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"Die Zinsen auch der Riesterrente sind dramatisch gesunken"

Insbesondere diejenigen, die bei der Altersvorsorge ein Kapitalmarkt gestütztes Produkt erworben haben, könnten im Zuge der Eurokrise "massive Einschnitte erleben", sagt Barbara Riedmüller. Die Sozialwissenschaftlerin fordert insgesamt mehr Transparenz der Versicherungsprodukte.

Barbara Riedmüller im Gespräch mit Mario Dobovisek | 25.07.2012
    O-Ton Walter Riester: "Es reicht nicht aus, für viele Menschen den Lebensstandard im Alter abzusichern, und deswegen ist ein zweiter Sparvorgang zwingend. Ich habe erstmals ein staatlich gefördertes Sparen gemacht, das sich jetzt Riester-Rente nennt, und das ist der entscheidende Punkt."

    Mario Dobovisek: Der frühere Bundesarbeits- und Sozialminister Walter Riester über seine Rente, die Riester-Rente. Die Rentenlücke sollte sie schließen helfen und damit die Altersarmut vermeiden, als private Zusatzversicherung, staatlich gefördert. Doch die Rentenlücke könnte wieder aufreißen: Schuld daran trägt die Euro-Krise, vielmehr der Niedrigzins sicherer Staatsanleihen. Der Rentenexperte Bernd Raffelhüschen:

    O-Ton Bernd Raffelhüschen: "Fast alle Menschen haben irgendwo eine Lebensversicherung, haben vielleicht einen Riester-Vertrag, haben betriebliche Altersvorsorge. All das sind Dinge, wo wir in der Refinanzierung dominant Staatspapiere haben. Für die heißt das eben halt auch weniger Zinseinnahmen und damit eine geringere Rendite als die, die man ursprünglich erwartet hat."

    Dobovisek: Vor zehn Jahren zum Beispiel rentierten sich Bundesanleihen noch mit einem Zinssatz von gut fünf Prozent, heute gibt es nur noch ein klägliches Prozent dafür. Das ist so mager, dass die Rendite von der Inflation geschluckt wird, und mehr noch, das Anlagevermögen sogar etwas schrumpft.

    Am Telefon begrüße ich die Sozialwissenschaftlerin und frühere SPD-Politikerin Barbara Riedmüller, die zudem im Sozialbeirat der Bundesregierung saß. Guten Morgen, Frau Riedmüller.

    Barbara Riedmüller: Guten Morgen!

    Dobovisek: Können Anleger mit privaten Zusatzrenten am Ende tatsächlich real Geld verlieren?

    Riedmüller: Ja ich sage mal, mit Einschränkung. Das hängt vom Produkt ab, das Sie gekauft haben für Ihre private Altersversorgung. Die Riester-Rente, die eben schon erwähnt wurde, kennt ja die Einlagensicherung, das ist eine zertifizierte Rente. Das heißt, es wird geprüft, ob sie auch eine echte Altersvorsorge ist und steuermäßig bezuschusst wird.

    Dobovisek: Wer kommt dafür auf?

    Riedmüller: Dafür muss der Versicherer aufkommen, für die Einlage.

    Dobovisek: Und wenn der Versicherer selbst irgendwann zahlungsunfähig würde?

    Riedmüller: Dann gibt es einen Sicherungsfonds, das ist geregelt. Also das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist ein anderer: Viele Menschen haben keine Riester-Rente, sondern ein anderes Vorsorgeprodukt erworben, sind unter Umständen in einem Hedgefonds oder irgendwo sonst auf dem Kapitalmarkt, Aktien etc., unterwegs. Die können natürlich massive Einschnitte erleben. Und – das ist ja eben auch erwähnt worden – die Zinsen auch der Riester-Rente sind dramatisch gesunken, übrigens schon letztes Jahr, und die Versicherer garantieren da eine ganz geringe Rendite, und die wird in der Tat von der Inflation geschluckt.

    Dobovisek: Ist es dann überhaupt noch sinnvoll, in eine solche Altersvorsorge zu investieren?

    Riedmüller: Das wird unter den Experten ja sehr strittig diskutiert zurzeit. Wir selbst haben in einer Untersuchung festgestellt, dass die Produkte sehr unterschiedliche Renditen haben, insofern die Verwaltungskosten in Deutschland sehr hoch sind, und das muss man auch noch abziehen, sodass es tatsächlich sein kann, dass jemand weniger herausbekommt als er einbezahlt hat, weil diese Verwaltungskosten, die spart er in den ersten Jahren an.

    Dobovisek: Wie kann ich das als Verbraucher erkennen?

    Riedmüller: Es gibt gute Übersichten. Die Stiftung Warentest hat eine Zeitschrift, ein Sonderheft gemacht zur Riester-Rente, wo man sehen kann, welches Produkt wie viel kostet, wie hoch die Verwaltungskosten sind. Das sollte man sich auf jeden Fall anschauen. Die Stiftung hat ja auch schon mal vor bestimmten Produkten gewarnt.

    Dobovisek: Europa steuere schlafwandelnd auf eine Katastrophe von unabsehbarem Ausmaß zu, heißt es in einem Gutachten von 17 europäischen Ökonomen, das heute Morgen bekannt wurde. Das klingt nicht gut, auch nicht gut für die Rente.

    Riedmüller: Ja. Da wird natürlich jetzt viel geunkt und jeder meint, er hätte dazu was zu sagen. Man muss natürlich diese Entwicklung über einen längeren Zeitraum sehen. Wir haben einen sehr aufgeputschten Kapitalmarkt erlebt. Die einzelnen Regierungen Europas haben diesen Kapitalmarkt durch die private Alterssicherung noch weiter aktiviert, das muss man ja auch mit betrachten, und da entstehen natürlich auch entsprechende Turbulenzen.

    Dobovisek: Versicherer versprechen ihren Kunden ja einen Garantiezins, das haben Sie vorhin schon mal kurz erwähnt. Bei älteren Policen beträgt der sogar vier Prozent. Wie wollen die Versicherer das hinweg über eine mögliche Durststrecke mit Niedrig-Zinsniveau weiter aushalten?

    Riedmüller: Die haben da diverse Öffnungsklauseln, um diese Zinsen runterzugehen. Das müssen sich die Versicherten genau angucken, was sie da für einen Zins haben. Aber das sind ja jetzt auch keine Ewigkeitsstrecken. Selbst die Lebensversicherung, von der gesagt wurde, die ist draußen, ist zurzeit über eine große Strecke noch stabil. Abgesehen von dem Umstand, dass sie besteuert wird bei der Auszahlung, das hat sie unattraktiv gemacht. Die Bausparverträge werden nach wie vor übrigens verstärkt wieder gekauft, weil Wohneigentum zu bilden im Moment attraktiv erscheint.

    Dobovisek: "Erscheint", sagen Sie!

    Riedmüller: Ja, weil das hängt natürlich von der laufenden Zahlungsfähigkeit der Menschen ab, die das tun. Und wenn man dazu dann tatsächlich nicht in der Lage ist, das Wohneigentum zu kaufen, dann trifft einen da natürlich der Fiskus mit der Steuerpflicht bei der Auszahlung der Beträge.

    Dobovisek: Ein anderer Punkt, Frau Riedmüller, sind die Rentenversicherer, die verpflichtet sind, Rücklagen zu bilden, und auch verpflichtet sind, diese Rücklagen zumindest zum Teil an ihre Kunden auszuzahlen. Die Versicherer selbst wollen davon jetzt Abstand nehmen. Dürfen die das einfach?

    Riedmüller: Die Intransparenz der Versicherungsprodukte ist sehr hoch. Da müsste der Gesetzgeber unbedingt vor allen Dingen in Deutschland nachbessern. Selbst Großbritannien, das Land, das wir durch die liberalen Finanzmärkte kennen, hat eine solche Transparenzforderung. Diese Rücklagen, die können Sie heute schon nicht erkennen.

    Dobovisek: Barbara Riedmüller, emeritierte Professorin an der Freien Universität Berlin und frühere SPD-Politikerin, über das Abschmelzen der Rentenrendite in der Euro-Krise. Ich danke Ihnen für Ihre Einschätzungen.

    Riedmüller: Ja bitte sehr, gern geschehen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.