Es war Stille eingekehrt in der Stadt - wenigstens vorübergehend. Kurz zuvor hatten die römischen Truppen unter ihrem Heerführer Titus den jüdischen Tempel in Jerusalem erstürmt. Bevor sie das Heiligtum schließlich niederbrannten, ließen es sich die Römer nicht nehmen, einen letzten Blick auf den Tempel zu werfen.
" Alles war noch viel erhabener als sein Ruf bei den Fremden… Man muss gewiss um ein solches Bauwerk sehr trauern; es war ja von allen Bauten... das Wunderbarste; zunächst wegen seiner Bauart und Größe, dann aber auch wegen seiner Kostbarkeit in jeder Einzelheit und wegen der Erhabenheit seiner heiligen Räume. … Auf allen Seiten mit schweren goldenen Platten bekleidet, schimmerte der Tempel bei Sonnenaufgang im hellsten Feuerglanz und blendete das Auge gleich den Strahlen des Tagesgestirns. "
Der Historiker Flavius Josephus über jenen sagenumwobenen "zweiten" Tempel, den Nachfolger des einst von König Salomo errichteten "ersten" Tempels; just auf jener Bergkuppe gelegen, wo Abraham, angeblich auf Gottes Befehl, einen Hammel - anstelle seines Sohnes Isaak - geopfert haben soll.
Was wir heute über jene schicksalhaften Ereignisse in Jerusalem im September des Jahres 70. n. Chr. wissen, fußt auf der Chronik "Der jüdische Krieg" von Flavius Josephus. Er war der Sprössling einer jüdischen Priesterfamilie aus Jerusalem, der im Laufe der Kriegswirren zu den Römern übergelaufen war. Genaue Datumsangaben der Geschehnisse aus seiner Schilderung abzuleiten, ist allerdings problematisch. Denn bis heute ist unklar, welchen Kalender Flavius Josephus bei seinen Berechnungen benutzte: den julianischen Kalender oder den "lunisolaren" jüdischen, bei dem die Monatslänge zwischen 29 und 30 Tagen schwankt. Der britische Historiker Jonathan Price kommt jedenfalls zu dem Urteil:
"Ich gehe davon aus, dass Josephus in "Der jüdische Krieg" den lunisolaren Kalender benutzt hat, und dass die von ihm verwendeten mazedonischen Monatsbezeichnungen mit den lunaren Monaten des jüdischen Kalenders korrespondieren. Entsprechungen zu unserem heute gültigen Kalender herzustellen, ist unmöglich. Wir müssen uns daher mit einer relativen Chronologie zufrieden geben. "
Sicher ist allenfalls, dass der Widerstand der Juden gegen die römischen Besatzer mit der Zerstörung ihres Heiligtums noch nicht gebrochen war.
Diejenigen Bewohner, die aufgrund der monatelangen Belagerung Jerusalems nicht bereits den Hungertod gestorben oder in den Kämpfen umgekommen waren, hatten sich in die ringsum abschüssige Oberstadt zurückgezogen. Der Sieg der Römer stand jetzt unmittelbar bevor - wenn da nicht drei mächtige Türme gewesen wären. Nach Flavius Josephus war es am Ende auch Glück, was den Römern half, die demoralisierten Juden zu besiegen:
"Sie stiegen freiwillig von den Türmen herab, wo sie niemals durch Gewalt, sondern allein durch den Hunger hätten bezwungen werden können… Denn die drei Türme… waren jeder für sich stärker als die römischen Belagerungsmaschinen… Als Titus später die restliche Stadt vollends zerstörte und die Mauern niederriss, ließ er die Türme als Wahrzeichen seines Glücks stehen, mit dessen Hilfe er bezwang, was uneinnehmbar war. "
Der Verlust des Tempels bedeutete einen tiefen religiösen Einschnitt. Denn die Juden mussten jetzt ohne ihr Heiligtum auskommen. Langfristig aber konnte die jüdische Identität dadurch gewahrt werden, dass neue Formen des Glaubenslebens einen Zusammenhalt auch ohne ein örtliches Zentrum ermöglichten. Im Talmud heißt es:
" Wenn jemand sein Haus streicht, soll er ein kleines Stück unvollendet lassen - in Erinnerung an Jerusalem.
Wenn jemand ein Menu vorbereitet, soll er ein Teil des Menus weglassen - in Erinnerung an Jerusalem.
Wenn eine Frau all ihren Schmuck anlegt, soll sie auf ein oder zwei Stück verzichten - in Erinnerung an Jerusalem. "
Nach den Römern folgten die Moslems als Besatzer Jerusalems. Heute verehren alle drei großen monotheistischen Weltreligionen den Bereich um den Tempelberg - die Araber nennen Jerusalem die "Heilige", die Juden sprechen gar von der "Stadt des Friedens". Doch manchmal scheint es, als ob ein Fluch über Jerusalem liegt.
So streiten sich Israelis und Palästinenser seit dem Sechstagekrieg 1967 um den heiligen Berg. Sollte der Nahost-Konflikt - und mit ihm die symbolische Frage des Tempelbergs - eines Tages gelöst werden, dann - und nur dann - könnte vielleicht die Zeit des wahrlich "himmlischen" Jerusalems beginnen.
" Alles war noch viel erhabener als sein Ruf bei den Fremden… Man muss gewiss um ein solches Bauwerk sehr trauern; es war ja von allen Bauten... das Wunderbarste; zunächst wegen seiner Bauart und Größe, dann aber auch wegen seiner Kostbarkeit in jeder Einzelheit und wegen der Erhabenheit seiner heiligen Räume. … Auf allen Seiten mit schweren goldenen Platten bekleidet, schimmerte der Tempel bei Sonnenaufgang im hellsten Feuerglanz und blendete das Auge gleich den Strahlen des Tagesgestirns. "
Der Historiker Flavius Josephus über jenen sagenumwobenen "zweiten" Tempel, den Nachfolger des einst von König Salomo errichteten "ersten" Tempels; just auf jener Bergkuppe gelegen, wo Abraham, angeblich auf Gottes Befehl, einen Hammel - anstelle seines Sohnes Isaak - geopfert haben soll.
Was wir heute über jene schicksalhaften Ereignisse in Jerusalem im September des Jahres 70. n. Chr. wissen, fußt auf der Chronik "Der jüdische Krieg" von Flavius Josephus. Er war der Sprössling einer jüdischen Priesterfamilie aus Jerusalem, der im Laufe der Kriegswirren zu den Römern übergelaufen war. Genaue Datumsangaben der Geschehnisse aus seiner Schilderung abzuleiten, ist allerdings problematisch. Denn bis heute ist unklar, welchen Kalender Flavius Josephus bei seinen Berechnungen benutzte: den julianischen Kalender oder den "lunisolaren" jüdischen, bei dem die Monatslänge zwischen 29 und 30 Tagen schwankt. Der britische Historiker Jonathan Price kommt jedenfalls zu dem Urteil:
"Ich gehe davon aus, dass Josephus in "Der jüdische Krieg" den lunisolaren Kalender benutzt hat, und dass die von ihm verwendeten mazedonischen Monatsbezeichnungen mit den lunaren Monaten des jüdischen Kalenders korrespondieren. Entsprechungen zu unserem heute gültigen Kalender herzustellen, ist unmöglich. Wir müssen uns daher mit einer relativen Chronologie zufrieden geben. "
Sicher ist allenfalls, dass der Widerstand der Juden gegen die römischen Besatzer mit der Zerstörung ihres Heiligtums noch nicht gebrochen war.
Diejenigen Bewohner, die aufgrund der monatelangen Belagerung Jerusalems nicht bereits den Hungertod gestorben oder in den Kämpfen umgekommen waren, hatten sich in die ringsum abschüssige Oberstadt zurückgezogen. Der Sieg der Römer stand jetzt unmittelbar bevor - wenn da nicht drei mächtige Türme gewesen wären. Nach Flavius Josephus war es am Ende auch Glück, was den Römern half, die demoralisierten Juden zu besiegen:
"Sie stiegen freiwillig von den Türmen herab, wo sie niemals durch Gewalt, sondern allein durch den Hunger hätten bezwungen werden können… Denn die drei Türme… waren jeder für sich stärker als die römischen Belagerungsmaschinen… Als Titus später die restliche Stadt vollends zerstörte und die Mauern niederriss, ließ er die Türme als Wahrzeichen seines Glücks stehen, mit dessen Hilfe er bezwang, was uneinnehmbar war. "
Der Verlust des Tempels bedeutete einen tiefen religiösen Einschnitt. Denn die Juden mussten jetzt ohne ihr Heiligtum auskommen. Langfristig aber konnte die jüdische Identität dadurch gewahrt werden, dass neue Formen des Glaubenslebens einen Zusammenhalt auch ohne ein örtliches Zentrum ermöglichten. Im Talmud heißt es:
" Wenn jemand sein Haus streicht, soll er ein kleines Stück unvollendet lassen - in Erinnerung an Jerusalem.
Wenn jemand ein Menu vorbereitet, soll er ein Teil des Menus weglassen - in Erinnerung an Jerusalem.
Wenn eine Frau all ihren Schmuck anlegt, soll sie auf ein oder zwei Stück verzichten - in Erinnerung an Jerusalem. "
Nach den Römern folgten die Moslems als Besatzer Jerusalems. Heute verehren alle drei großen monotheistischen Weltreligionen den Bereich um den Tempelberg - die Araber nennen Jerusalem die "Heilige", die Juden sprechen gar von der "Stadt des Friedens". Doch manchmal scheint es, als ob ein Fluch über Jerusalem liegt.
So streiten sich Israelis und Palästinenser seit dem Sechstagekrieg 1967 um den heiligen Berg. Sollte der Nahost-Konflikt - und mit ihm die symbolische Frage des Tempelbergs - eines Tages gelöst werden, dann - und nur dann - könnte vielleicht die Zeit des wahrlich "himmlischen" Jerusalems beginnen.