitteln kann, erreiche ich viel, viel mehr.
Das Hörbuch "Andreas Kieling - Auf Spurensuche" (2 CDs - 150 Minuten) ist bei G-Records/rough trade erschienen
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.