Archiv


"Die Zeit läuft wirklich davon"

Wichtig sei, dass sich Europa auf klimapolitische Ziele einigt, damit man mit einer Stimme sprechen kann, sagt Karin Lochte vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung. Es gebe die Möglichkeit den Klimawandel aufzuhalten. Doch bezweifelt Lochte den Willen dazu.

Karin Lochte im Gespräch mit Mario Dobovisek |
    Mario Dobovisek: Aus Doha meldete sich mein Kollege Georg Ehring, und am Telefon begrüße ich Karin Lochte, die Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung. Guten Morgen, Frau Lochte!

    Karin Lochte: Ja, guten Morgen!

    Dobovisek: Wir hören gerade, möglicherweise acht Jahre Pause für den Klimaschutz – enttäuscht Sie das?

    Lochte: Oh ja, das wäre schrecklich. Das ist wirklich eine Katastrophe, denn wir haben jetzt schon CO2-Emissionen, die immer weiter steigen und die eigentlich unserem sogenannten Worst Case folgen, also einer Erwärmung, die weit über zwei Grad gehen würde.

    Dobovisek: Noch immer verhandeln ja die Minister auf der Klimakonferenz. Ist das für Sie eher ein gutes Zeichen?

    Lochte: Das kann ich ehrlich gesagt nicht sagen, das hängt davon ab, was herauskommt. Aber eigentlich glaube ich nicht, dass jetzt noch ein Ergebnis kommen wird, was uns tatsächlich signifikante Einsparung in der CO2-Emission geben wird. Denn viele Länder handeln ja eigentlich so, dass sie möglichst viele Möglichkeiten noch haben, weiter CO2 zu emittieren. Das sind natürlich nationale Egoismen sozusagen, aber der Welt an und für sich, dem Klimawandel, wird das nicht helfen.

    Dobovisek: Müssen wir uns da auch an die eigene Nase fassen als eines der größten Industrieländer, zumindest in Europa?

    Lochte: Ich denke, Deutschland tut schon eine ganze Menge, wir können sicherlich noch mehr machen, aber es gibt ja auch innerhalb von Deutschlands Schwierigkeiten, innerhalb Europas gibt es Schwierigkeiten, sich zu einigen, und ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt, dass wir uns innerhalb Europas wirklich einigen müssen, um dann mit einer starken Stimme in diesem Konzert auch sprechen zu können.

    Dobovisek: Werden da Deutschland und Europa ja der vielbeschworenen Vorreiterrolle überhaupt noch gerecht?

    Lochte: Im Augenblick nicht. Und ich möchte eigentlich sagen, dass früher oder später werden wir uns ja schon auf Energiesparen einstellen müssen. Das wird kommen, und die Länder, die sich jetzt schon an solche Methoden anpassen, neue Technologien, neue Organisationsformen und auch eine Einstellung in der Gesellschaft auf Reduzierung der Ressourcennutzung, das würde uns tatsächlich auch in eine Vorreiterrolle bringen, die uns später hilft. Aber ich sehe da ehrlich gesagt noch nicht so große Anstrengungen.

    Dobovisek: Seit genau 30 Jahren kreuzt das Forschungsschiff "Polarstern" für das Alfred-Wegener-Institut durch die Eismeere der Pole, auch Polarstationen betreiben Sie. 30 Jahre sind erdgeschichtlich gesehen nicht mal ein Wimpernschlag in der Weltgeschichte – was sagen diese 30 Jahre aber über unser Klima und dessen Wandel aus?

    Lochte: Nun, wir stellen fest, dass in den Polarregionen die Erwärmung doppelt so stark stattfindet als im globalen Mittel. Also wir haben besonders in der Arktis eine sehr starke Erwärmung, und deswegen sind die Langzeitdatenreihen, die wir haben, und die Beobachtungen, die wir im Eis dort machen, unheimlich wichtig, um zu sehen, in welche Richtung wird sich das Klima entwickeln. Daher haben wir dieses als Grundlage auch, um Vorhersagen zu machen, in welcher Weise sich das entwickelt. Wir sehen die Polarregion, insbesondere die Arktis, als so eine Art Frühwarnsystem für Klimawandel an.

    Dobovisek: Die Polkappen schmelzen, Tausende Inseln in Ozeanien versinken im Meer, dagegen trocknet der Rhein aus – derlei Dinge hören wir en Masse im Umfeld von Klimagipfeln. Sie sagen gerade, Sie sprechen Ihre eigenen Prognosen an, wie sehen die denn aus für die nächsten 50 Jahre?

    Lochte: Also wir haben wahrscheinlich in den nächsten 50 Jahren im Sommer kein Eis mehr in der Arktis. Das wird massive Auswirkungen haben auf die Wetterentwicklung auf der Nordhalbkugel, in Nordeuropa, und damit müssten wir leben. Wir müssen jetzt also auch Vorhersagen treffen, wie sich das entwickelt, um auch Anpassungsmaßnahmen ergreifen zu können.

    Dobovisek: Welche konkreten Auswirkungen würde das auf uns haben hier in Deutschland?

    Lochte: Nun, es wird Auswirkungen haben auf den sogenannten hydrologischen Zyklus, also Regenfälle, wo fällt der Regen in welcher Form, wie schnell, es wird Auswirkungen haben auf Stürme natürlich auch, aber auch auf allgemeine Wetterentwicklung, also haben wir einen kalten Winter, zum Beispiel, wie entwickeln sich die Sommer, und natürlich die Temperaturen insgesamt.

    Dobovisek: Noch 20 Jahre habe die Menschheit, um den Klimawandel zu stoppen, sagte Bundesumweltminister Peter Altmaier zu Beginn der Konferenz in Doha. Fragen wir mal andersherum: Kann der Klimawandel überhaupt noch aufgehalten werden?

    Lochte: Also wenn wir die Veränderung aufhalten wollen – wir haben jetzt schon 0,7 Grad Erwärmung, also es geht schon los sozusagen – wenn wir den aufhalten wollen, dann müssen wir uns wirklich anstrengen, und die Zeit läuft wirklich davon.

    Dobovisek: Das heißt, Sie sehen eher eine düstere Zukunft und rechnen schon damit, dass der Klimawandel uns soweit erwischen wird, dass wir diese Auswirkungen, die Sie beschrieben haben, spüren werden?

    Lochte: Die Möglichkeiten hätten wir, den aufzuhalten, aber ob wir den Willen dazu haben, das bezweifle ich.

    Dobovisek: Die Klimakonferenz in Doha und der Klimawandel – Karin Lochte, Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung. Ich danke Ihnen für das Gespräch!

    Lochte: Ja, vielen Dank, Wiederhören!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.